
© Bearbeitung: Tagesspiegel/Marie Staggat
Handwerker ohne Parkplatz: „Kollege kommt gleich – er dreht nur noch eine Extra-Runde um den Block“
In unserer Kolumne „In der Lobby“ denkt Berlins Handwerkskammerpräsidentin über den Mangel an Pkw-Stellplätzen nach, die das Geschäft behindern.

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Berlin – Stadt der Zukunft, Stadt der Energiewende! Hier werden Straßen begrünt, Dächer mit Photovoltaik ausgestattet und ganze Kieze in autofreie Wohlfühloasen verwandelt. Es klingt nach urbaner Idylle. Doch wehe, Sie brauchen einen Handwerker. Denn bevor er sich Ihrem tropfenden Wasserhahn oder der defekten Heizung widmen kann, muss er erst eine ganz andere Herausforderung meistern: die Parkplatzsuche. Und das kann dauern.
Willkommen im Berliner Handwerks-Paradox. Während die Auftragsbücher gefüllt sind, wird der Weg zur Kundschaft zur Geduldsprobe. Das Problem? Immer weniger Parkplätze für immer mehr Fahrzeuge. In den nächsten Jahren sollen rund 60.000 Stellplätze verschwinden – und mit ihnen das letzte bisschen Hoffnung, in der Nähe des Einsatzortes einen Parkplatz zu finden.
Der Handwerkerparkausweis sollte die Lösung sein. Doch die Realität sieht anders aus. Vier Vignetten pro Betrieb – unabhängig von der Flottengröße – stehen in einem Verhältnis von etwa 1:30 zu den Anwohnerparkausweisen. Wer dann noch glaubt, ein Parkausweis garantiere auch einen Parkplatz, glaubt vermutlich auch, ein Reisepass garantiert die schönsten Reisen.
In manchen Kiezen gibt es faktisch keine Stellplätze
Im Bergmann-Kiez oder am Alexanderplatz kann man sich die Parkvignette auch einfach als Souvenir an die Windschutzscheibe kleben – die Chancen auf einen Stellplatz bleiben gleich null. Kein Wunder also, dass Betriebe immer häufiger Aufträge ablehnen müssen, weil das Parken schlicht unmöglich ist und Werkzeug, schweres Gerät und Ersatzteile nicht so einfach geschultert werden können.
Dabei ist die Lösung längst überfällig: Mehr Lade- und Lieferzonen, die nicht nur für den schnellen Paketboten, sondern auch für länger andauernde Handwerksarbeiten nutzbar sind. Pilotprojekte aus Bonn oder Köln zeigen, wie’s geht.
Auch eine unbürokratische Vergabe von Handwerkerparkausweisen wäre ein Anfang. Aktuell dauert es bis zu sechs Wochen, bis eine Genehmigung durch ist. Und dann kommt die nächste Hürde: Wo soll das Fahrzeug nach Feierabend stehen? Viele Betriebe verfügen über keine eigenen Stellplätze, doch abseits des Betriebsgeländes dürfen die Fahrzeuge auch nicht parken. Eine Nacht auf Tour durch Berlin wäre da fast die einfachere Lösung – wenn man Clubgänger ist.
Fazit: Die Parkplatzmisere ist nicht nur ein Ärgernis für die Betriebe, sondern für alle Berliner. Denn wer auf Handwerks-Know-how angewiesen ist, will keine Geschichte über Parkplatznot hören, sondern einfach Hilfe bekommen. Also, liebe Politik, Bezirksverwaltung und Stadtplanung, bevor wir über die nächste Verkehrsberuhigung diskutieren, denken wir doch erst einmal darüber nach, wie das Handwerk überhaupt noch zu seinen Kunden kommt. Sonst könnte es bald heißen: Die Zukunft muss warten, die Energiewende auch und Ihre Heizung bleibt kalt – wegen Parkplatzmangel.
In dieser Kolumne „In der Lobby“ kommentieren Köpfe der Berliner Wirtschaft die politische Lage.
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