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Klimaschutzpolitik des Landes Berlin: „Wir müssen uns ehrlich machen und die Ziele überdenken“
Berlins Klimaschutzziele sind nicht erreichbar, der Senat sollte sie korrigieren. Das meint der Sprecher für Wirtschaft, Energie, Bauen und Stadtentwicklung der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus in einem Gastbeitrag.
Stand:
Das Thema Klimaschutz ist aus den täglichen Nachrichten nicht mehr wegzudenken. Unabhängig von den Strukturreformen, welche die größte Volkswirtschaft Europas benötigt, spielt der Klimaschutz medial jedenfalls die ganz große Hauptrolle.
Berlin möchte bei diesem Thema Vorreiter sein. Aber ist das überhaupt erreichbar? Vorab: Ich glaube nicht! Aber zunächst eine Analyse. Die gesetzlichen Vorgaben der EU allein für den Gebäudesektor aus dem Jahr 2023 lauten, bis zum Jahr 2035 22 Prozent Energie in einem Gebäude einzusparen.
Weitere Verschärfungen werden in Brüssel gerade diskutiert. Mit dem Beschluss des berühmten Gebäudeenergiegesetzes auf Bundesebene gelten weitere Verpflichtungen, vor allem für Ein- und Zweifamilienhäuser, zum Beispiel bei der Erneuerung der Heizungsanlagen, die bei der jetzigen Gesetzeslage mittelfristig zum Einbau vieler Wärmepumpen führen muss.
Kaum bekannt ist aber, dass die Klimaschutzziele des Landes Berlin sogar noch ambitionierter sind als die im Bund. Das Land Berlin hatte mit rot-rot-grüner Mehrheit seinerzeit vor, bereits im Jahr 2030 die CO₂-Emissionen im Vergleich zum Referenzjahr 1990 um 70 Prozent zu reduzieren.
Um all diese gesetzlichen Vorgaben zu erfüllen, müssen Wohnungsbaugesellschaften, Einfamilienhausbesitzer, Unternehmen und nicht zuletzt die klamme öffentliche Hand Milliarden Euro in die Hand nehmen, um zu investieren. Das Land Berlin hat in seinem Nachtragshaushalt eine Eigenkapitalspritze für die Berliner Stromnetz GmbH um 300 Millionen Euro erhöht, damit die Gesellschaft dafür am Kapitalmarkt weitere Kredite aufnehmen kann.
Milliardeninvestitionen wären nötig
Die Kapazität der Stromnetze, die Berlin gerade von Vattenfall gekauft hat, muss in den kommenden Jahren verdoppelt werden, auch um die Dekarbonisierung der Fernwärmeerzeugung hinzubekommen. Allein diese Umstellung der Fernwärmeerzeugung wird einen hohen Milliardenbetrag kosten, den die Abnehmer direkt zu bezahlen haben.
Während in Berlin bereits heute über 200.000 Wohnungen fehlen, haben Wohnungsbaugenossenschaften bereits angekündigt, auch deswegen nicht neu zu bauen, da sie ihr Kapital für Sanierung, Dämmung und Erreichung der Klimaschutzziele des Bundes benötigen.
Ganz nebenbei steht die Frage, woher wir eigentlich die Menschen im Tief- und Straßen-bau, im Handwerk und die Ressourcen insgesamt hernehmen wollen, um all diese Dinge umzusetzen? Bereits heute fehlen an allen Ecken und Enden Arbeitskräfte.
Wir dürfen die Bürger als Verbraucher, als Mieter, Eigentümer und die Unternehmen nicht überfordern!
Christian Gräff
Ich glaube daher nicht, dass wir die Ziele in der EU, im Bund und im Land Berlin erreichen werden. Wir dürfen die Bürger als Verbraucher, als Mieter, Eigentümer und die Unternehmen nicht überfordern!
Es bedarf realistischer Ziele für den Klimaschutz, die vor dem Hintergrund der anderen politischen Ziele in diesem Land erreichbar sind. Wir brauchen bezahlbare Wohnungen, eine funktionierende Gesundheitsversorgung, beste Bildung für die Kinder und das alles kann nur mit einer prosperierenden Wirtschaft funktionieren. Von den bundespolitischen Themen wie Verteidigungsfähigkeit noch ganz zu schweigen.
Daher müssen wir uns als Politik ehrlich machen und vor diesem Hintergrund auch die Berliner Ziele zum Klimaschutz neu überdenken – oder sie stehen nur auf dem Papier und stehen für keine echten, erreichbaren Ziele. Das ist aber nach meiner persönlichen Erfahrung die größte Enttäuschung, die Politik abliefern kann, wenn Versprechen gebrochen werden. Dann besser die Ziele realistischer anpassen.
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