
© Marie Staggat / Marie Staggat
Kolumne „In der Lobby“: Wenn der Handwerker nicht mehr klingelt
In Folge 28 unserer Kolumne „In der Lobby“ beschreibt Berlins Handwerkskammerpräsidentin über die oft vergebliche Parkplatzsuche der Handwerksbetriebe.

Stand:
Stellen Sie sich einen sonnigen Morgen im Frühsommer vor. Die Luft ist klar, Sie reißen alle Fenster auf, saugen den Duft der Linden ein, drehen sich um – und es kracht. Der Durchzug hat zwei denkmalgeschützte Kastenfenster einmal zu- und wieder aufgeschlagen, eine Scheibe ist zersprungen. Bringen Scherben Glück? Erstmal ins Badezimmer. Aber die Dusche hat nur einen Schwall eiskalten Wassers für Sie übrig. Als Sie den Fön anschalten, fällt die Sicherung raus. So viel Pech an einem Tag gibt es glücklicherweise selten. In all diesen Fällen ist das Berliner Handwerk gefragt!
Also Anruf bei der Glaserei und Termin vereinbart. Szenenwechsel: Die Fachleute sind unterwegs, kreisen allerdings auf der Suche nach einem Parkplatz schon das zweite Mal um den Block. Weder Liefer- noch Parkzonen sind für ihren Transporter in Sicht. Werkzeug und Material schultern und quer durch die Stadt tragen – das ist auch dem geneigten Leser klar – ist unmöglich. Das Gleiche wiederholt sich für den Heizungs- und Klimatechniker sowie den Elektroinstallateur-Betrieb Ihres Vertrauens.
Diese Geschichte spielt sich so ähnlich tagein, tagaus in unserer Stadt ab: Berlin will CO₂-neutral werden. Aber ohne das Handwerk, das die energetische Sanierung vorantreibt, Gebäudehüllen abdichtet und moderne Heiz- und Photovoltaiksysteme einbaut, wartet oder repariert, bleibt dieses Ziel unerreichbar. Unsere Berliner Handwerksbetriebe haben in der wachsenden Stadt immer größere Schwierigkeiten, Reparatur- und Wartungsarbeiten für ihre Kunden auszuführen, da immer seltener Stellplätze für die benötigten Betriebsfahrzeuge in der Nähe des Einsatzortes zu finden sind. Infolgedessen müssen zunehmend auch Aufträge verschoben oder gar abgelehnt werden.
Ein weiterer Punkt: Der Wirtschaftsverkehr ist ein zentraler Teil der Wertschöpfungskette unserer Stadt. Ohne ihn würde vieles nicht laufen, denn er bildet die Basis für Arbeit, Warenverkehr, für Leistungen der Ver- und Entsorgung, speziell aber auch für handwerkliche Service- und Wartungsarbeiten. Unsere Handwerksbetriebe wünschen sich eine Stadtplanung, die Einsätze bei der Kundschaft mitdenkt – und das nicht nur für langfristig geplante Aufträge. Gerade bei kurzfristigen Not-Einsätzen, wie einem Wasserrohrbruch, ist der bürokratische Aufwand für die Beantragung temporärer Halteverbotszonen mit mobiler Beschilderung viel zu hoch und zu unflexibel.
Unsere Stadt wächst stetig und hat ambitionierte Ziele im Wohnungsneubau sowie bei der Sanierung des Gebäudebestands. Deshalb darf die Parkplatzsuche in Kundennähe für unsere Handwerksbetriebe nicht weiter einem Glücksspiel gleichkommen. Das Problem lässt sich nur durch zusätzliche Parkflächen für die Dienstleistenden entschärfen. Verkehrssicherheit und Versorgungssicherheit für die Berliner gehen hier Hand in Hand.
Übrigens: Hätte unser Kunde anstelle einer Glaserei oder Heizungsbaufirma die Dienste des Schornsteinfegerhandwerks benötigt, hätte es eine Lösung für eine problemlosere Anfahrt gegeben. Unsere Glücksbringer haben zumindest teilweise schon auf Lastenfahrräder umgestellt. Das funktioniert natürlich nur mit kleinem Gepäck.
In dieser Kolumne kommentieren führende Köpfe der Berliner Kammern und Verbände die Lage. Sie erscheint in der Regel montags.
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