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Verdacht auf Compliance-Verstoß: Wurde in Berlins Vivantes-Kliniken bei Bau-Aufträgen gemogelt?
Der landeseigene Vivantes-Konzern saniert seine Krankenhäuser. Nun werden Millionen-Vergaben überprüft – womöglich standen sich Vivantes-Manager und Baufirmen zu nah.
Stand:
In Berlins Vivantes-Kliniken werden fragwürdige Vergaben in Millionenhöhe geprüft. Nach Tagesspiegel-Informationen handelt es sich um Bauaufträge der auf Jahre angelegten Modernisierung der Krankenhäuser und Pflegeheime des kommunalen Konzerns. Die fraglichen Vergaben an externe Firmen sollen über die 100-prozentige Tochterfirma „Vivantes Service Gesellschaft“ (VSG) erfolgt sein, die Vorgänge werden nun auf „Unstimmigkeiten“ durchgesehen.
Eine unabhängige Anwaltskanzlei wurde mit der Untersuchung beauftragt
Der Vivantes-Vorstand zu den Compliance-Vorwürfen
Kernfrage ist, ob VSG-Entscheider jenen mittelständischen Baufirmen nahestanden, die auffallend viele der Ausschreibungen gewannen. Ob und in welcher Höhe finanzieller Schaden entstanden ist, bleibt bislang Spekulation.
Auf Anfrage teilte der Vivantes-Vorstand am Dienstag mit: Man habe auf einen anonymen Hinweis im August 2022 umgehend reagiert und „eine unabhängige Anwaltskanzlei mit der Untersuchung“ beauftragt. Deren Bericht erwarte man ab Juli, zu etwaigen Einzelheiten könne man sich nicht äußern. Die Vorwürfe richteten sich jedoch nicht gegen die amtierende Geschäftsführung oder den Aufsichtsrat.
Vivantes-Spitze wird im Abgeordnetenhaus erwartet
Strafrechtlich wird in der VSG-Causa derzeit nicht ermittelt. Je nach Auftragsgröße müssen Aufträge bundes- oder europaweit ausgeschrieben werden. Öffentlichen Einrichtungen sind „freihändige Vergaben“ nur für Bauleistungen bis 50.000 Euro erlaubt.

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Am Freitag tritt turnusgemäß der Beteiligungsausschuss des Abgeordnetenhauses zusammen – Thema der Sitzung: Vivantes. Um die Fragen der Parlamentarier zu beantworten, wurden Gesundheitssenatorin Ina Czyborra (SPD), der Vorsitzende des Vivantes-Aufsichtsrates, Eckhard Nagel, der Chef der Klinikkette, Johannes Danckert, die Personalleiterin Dorothea Schmidt und der Finanzvorstand Alexander Hewer in den Ausschuss geladen.
Damit ist Vivantes’ amtierende Dreier-Geschäftsführung komplett. Allerdings wird seit 2021 noch ein Krankenhausvorstand, traditionell „Ärztlicher Direktor“ genannt, gesucht. Für den Posten fand sich bislang kein Mediziner.
Vivantes ist mit 18.000 Beschäftigten und 6000 Betten die größte kommunale Klinikkette Deutschlands. Zum Konzern gehören acht Krankenhäuser, 18 Pflegeheime, ein ambulanter Dienst und eine Reha. Circa jeder dritte Klinikpatient Berlins wird in einem Vivantes-Haus versorgt; mehr als 5100 Fälle pro Tag.
Zuletzt ging es auch an der ebenfalls landeseigenen Charité um fragwürdige Aufträge. Der Vorstand der landeseigenen Universitätsklinik teilte im März mit, sieben Ex-Beschäftigte der Charité-Tochter CFM hätten unlautere Aufträge an externe Firmen vergeben. Es entstand Schaden in Millionenhöhe, die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Untreueverdachts.
Schon früherer Vivantes-Manager war verurteilt worden
Vor drei Jahren war wiederum ein ehemaliger Vivantes-Manager wegen Bestechlichkeit zu einem Jahr und sechs Monaten Freiheitsstrafe verurteilt worden. Der frühere Finanzchef der Klinikkette hatte 2013 einen Auftrag zur Modernisierung der konzernweiten Telefontechnik ausgeschrieben. Der Vertreter einer Firma versprach dem Vivantes-Manager 250.000 Euro, wenn er auf das Vergabeverfahren einwirke.
Die Vivantes-Spitze zog Dienstag unabhängig von den internen Compliance-Ermittlungen ihre Bilanz zu 2022. Das vergangene Jahr sei von Krisen geprägt gewesen, teilte der Vorstand mit, Ukraine-Krieg, Inflation, Folgen der Corona-Pandemie: Wie in den meisten Krankenhäusern überstiegen die Kosten deutlich die Einnahmen. Der Umsatz betrug 2022 mehr als 1,5 Milliarden Euro, Vivantes schloss das Jahr mit 72 Millionen Euro Minus – ein niedrigeres Ergebnis als zuvor erwartet worden war.
Dabei stiegt die Zahl der Behandelten leicht auf knapp 514.000, davon fast 178.000 stationäre und 336.000 ambulante Fälle. Kliniken werden von den Krankenkassen pro Patient und Diagnose bezahlt, für Bauten und Technik der Häuser müssen die Bundesländer aufkommen.
Stolz ist man in der Vivantes-Chefetage auf den 2022 erlangten „digitalen Reifegrad“, also auf die Reduzierung des Papierkrams, der das Personal im deutschen Gesundheitswesen täglich über Stunden beschäftigt. Von 1.600 untersuchten Kliniken habe Vivantes mit 52 von 100 möglichen Punkten weit über dem Durchschnitt von 33 (Bund) beziehungsweise 37 (Berlin) gelegen. Vivantes-Chef Danckert kündigte an, man arbeite bald noch „digitaler sowie nachhaltiger“ und baue die Kooperation mit anderen Krankenhäusern aus.
Im Zuge der von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) geplanten Reform sollen sich Kliniken auf bestimmte Einsatzfelder fokussieren, Fusionen sind gewollt.
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