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Praktikanten braucht das Land : Aber wir sollten mehr Nachsicht mit ihnen haben
Das Praktikum ist eine wunderbare Gelegenheit für junge Menschen, sich auszuprobieren. Dafür braucht es geduldige Profis, die ihnen Türen öffnen, meint unsere Kolumnistin, Berlins Handwerkskammerpräsidentin

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Stellen Sie sich vor, ein kleiner Tischlereibetrieb mit 15 Mitarbeitern. Holzspäne und der unverwechselbare Duft nach Harz in der Luft, Maschinen surren und mittendrin eine junge Praktikantin, die den Unterschied macht. Nein, sie hat nicht den perfekten Einbauschrank gezimmert oder einen innovativen Kindertisch entworfen, aber sie hat einen guten Blick für Arbeitsabläufe und interessante Perspektiven und schnell mal eben den verstaubten Social-Media-Kanal des Betriebs aufgemöbelt. Plötzlich sammeln sich Likes und Follower genauso wie die Hölzer in der Werkstatt.
Betriebspraktika, so hört man immer wieder, sollen alles können: den Fachkräftemangel beheben, Jugendlichen die Berufswahl erleichtern und Unternehmen den dringend nötigen Innovationsschub verpassen. Praktika sind zwar kein Allheilmittel, aber immerhin – einst verschrien als Synonym für Kaffeeservice und Kopiermarathons – haben sie sich heute zu einem anerkannten gesellschaftlichen Schritt in die Berufsausbildung gemausert, denn sie können so viel mehr als nur der Jugend etwas zu tun geben. Auch Sie, liebe Leserinnen und Leser, spielen dabei eine Rolle.
Jugendliche suchen in der Arbeitswelt oft nach dem Motto: „Teste dich aus – aber bitte ohne Risiken und Nebenwirkungen“. Praktika bieten ihnen genau das. Ob schüchtern oder übermotiviert, ob mit Vorwissen oder kompletter Ahnungslosigkeit – hier können sie ausprobieren, was ihnen liegt. Und wenn’s nicht passt? Dann war es zumindest eine lehrreiche Erfahrung. Eltern, aufgepasst: Ein Praktikum hilft, den Nachwuchs von Netflix und Co. in die Realität zu holen. Das allein ist doch schon ein Erfolg!
Von frischem Wind und langen Atemzügen
Für Unternehmen sind Praktika weit mehr als ein wohltätiges Projekt. Sie sind die perfekte Gelegenheit, um junge Talente zu entdecken. Frischer Wind gefällig? Praktikanten sehen oft, was Profis übersehen. Sie stellen Fragen und bringen Ideen ein, die vielleicht unorthodox, aber genau deshalb genial sein könnten. Zugegeben, es kostet Zeit und Nerven, sie einzuarbeiten. Doch am Ende steht die Aussicht auf motivierte Nachwuchskräfte, die den Betrieb mitgestalten – und das ist unbezahlbar.

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Und jetzt kommen Sie ins Spiel, liebe Leser. Wenn Ihnen beim Einkauf der unsichere Azubi das Wechselgeld doppelt gibt oder die junge Praktikantin beim Beratungsgespräch stottert, dann denken Sie daran: Jeder Profi hat mal klein angefangen. Ein wenig Nachsicht und ein Lächeln können Wunder wirken. Es ist doch besser, wenn Fehler im geschützten Rahmen eines Praktikums passieren, als später in einer verantwortungsvollen Position.
Brückenbauer der Gesellschaft
Praktika sind auch ein sozialer Ausgleich. Sie geben Jugendlichen aus allen Verhältnissen die Chance, sich zu beweisen. Das ist nicht nur für die Jugendlichen selbst wichtig, sondern auch für uns als Gesellschaft. Jeder junge Mensch, der seinen Weg in seinen Herzensberuf findet, ist ein Gewinn – für Unternehmen, für Verbraucher und letztlich für uns alle.
Fazit: 2025 ist das Jahr, in dem Praktikumsbörsen boomen sollten und die Weichen für eine starke Wirtschaft gestellt werden. Lassen Sie uns also zusammenarbeiten. Unternehmerinnen und Betriebsinhaber: Bieten Sie Praktikumsplätze an! Eltern: Motivieren Sie Ihre Kinder, Nichten, Neffen und Enkelkinder! Verbraucher: Seien Sie geduldig! Praktika sind keine Nebensache, sondern ein wichtiges Glied in der Kette hin zur Fachkräfteentwicklung von morgen. Packen wir es an – mit Verantwortungsbewusstsein und gelegentlich etwas Nachsicht.
In dieser Kolumne „In der Lobby“ kommentieren Köpfe der Berliner Wirtschaft die politische Lage.
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