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Carola Zarth ist seit 2019 Präsidentin der Handwerkskammer und schreibt im Wechsel die Kolumne "In der Lobby".

© Bearbeitung: Tagesspiegel/Marie Staggat

Irgendwas mit Handwerk: Eine Ausbildung bietet oft mehr als ein Studium

Studieren ist für die meisten Schulabgänger immer noch die erste Wahl. Doch oft führt der Uni-Alltag in eine Sinnkrise. Azubis sind da klar im Vorteil, meint unsere Kolumnistin.

Carola  Zarth
Eine Kolumne von Carola Zarth

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Nach dem Abi ein Jahr Australien oder erstmal irgendwas mit BWL oder Medien – der Klassiker. Oft genug wird das Studium aus der Not geboren: „Man macht das halt so.“ Dass dieser Weg manchmal schneller zur Sinnkrise als zur Karriere führt, wird erst im dritten Semester klar, wenn der einzige Praxisbezug darin bestand, sich durch die Mensa-App zu klicken.

Und während das Mathe-Ass, das lieber Solarzellen montieren würde als sich durch Ingenieursmathematik zu quälen, im Hörsaal an seiner Lebensentscheidung zweifelt, bleiben Werkstätten leer. Das Handwerk? Das glänzt vor allem durch seine Abwesenheit in den Köpfen vieler Schulabgänger*innen.

Mit der zunehmenden Akademisierung ist die berufliche Bildung Stück für Stück aus dem Rampenlicht geraten. Jedes Jahr strömen Tausende junge Menschen in die Universitäten – die Cafeterien gut gefüllt, die Zukunftspläne eher weniger. Studieren gilt als Karriereturbo, als Weg zum Erfolg, zur Erbauung, vielleicht sogar zur Erfüllung. Eine Ausbildung? Das ist doch was für Leute, die in der Schule nicht so gut waren. Oder etwa doch nicht?

Wer sich in diese Debatte begibt, braucht vor allem eines: Sinn für Ironie. Denn das Bild, das wir vom Studium und der Ausbildung zeichnen, könnte schiefer nicht hängen. Handwerksberufe sind hochmodern, digital, unternehmerisch und ein unverzichtbarer Teil bei der Gestaltung unserer Zukunft.

Wenn Planlosigkeit zur Lebensplanung wird

Dabei bietet gerade das Handwerk all das, was viele im Studium vermissen: Praxisbezug, Sinn, direkte Ergebnisse – und ja, auch Karrierechancen, die sich sehen lassen können. Vom Gesellenabschluss über den Meistertitel bis hin zum eigenen Betrieb oder in eine leitende Position.

Wer glaubt, hier würde man nur den ganzen Tag nur Fliesen zählen oder Tapeten ablösen, hat noch nie einen digitalisierten Betrieb in der Sanitär-, Heizungs- und Klimabranche oder das Kreativteam einer Malerfirma erlebt.

Handwerk heute ist längst Hightech: Smart Home, 3D-Druck und digitale Planungssoftware gehören dazu – genauso wie Robotik und CNC-Maschinen. Moderne Betriebe suchen kreative Köpfe mit Hirn und Händen. Intelligenz ist im Blaumann genauso gefragt wie im Anzug.

Bewerbungs-Event am 27. Mai

Wir brauchen ein neues Verständnis von Karriere. Eines, das nicht automatisch ein Büro mit Kaffeetasse und Outlook-Kalender meint. Karriere kann auch bedeuten, etwas mit den eigenen Händen zu schaffen, Lösungen zu entwickeln, Betriebe zu leiten – kurz: die Welt ein Stück funktionaler, schöner und nachhaltiger zu machen. Ohne das Handwerk stehen wir im Dunkeln. Und zwar wortwörtlich.

Zum Beispiel auf der Matching-Veranstaltung im Bildungs- und Technologiezentrum der Handwerkskammer Berlin am 27. Mai 2025. Hier können sich Interessierte an Betriebe aus den Branchen Sanitär, Heizung und Klima, Dachdecker, Elektrotechnik oder Büromanagement vermitteln lassen.

Auf vielen Events stellen sich Handwerksbetriebe vor.

© dpa/Sebastian Kahnert

Oder man schaut beim Karrieremobil vorbei: Am 15. Mai „Mach Dein Ding“ im Bezirk Tempelhof-Schöneberg, am 4. Juni „Zukunft öffne Dich“ in Steglitz-Zehlendorf oder beim Ausbildungstag Pankow & Lichtenberg am 16. Juni. Auch auf der Vocatium Berlin (18.–19. Juni 2025) gibt’s Kontakte ohne Immatrikulationsnummer, aber mit Perspektive.

Und wer es noch praktischer mag, startet direkt in der Praktikumswoche vom 7. Juli bis 5. September (www.praktikumswoche.de/berlin).

Fazit: Wer mit 18 noch nicht weiß, wo’s langgeht, hat kein Problem, sondern Potenzial. Manchmal ist der richtige Weg da, wo noch echte Werkzeuge benutzt werden. Und die Latte liegt am Ende höher als bei jeder mündlichen Prüfung – zum Beispiel auf dem Dach.

In dieser Kolumne kommentieren führende Köpfe der Berliner Wirtschaft die aktuelle politische Lage.

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