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Markus Voigt ist Präsident des Vereins Berliner Kaufleute und Industrieller (VBKI).

© VBKI / Tagesspiegel

Nach der Bundestagswahl: „Erst das Land, dann die Partei“

Die künftigen Regierungsparteien müssen eigene Interessen zurückstellen, um weitere Siege der Populisten zu vereiteln, meint unser Kolumnist, der Präsident der Vereins Berliner Kaufleute und Industrieller (VBKI).

Markus Voigt
Eine Kolumne von Markus Voigt

Stand:

Der Hauch von Frühling, der gerade durchs Land zieht, ist ausschließlich dem Wetter geschuldet. Der Ausgang der Bundestagswahl verströmt wenig Aufbruchstimmung. Ja, Deutschland hat den dringend erhofften Politikwechsel möglich gemacht – aber ohne Euphorie. Die Union demonstriert, wie man sich auch als klarer Wahlgewinner durchs Ziel schleppen kann. Von den angestrebten 30 Prozent plus X sind CDU und CSU, die nach Lage der Dinge mit Friedrich Merz den nächsten Bundeskanzler stellen werden, jedenfalls weit entfernt.

Am Ende waren es die 14.000 fehlenden BSW-Stimmen, die eine Regierungskoalition aus zwei Parteien überhaupt erst möglich gemacht hat. Die Regierungsbildung dürfte für die Union dennoch kein Selbstläufer werden. Als einzig möglicher Partner geht die SPD trotz historischer Wahlschlappe mit einer keineswegs schwachen Verhandlungsposition in die Gespräche. Umso wichtiger für das Land, dass die Partner in Spe ihrem Selbstverständnis als Volkspartei gerecht werden – und, um die Worte des Bundespräsidenten wiederzugeben, das Lösen von Problemen wieder zum Kerngeschäft von Politik zu machen. Ideologiefrei und pragmatisch.

Am dritten Jahrestag des russischen Überfalls auf die Ukraine und angesichts der radikalen Kehrtwende der US-Politik schreibt sich die Deutschland-Agenda von allein: Sicherheit und Verteidigung haben oberste Priorität – und zwar in engem europäischem Schulterschluss. Dazu muss Deutschland schnellstmöglich die Brücke wieder besetzen, auch und gerade um seiner Führungsrolle gerecht werden zu können.

Und: It’s the economy, stupid – anders als im Wahlkampf muss das berühmte Bonmot Bill Clintons im Regierungshandelns zum Tragen kommen: Ohne einen wirtschaftlichen Neuanfang, ohne gesundes Wachstum werden wir weder die Baustellen der Gegenwart abarbeiten noch die enormen Zukunftsaufgaben finanzieren können. Schließlich muss die Migrationsfrage gelöst werden: Vernunftbasiert, rechtskonform und mit ebenso viel Augenmaß wie Konsequenz.

Populismus gedeiht auf dem Grund schwärender Probleme. Die demokratische Mitte hat noch einen Schuss frei: Sie muss jetzt liefern, will sie nach 2029 überhaupt noch in der Lage sein, eine Regierung zu stellen. Die Verdoppelung des AfD-Ergebnisses – im Osten des Landes flächendeckend stärkste Partei – dürfte ein allerletzter Weckruf gewesen ein. Der Auftrag an die künftigen Regierungsparteien ist eindeutig: Erst das Land, dann die Partei.

In dieser Kolumne kommentieren führende Köpfe der Berliner Wirtschaft die aktuelle politische Lage.

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