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Hier waren sie noch im Bau: Die Wohnungen in der Europacity, die nun keine Sozialwohnungen sind.

© imago images/Dirk Sattler

Viel zu zahm: Der Senat muss versprochene Sozialwohnungen vehementer einfordern

Es kann nicht sein, dass der Senat nur zufällig feststellt, dass die 215 angekündigten Sozialwohnungen im Quartier Heidestraße verschwunden sind. Er müsste viel stärker kontrollieren. Ein Kommentar.

Teresa Roelcke
Ein Kommentar von Teresa Roelcke

Stand:

Dem Senat gelingt es nicht, Sozialwohnungen, die dem Land versprochen wurden, auch tatsächlich einzufordern. Das ist ein Skandal und ein riesiges Problem für das soziale Gefüge in Berlin.

Im Quartier Heidestraße in der Europacity nördlich des Hauptbahnhofs hatte der Senat sich 215 Sozialwohnungen vom Eigentümer versprechen lassen. Nun, kurz nach Fertigstellung, werden die vorgesehenen Wohnungen als möblierte Apartments angeboten – für teilweise 1500 Euro auf 42 Quadratmeter.

Das ist ungefähr der fünffache Preis einer Sozialwohnung. Und möblierte Apartments dürften den regulären Berliner Wohnungsmarkt selbst im höherpreisigen Segment kaum entlasten, sondern eher von denjenigen angemietet werden, die nur vorübergehend nach Berlin kommen.

Dabei ist die Frage nach bezahlbarem Wohnraum eine der drängendsten sozialen Probleme. Die „große soziale Frage“ des kommenden Jahrzehnts hatte Franziska Giffey sie Anfang 2022 genannt, als sie als frisch angetretene Berliner Regierungschefin vom Deutschlandfunk interviewt wurde: „Daran wird sich entscheiden, ob der soziale Zusammenhalt in Berlin, in unserer Stadt, hier weiter funktioniert.“

Das eigentliche Problem liegt nicht beim Eigentümer, sondern beim Senat.

Teresa Roelcke

Damit hatte sie womöglich recht. Aber verbessert hat sich die Situation seitdem nicht: Noch immer fallen jedes Jahr mehr Sozialwohnungen aus der Sozialbindung als neue entstehen. Knapp 100.000 Sozialwohnungen gab es 2023 in Berlin, rund 5000 weniger als im Vorjahr. Mehr als die Hälfte der Berliner Haushalte hat einen Anspruch auf eine Sozialwohnung.

Anwohnerinitiative hatte auf fehlende Sozialwohnungen hingewiesen

Da müsste man doch von einem Bausenator der Partei, die den bezahlbaren Wohnraum als „die große soziale Frage des Jahrzehnts“ behandelt, erwarten, dass er alles daran setzt, dass jede einzelne Sozialwohnung, die versprochen wurde, auch wirklich zur Verfügung gestellt wird, dass die Umsetzung entsprechender Zusagen minutiös kontrolliert wird.

Stattdessen steht Bausenator Christian Gaebler an diesem Donnerstag im Plenum des Abgeordnetenhauses und kündigt an zu prüfen, „welche rechtlichen Schritte an dieser Stelle die geeigneten sind.“ Für einen Senator, der sonst nicht um temperamentvolle Äußerungen verlegen ist, klingt das erschreckend zahm und zurückhaltend.

Und überhaupt: Das Verschwinden der Sozialwohnungen im Quartier Heidestraße fiel nur dadurch auf, weil eine Anwohnerinitiative darauf hingewiesen hatte.

Das Interesse des Eigentümers ist es, Schlupflöcher zu suchen, um mehr Profit zu machen. Insofern liegt das eigentliche Problem nicht bei ihm, sondern beim Senat: Das Interesse des Senats muss es sein, für die sozialen Belange der Stadt einzutreten – und das ist die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum. Verträge glasklar aufzusetzen, dass sie keine Schlupflöcher zulassen. Und dann engmaschig und kompromisslos zu kontrollieren, dass diese Verträge auch eingehalten werden. Nur durch zahme Worte hat der „soziale Zusammenhalt in Berlin, in unserer Stadt“ keine Chance.

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