
© Postamuzeum Budapest
Erste drahtlose TV-Übertragung 1929 : Als Denes von Mihaly Berlin zum Strahlen brachte
Folge 13 unserer Kolumne „Aus der Zeit“ über die Geschichte der Berliner Wirtschaft beschäftigt sich mit den Pionieren der Fernsehtechnik im Jahr 1929.

Stand:
Am 8. März 1929 gegen 22.30 Uhr hält ein Taxi vor dem Haus Soorstraße 89 in Charlottenburg. Ein noch im Schlafrock bekleideter Mann mit Filzpantoffeln an den Füßen stiegt ein und fährt damit weiter Richtung Friedenau. Mit am Bord sind zwei mysteriöse Apparate, die kurz davor stehen, Geschichte zu schreiben. Oder besser: Geschichte zu zeigen!
Nach einer Fahrt durch das nächtliche Berlin erreicht die Taxe das Haus des seinerzeit bekanntesten Rundfunktechnik-Journalisten der 1920er Jahren, Eugen Nesper. Der staunt nicht schlecht, als Fritz Banneitz, der Leiter des Referats für Drahtlose Telegrafie und Sonderaufgaben der Deutschen Reichspost, ihn in Pantoffeln besucht.
Doch das bleibt Nebensache: Es sollte die Nacht werden, in der die erste drahtlose Fernsehsendung in Deutschland ausgestrahlt wird. Banneitz und Nesper werden in dieser Nacht mehrere Fernsehtechnische Labore besuchen, um sich selbst von dem Ergebnis zu überzeugen.

© bpk/Kunstbibliothek/Willy Römer
Die Technik war plötzlich reif. Denes von Mihaly, ungarischer Erfinder und Fernsehen-Pionier, hatte im Auftrag der Reichspost seine Forschung in Berlin vorangetrieben und sich entschlossen, die Fernsehübertragung mithilfe eines mechanischen Apparates auf einem von ihm entwickelten Empfänger namens Telehor zu testen.
Das Signal sollte nicht durch Kabel, sondern auf Radio-Mittelwellen übertragen werden. Mihaly überträgt Bilder aus dem Keller unter dem Rundfunksender Witzleben drahtlose an mehrere Fernsehtechnische Labore der Stadt.
Sein Apparat basiert auf einer genialen Erfindung eines anderen Berliner Fernsehpioniers, Paul Nipkow. Der hatte bereits 1884 eine spiralgelochte, rotierende Scheibe – die „Nipkow-Scheibe“ – entworfen. Diese konnte Bilder in Lichtpunktserien nach Zeilen zerlegen, um sie dann in elektrische Impulse umzuwandeln. Die Impulsserien erreichten den Empfänger, der sie in derselben Reihenfolge zusammensetzte und als Bild wiedergab.

© Bundesarchiv/Georg Pahl
Nipkow hat wichtige Vorarbeit fürs Fernsehen geleistet. Er konnte es aber nicht demonstrieren, da die Übertragungstechnik fehlte – nicht einmal Kinematograph (Kamera und Filmprojektor in einem) war zu dem Zeitpunkt erfunden.
In der Nacht des 8. März 1929 aber knarre und schnarrte es 80 Minuten lang in Berliner Radioempfängern, als Mihaly Bilder in Millionen von Elektroimpulse zerlegte, um sie auf den Mittelwellen reiten zu lassen, damit sie auf den weit von dem Sendepunkt stehenden Telehor-Bildschirmen erschienen können. So war die erste drahtlose Fernsehübertragung geglückt.
Im Juli desselben Jahres wurde die erste Deutsche Fernsehnorm (30-Zeilen-Bilder und Bildfrequenz von 12,5 Ha) eingeführt. Und am 22. März 1935 strahlten Berlins Ingenieure das ersten regelmäßige, öffentliche Fernseh-Programm der Welt aus und stahlen der britischen BBC damit die Schau.
Allerdings besaß kaum jemand einen Heim-Fernsehappart. Also eröffnete man zwei Wochen später im Berliner Postmuseum in der Leipziger Straße (heute Museum für Kommunikation) die erste öffentliche Fernsehstelle der Welt. Die Eröffnungsrede hielt Fritz Banneitz. Diesmal – nicht in Schlafrock und Filzpantoffeln – sondern piekfein und uffjedonnert.
Hinweis: In einer früheren Fassung dieses Textes hieß es, Eugen Nesper sei in den Berliner Ortsteil Frohnau gefahren am 8. März 1929. Tatsächlich aber lag sein Ziel Hähnelstraße 14 im Ortsteil Friedenau. Dort wohnte er. Wir danken einem aufmerksamen Leser für den Hinweis.
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