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Vor sechs und nach 18 Uhr: Arbeitgeber fordern längere Kita-Öffnungszeiten in Berlin
Betriebe wünschen sich mehr Unterstützung für pflegende Angehörige und Eltern kleiner Kinder, zeigt eine Umfrage. Ein Drittel der Beschäftigten reduziert seine Stunden für Care-Arbeit.
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Die Hälfte der Berliner Unternehmen hält Angebote für die Kinderbetreuung und für pflegende Angehörige in der Stadt für unzureichend. Das ist das Ergebnis einer Umfrage unter rund 500 Betrieben, die die Industrie- und Handelskammer (IHK) Berlin und die Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg (UVB) gemeinsam mit dem Berliner Beirat für Familienfragen durchgeführt haben. Der Beirat ist ein überparteiliches Gremium, das den Senat in familienpolitischen Fragen berät. Er wird von der Bildungsverwaltung berufen.
27 Prozent der befragten Unternehmen gaben an, dass mehr Kitas unter der Woche vor 6 Uhr und nach 18 Uhr geöffnet haben sollten. Ein Viertel der Unternehmen forderte einen Ausbau der Tagespflegeplätze. Bei diesem teilstationären Angebot verbringen Pflegebedürftige den Tag in einer speziellen Einrichtung und kehren nachmittags nach Hause zurück. Es ist ein Angebot, das – wie Kitas – oft dann genutzt wird, wenn Berufstätige ihre Angehörigen tagsüber nicht selbst betreuen können.
Damit helfen diese Instrumente den Beschäftigten, Beruf und Familie besser miteinander zu vereinbaren. Nach dem Zweiten Weltkrieg sorgten in Westdeutschland insbesondere Hausfrauen (in unbezahlter Vollzeit) für die Alten und Kinder, darauf zielte auch die Familienpolitik der BRD ab. In der DDR kehrten Mütter früher an die Werkbänke zurück. Deshalb baute der Staat die Kinderbetreuung aus. Bis heute ist die Krippendichte in den ostdeutschen Bundesländern höher.
Das alte BRD-Modell verliert an Bedeutung: Neben emanzipatorischen Errungenschaften des Feminismus ist der Lohn des Familienernährers über die Jahrzehnte geschrumpft, sodass Frauen zum Verdienst beitragen müssen. Trotzdem bleiben Unterschiede zwischen den Geschlechtern bestehen. Das zeigt auch die Umfrage: 62 Prozent der Mütter nehmen nach der Geburt zwölf Monate Elternzeit, wohingegen sich 70 Prozent der Väter nur für eine ein- bis viermonatige Auszeit entscheiden.
Wirtschaft pocht auf mehr Engagement des Staates
Insgesamt hat ein Drittel der Beschäftigten in den vergangenen drei Jahren die Arbeitszeit reduziert, um ein Kind zu betreuen oder einen Angehörigen zu pflegen. „Ein besseres Betreuungsangebot ist ein entscheidender Hebel im Kampf gegen den Personalmangel. Schon heute fehlen in Berlin in allen Branchen und Berufen rund 90.000 Fachkräfte“, folgert IHK-Vizepräsident Stefan Spieker aus den Ergebnissen. UVB-Präsident Stefan Moschko erklärt: „Kurzfristige Finanzprobleme dürfen keine Ausrede sein. Die Investition in eine bessere Betreuung rechnet sich in jedem Fall, für die Unternehmen ebenso wie für die öffentliche Hand.“
Spieker und Moschko weisen darauf hin, dass die Berliner Wirtschaft von kleinen und mittleren Betrieben geprägt sei. Diese könnten ihren Angestellten nur begrenzt mit eigenen Angeboten unterstützen. Deshalb brauche es den Staat. Aufgrund der Schuldenbremse hat dieser jedoch sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene kaum Investitionsspielraum. In den kommenden Jahren ist eher mit einem Abbau des Sozialstaats zu rechnen.
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