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„Wir trauen uns zu, diese Investition zu stemmen“: Neue Berliner Kongresshalle für 100 Millionen Euro
Weil Platz für Kongresse fehlt, will die Messe Berlin eine neue Halle für bis zu 5000 Besucher bauen. Eine aktuelle Potenzial-Studie sieht sogar Bedarf für noch mehr.
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Berlin reagiert auf die steigende Nachfrage im Kongressgeschäft – mit einem Neubau: Die Messe-Gesellschaft reißt die 1948 erbaute Halle 9 ab und ersetzt sie durch eine neue Kongresshalle: 12.000 Quadratmeter groß, zehn Meter hoch, multifunktional, nachhaltig und flexibel nutzbar.
Der Baustart ist für Herbst 2026 geplant, die Eröffnung zwei Jahre später. Soweit der Plan für das 100 Millionen Euro teure Projekt – finanziert aus Eigenmitteln der Messe Berlin und Krediten.
Wir hören immer wieder, dass Kunden Veranstaltungsorte suchen, die weder zu klein noch zu groß sind. Aber genau in dieser mittleren Größe ist Berlin unterversorgt.
Mario Tobias, Vorsitzender der Geschäftsführung der Messe Berlin
„Wir trauen uns zu, diese Investition zu stemmen“, sagte Mario Tobias, Vorsitzender der Geschäftsführung der Messe bei der Vorstellung der Pläne am Freitag. Die Entscheidung sei das Ergebnis einer umfassenden Potenzialstudie, erstellt von der Messe und der Tourismus-GmbH visitBerlin. Laut der Studie fehlt es in Berlin an Veranstaltungsorten mittlerer Größe – für 2.000 bis 5.000 Teilnehmer:innen.
Der Bedarf sei groß, sagt Tobias: „Wir hören immer wieder, dass Kunden Veranstaltungsorte suchen, die weder zu klein noch zu groß sind. Aber genau in dieser mittleren Größe ist Berlin unterversorgt.“ Der City Cube sei für viele Kongresse schlicht überdimensioniert, Hotels dagegen oft zu beengt – gerade wenn eine Ausstellung und kleinere Formate dazukommen.
Die Zahlen sind eindeutig. Bis zu 76 zusätzliche Kongresse pro Jahr wären laut Studie realistisch – wenn es passende Räume gäbe. Das entspricht rund 215.000 zusätzlichen Teilnehmertagen jährlich und etwa 78 Millionen Euro zusätzlicher Wertschöpfung für die Stadt.

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Kongressgäste lassen im Schnitt rund 350 Euro pro Tag in Berlin – für Hotel, Gastronomie, Mobilität und Freizeit. „Multipliziert man das mit 5.000 Gästen und vier Tagen, erkennt man sofort, was möglich ist“, sagte Burkhard Kieker, Geschäftsführer von visitBerlin. Er spricht von einer „Bierdeckelrechnung mit starker Aussagekraft“.
Überdurchschnittliches Wachstum
2024 war für die Kongresswirtschaft in Berlin ein starkes Jahr: 1,4 Milliarden Euro wurden erwirtschaftet, für 2025 rechnet Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey mit einem Wachstum um drei Prozent. 86.000 Veranstaltungen gab es 2024, davon mehr als 70.000 im Businessbereich. Das liegt bereits über dem Vor-Corona-Niveau von 2019. Rund 71 Prozent der Events sind beruflich motiviert.
Der internationale Anteil liegt mit 21,4 Prozent deutlich über dem bundesweiten Durchschnitt von elf Prozent. Die wichtigsten Herkunftsländer der Besucher: Großbritannien, Nordamerika, Spanien, Italien und Frankreich.

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„Die Menschen wollen sich wieder persönlich treffen“, sagte Franziska Giffey (SPD), Senatorin für Wirtschaft, Energie und Betriebe. „Und sie wollen das in Berlin tun.“ Doch auch die internationale Konkurrenz entwickelt sich weiter. In Dubai wird aktuell eine Erweiterung des Messe- und Kongresszentrums gebaut, auch Barcelona, London und Wien stocken ihre Kapazitäten massiv auf. Berlin könnte den Anschluss verlieren, wenn nichts getan werde, fürchten die Kongressprofis.
Achillesferse bleibt die Anbindung an den BER
Die geplante Halle soll das Messegelände gezielt ergänzen. Technisch soll sie voll ausgestattet sein – stützenfreier Raum, flexible Teilbarkeit, Nebenräume für kleinere Formate und eine Plug-and-Play-Infrastruktur, um die Auf- und Abbauzeiten zu reduzieren. Eine Sanierung der alten Halle 9 wäre laut Messe weder wirtschaftlich noch ökologisch sinnvoll.
Wenn man also um einen Abriss nicht herumkommt, soll das neue Gebäude dennoch allen Nachhaltigkeits-Anforderungen entsprechen: bessere Energieeffizienz, neue Gebäudetechnik, mögliche Dachbegrünung.
Ein zentrales Thema für die Kongresswirtschaft ist die internationale Erreichbarkeit der Hauptstadt. „Das Thema Konnektivität bleibt unsere Achillesferse“, sagte Giffey. Gemeint ist: Es fehlen Direktverbindungen am Flughafen BER, insbesondere interkontinental. Gespräche mit der Lufthansa laufen, auch eine Senkung der Luftverkehrsteuer – wie im Koalitionsvertrag der Bundesregierung angekündigt – wäre hilfreich. „Wir sind nicht konkurrenzfähig, weil wir zu hohe Flughafensteuern haben“, so Giffey.
Die neue Halle soll diese strukturellen Nachteile zumindest teilweise ausgleichen. Dass sie gebraucht wird, steht für alle Beteiligten außer Frage. Die Potenzialstudie nennt mittelfristig Bedarf für bis zu zwei neue Kongresszentren dieser Größenordnung. Die neue Halle 9, die auch noch einen neuen Namen bekommen soll, könnte immerhin ein Anfang sein.
Viele Berliner sehen Projekte zur Ankurbelung des (Kongress-)Tourismus traditionell kritisch. Die Willkommenskultur wird in der Studie kritisch beleuchtet. Tobias sprach von einer „ausbaufähigen“ Haltung gegenüber internationalen Gästen – gerade wenn es voll werde, sei Berlin „nicht immer happy“, so der Befund.
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