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Der Regierenden Bürgermeister Kai Wegner, Markus Voigt Präsident VBKI beim VBKI-Sommerfest 2023 auf dem EUREF Campus.

© IMAGO/D.Baganz

VBKI-Präsident Markus Voigt: „Die Verwaltungsreform wird ein großartiger Erfolg für Berlins Wirtschaft“

Markus Voigt, Präsident des Vereins Berliner Kaufleute und Industrieller, blickt voraus auf Berlins größten Tanz-Ball am Vorabend der Bundestagswahl, auf Berlins Sparpolitik und die anstehende Reform der Verwaltung.

Stand:

Bevor wir die Lage Berlins in der Welt ausloten: Wie geht es Ihnen, was macht Ihr Geschäft?
Mir geht es gut! Ich bin in der glücklichen Situation, in einer Branche tätig zu sein, die konjunkturell nicht so leidet wie andere: Wir planen und bauleiten den Bau von Infrastruktur, beschäftigen mittlerweile über 500 Mitarbeiter und wollen auch in den kommenden Jahren stark wachsen. Wir könnten aber deutlich schneller wachsen, wenn der Arbeitsmarkt die Arbeitskräfte hergeben würde, die wir benötigen.

An welchen Projekten in der Region ist Treysta aktuell beteiligt?
An einem sehr großen Erschließungsgebiet in Potsdam-Krampitz, wo einmal 10.000 Menschen wohnen sollen. Und in Berlin an ein, zwei weiteren. Außerdem am BER. Zudem hoffen wir, bei neuen Strom-Tunnelprojekten, die es in Berlin geben wird, ins Spiel zu kommen.

Als Präsident des VBKI werden Sie am 22. Februar auf dem Ball der Wirtschaft Ihre Rede halten vor Hunderten Multiplikatoren der Stadtgesellschaft, diesmal buchstäblich am Vorabend der Bundestagswahl. Für welche Botschaft werden Sie diese Gelegenheit nutzen?
Mein wesentlicher Appell wird sicherlich darin bestehen, am nächsten Tag wählen zu gehen – eine demokratische Partei. Und ich werde die Hoffnung formulieren, dass wir eine Regierungskoalition bekommen, die die notwendigen Reformen für Deutschland angeht.

Der VBKI veranstaltet jedes Jahr den „Ball der Wirtschaft“, Berlins größtes gesellschaftliche Event dieser Art, im Hotel InterContinental in Berlin Tiergarten (Foto von 2024).

© picture alliance/dpa/Xamax

Vor früheren Wahlen hatten Sie schon vor der Politik der Grünen gewarnt – oder vor der AfD. Werden Sie diesmal wieder so deutlich?
Mal sehen. Es scheint mir jedenfalls, als ob sich die AfD weiter radikalisiert. Das ist keine Partei, der wir die Regierungsverantwortung in Deutschland anvertrauen können.

In Umfragen führt die CDU unter Friedrich Merz. Der hat zuletzt Zweifel aufkommen lassen an der Brandmauer der Demokraten zur AfD. Wie gefährlich ist dieser Vorgang aus Sicht der Unternehmerschaft?
Da kann ich schlecht für die Unternehmerschaft insgesamt sprechen. Persönlich finde ich, dass die demokratischen Parteien gut beraten sind, eine aktive Zusammenarbeit mit der AfD auszuschließen. Andererseits finde ich es schwierig, auf für richtig und notwendig erachtete Entscheidungen zu verzichten, weil die Gefahr besteht, dass der Applaus aus der falschen Ecke kommen könnte. Das ist ja auch eine Form von Selbstzensur oder vorauseilendem Gehorsam. Insgesamt glaube ich, dass der Zeitpunkt für dieses Manöver sehr ungeschickt gewählt war. Damit hat Merz es SPD und den Grünen sehr schwer gemacht hat, für die Beschlüsse zur Migration zu stimmen. Obwohl nach den Attentaten in Magdeburg und Aschaffenburg Konsens darüber herrscht, dass etwas passieren muss.

209. Plenarsitzung des Bundestages am 29. Januar: Jubel in der AfD Fraktion nach der Abstimmung zur „Asyl-Wende“.

© IMAGO/Political-Moments

Seither überbieten sich die Parteien mit Vorschlägen zur Abschottung. Zugleich erklären Wirtschaftsvertreter – gerade aus dem für Berlin so wichtigen Dienstleistungssektor –, dass sie auf Zuwanderung angewiesen sind. Nicht nur auf Fachkräfte. Wie beurteilen Sie diesen Fokus auf die Themen Migration, Zuwanderung, Grenzsicherung?
Ich würde mir generell wünschen, dass wir mehr über Wirtschaft sprechen, weil politische Handlungsspielräume am Ende am Wachstum hängen. Der Zulauf für die AfD kommt aber daher, dass das demokratische Spektrum dem Thema Migration zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt hat. Wir müssen abgelehnte Asylbewerber auch zurückschicken können und brauchen zugleich eine kontrollierte, rechtskonforme und qualifizierte Zuwanderung. Denn wir Unternehmen können den Bedarf an Mitarbeitern nicht mehr in Deutschland decken, und das wird die nächsten Jahre so bleiben.

Berlins Regierender Kai Wegner sagte neulich, er halte die Bundestagswahl 2029 für wichtiger als die jetzige. Es bleibe nur noch eine Legislaturperiode, um Wähler mit guter Arbeit davon zu überzeugen, keine Radikale zu wählen. Hat er recht?
Wie Politiker es gerne machen, ist es etwas überzeichnet. Aber alle haben das Gefühl, dass es einen zweiten Ruck in Deutschland braucht und tiefgreifende Reformen – bei der Migration, bei der Bildung und natürlich bei den Standortbedingungen. Bei den Themen Innovationskraft und Leistungsbereitschaft brauchen wir ein anderes Mindset: Ich habe das Gefühl, dass der Hunger nach Erfolg anderswo größer ist als in Deutschland derzeit.

Der neue US-Präsident sorgt fast täglich für neue Verunsicherung in Berlins wichtigstem Exportmarkt USA – und weltweit. Wie gut sind die Unternehmen unserer Region auf Trump vorbereitet?
Viele der Entscheidungen der neuen US-Administration wirken erratisch, da fällt die Vorbereitung eher schwer – auch wenn Trump schnell viel von seinem drastischen Wahlprogramm umgesetzt hat. 2018 hatte er ja schon einmal US-Zölle auf Europas Aluminium und Stahl verhängt, auf die die EU schnell reagiert hat. Im Anschluss hatten sich die Wogen schnell gelegt. Am Ende müssen wir auf uns schauen und an den Stellschrauben drehen, die wir selbst in der Hand haben – und uns auf einen schärfer werdenden globalen Wettbewerb vorbereiten. Grundsätzlich wünsche ich mir aber, dass die USA und die EU ihre Ziele miteinander entwickeln, nicht gegeneinander. Ob auch Trump das will, wird man sehen.

Wirtschaftssenatorin Giffey hat berichtet, dass erste US-Unternehmen mit Verweis auf die Trump-Politik Interesse am Standort Berlin signalisiert haben. Was kann Berlin tun, um ausländischen Firmen den roten Teppich auszurollen?
Es braucht persönliches Engagement von der Wirtschaftssenatorin und vom Regierenden Bürgermeister. Gerade amerikanische Unternehmen kann man in einem persönlichen Gespräch gewinnen. Das Werben um größere Ansiedelungen darf man nicht allein Wirtschaftsförderern wie Berlin Partner überlassen. In Frankreich, in England und vor allem in Asien greifen Politik und Wirtschaft besser ineinander.

Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) führte im November 2024 eine Wirtschaftsdelegation in die USA, darunter auch nach Los Angeles.

© Anke Myrrhe

Sobald der Tagesspiegel über entsprechende Delegationsreisen des Regierenden oder der Senatorin berichtet, rechnen einige Leser vor, was das an Steuergeldern verschlingt.
Fairerweise bin auch ich ein bisschen ambivalent. Ich habe beides erlebt: Schlecht vorbereitete Reisen mit irgendwelchen Alibi-Meetings der Wirtschaft sind relativ sinnlos. Aber politische Unterstützung kann der Wirtschaft massiv helfen, in einem Land oder an einem Standort anzukommen. Gerade in Asien hat man kaum eine Chance, wenn die Politik nicht mitkommt und klarmacht, dass sie das Unternehmen uns sein Projekt unterstützen. Bei diesen Reisen steht und fällt vielen mit einer entsprechenden Vorbereitung.

Anderes Thema: Kai Wegner sagt, die von der Wirtschaft lange eingeforderte Verwaltungsreform sei ausformuliert. Auch alle für eine Verfassungsreform nötigen Kräfte seien an Bord. Nach allem, was sie davon wissen: Hält diese Reform, was, was versprochen wurde?
Ja. Und ich fand es mutig, dass Wegner das Thema im Roten Rathaus angesiedelt hat, weil ein Scheitern keineswegs ausgeschlossen schien. Ich glaube, die Reform wird ein großartiger Erfolg für Berlins Wirtschaft und wird den Bürgern helfen, nicht zuletzt durch schnellere Termine auf dem Amt. Trotzdem muss die Regierungskoalition in den nächsten zwölf Monaten weitere Erfolge liefern, die sich in einem Wahlkampf besser vorzeigen lassen, wenn sie gute Chance haben will, wiedergewählt zu werden.

CDU und SPD dürfte nicht helfen, dass Berlin sparen muss: Kultureinrichtungen, Sozialprojekte, auch Wirtschaftsprogramme werden gekürzt oder gestrichen. Setzt der Senat die richtigen Prioritäten?
Kürzen tut immer weh. Und ja, die Kultur ist ein riesiger Faktor für den Wirtschaftsstandort Berlin. Natürlich auch die Wissenschaft. Auf der anderen Seite können wir nicht dauerhaft über unsere Verhältnisse leben. Allerdings hätten die massiven Einschnitte an der einen oder anderen Stelle anders kommuniziert werden können.

VBKI-Präsident Markus Voigt im Gespräch – hier bei einem Tagesspiegel-Interview im Jahr 2020.

© Mike Wolff, TSP

Sehen Sie auch auf der Einnahmenseite Potenzial?
Sie finden bei mir keinen großen Befürworter, die Einnahmeseite des Staates immer weiter auszuweiten durch irgendeine Form von Steuererhöhung oder Gebühren. Eher sollte man auf der Ausgabenseite nach Optimierungspotenzial Ausschau halten. Ich denke an Subventionen oder den immer weiter wachsenden öffentlichen Dienst. Dort hätte man erhebliche Hebel.

Dass sich die Verwaltung von Innen heraus verschlankt, hat offensichtlich über Jahrzehnte nicht funktioniert. Brauchen wir eine Art Elon Musk, der von Außen eingreift?

Das Vorgehen in den USA ist sehr radikal. Und je länger ich in den vergangenen 13 Jahren als VBKI-Präsident mit der Politik zu tun hatte, desto besser verstehe ich, warum es so schwer ist, die Welt von Politikern und Unternehmern zusammenzubringen oder Quereinsteiger für die Politik zu gewinnen. Aber die Frage, ob es auch disruptive Veränderungen braucht in unseren Verwaltungen und ob diese von Innen heraus zu generieren sind, stellt sich schon.

Kommen wir zur Innenansicht im VBKI: Was sind ihre herausragenden Projekte in diesem Jahr?
Eines ist der Bau unseres Hauses: Der ist gestartet. Ich bin froh, dass wir da im guten Einvernehmen mit den künftigen Nachbarn sind, auch wenn es natürlich schwer für sie ist, dass wegen der Baustelle die Bleibtreustraße gesperrt ist. Wenn alles nach Plan läuft, können wir 2027 einziehen. Wir starten gerade die Suche nach einem qualifizierten Mieter.

Wie viel Fläche können Sie vermieten?
Rund 1600 Quadratmeter. Rund 700 wird der VBKI selbst nutzen.

Und was beschäftigt den Verein abgesehen vom Bau?
Da gibt es einiges zu berichten. Besonders freue ich mich über den runden Geburtstag unserer Berliner Lesepaten, die in diesem Jahr ihr 20-jähriges Bestehen feiern – ein außergewöhnlich erfolgreiches Projekt mit einem großartigen Impact in der Berliner Bildungslandschaft. Am 2. April wird es dazu einen Festakt im Roten Rathaus geben. Und unser Projekt „Einstieg zum Aufstieg“ hat gerade sein Fünfjähriges gefeiert. Allein im abgelaufenen Jahr konnten wir mehr als 100 Geflüchtete in den Arbeitsmarkt integrieren. Starken Zulauf hat auch die Neuauflage unseres Mentoring-Programms, bei denen 40 junge Menschen am Anfang ihrer Karriere Tandems mit Erfahrenen bilden. Im Juni planen wir auch eine Konferenz zum Thema Großveranstaltungen in Berlin. Und ganz besonders freue ich mich natürlich auf unseren Ball der Wirtschaft am 22. Februar!

Und laden Sie nach einer Pause 2024 wieder zu Ihrem großen Sommerfest?
Ja, merken Sie sich gerne den 12. September vor. Den Ort geben wir noch bekannt.

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