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Zu viele freie Stellen auf Berliner Ausbildungsmarkt : In Gastronomie und Hotellerie steigt die Zahl der Azubis wieder
Es gibt wieder so viele Verträge wie vor Corona. Die Wirtschaft hat Vorschläge für den nächsten Berliner Senat und warnt vor einer Ausbildungsumlage als „bürokratisches Monster“.
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In der Pandemie haben Zehntausende Arbeitskräfte das Gastgewerbe verlassen und sich neue Jobs gesucht. Nun gibt es zumindest auf dem Berliner Ausbildungsmarkt eine kleine Trendwende. „Die größten Zuwächse gab es beim Ausbildungsberuf Fachfrau/-mann für Restaurants und Veranstaltungsgastronomie“, schreibt die Industrie- und Handelskammer (IHK) in ihrer Ausbildungsbilanz 2022.
Alles in allem wurden im vergangenen Jahr 7708 neue betriebliche Verträge in IHK-Berufen unterschrieben, das waren 13 Prozent mehr als 2021. Die pandemiebedingten Rückgänge wurden damit aufgeholt, in Gastronomie und Hotellerie sogar mehr Verträge abgeschlossen als vor Corona.
Über die Ausbildungsbereitschaft der Unternehmen und mögliche Schlussfolgerungen wird in Berlin seit Jahren gestritten. Gewerkschaften, Linke und Teile der SPD möchten mit einer Ausbildungsumlage die nicht ausbildenden Betriebe belasten und dabei einen Anreiz setzen für mehr Ausbildung. Kammern und Verbände lehnen das als „bürokratisches Monster“ ab und fordern stattdessen von der Politik eine bessere Bildungsqualität und Berufsorientierung in den Schulen.
Die Ausbildungsumlage wird dazu beitragen, mehr Betriebe für die Ausbildung zu gewinnen.
Nele Techen, stellvertretende Vorsitzende des DGB
Trotz der erfreulichen IHK-Bilanz liege Berlin „weiter abgeschlagen hinter allen anderen Bundesländern, sowohl bei der Ausbildungs- als auch der Ausbildungsbetriebsquote“, sagte die stellvertretende Vorsitzende des DGB Berlin-Brandenburg, Nele Techen, auf Anfrage. „Die Ausbildungsumlage wird dazu beitragen, Kosten gerechter zu verteilen, mehr Betriebe für eigene Ausbildungsangebote zu gewinnen und letztlich auch die Qualität der Ausbildung steigern“, ist Techen überzeugt.

© Promo/Fröbel e.V.
Mehr betriebliche Ausbildung ist jedenfalls unverzichtbar, das gilt für die Angebots- wie die Nachfrageseite. Nach einer IHK-Umfrage hat ein Drittel der Ausbildungsbetriebe im vergangenen Jahr überhaupt keine Bewerbung erhalten. Die Ausbildungsumlage würde auch diese Firmen treffen, sagte der stellvertretende Kammerpräsident Stefan Spieker am Mittwoch. Spieker ist Geschäftsführer des bundesweit größten freien Kitaträgers Fröbel, der rund 17.000 Kinder in über 200 Einrichtungen betreut.
„Der Berliner Senat muss im neuen Koalitionsvertrag Lösungen anbieten, statt den Irrweg der Ausbildungsumlage weiterzugehen“, sagte Spieker. Aktuell würden 11.200 Bewerbern bei der Arbeitsagentur fast 13.000 freie Stellen gegenüberstehen. Stietzel wurde bei der Präsentation der Ausbildungsbilanz von Firmenvertretern unterstützt. Die Vielzahl der Ausbildungsberufe scheine den Jugendlichen nicht bekannt zu sein, meinte Kerstin Ehrig-Wettstaedt, Geschäftsführerin des IT- und Bürofachhandelshauses Ehrig.
Die gymnasialen Oberstufen würden eher zum Studium als zur Ausbildung ermuntern. Der Zughersteller Stadler habe 2022 erstmals nicht alle Plätze besetzen können, berichtete Prokurist Andreas Kliebsch und forderte „mutige Reformen für eine verbesserte Schulqualität mit einer starken Berufsorientierung“.
Kaum Berufsorientierung vorhanden
Für die demnächst anstehenden Koalitionsverhandlungen macht die IHK fünf Vorschläge: Eine gemeinsame Fachkräftestrategie Berlin-Brandenburg, den Verzicht auf die Ausbildungsumlage, eine „Bildungsoffensive entlang der gesamten Bildungskette“, eine flächendeckende Berufsorientierung inklusive Coaching sowie die „umfassende Bekämpfung des Lehrkräftemangels“.
Die mangelhafte schulische Berufsorientierung war auch ein Thema im DGB-Report: 70 Prozent der Befragten gaben an, dass ihnen die Angebote an der Schule kaum bei der Berufswahl geholfen haben. Nur ein knappes Drittel nutzte die Berufsberatung der Agentur für Arbeit genutzt. Insgesamt gaben nur zwölf Prozent der Azubis an, dass ihnen ihr Ausbildungsplatz durch die Agentur für Arbeit vermittelt wurde.
Gut 83 Prozent der Azubis haben im vergangenen Jahr die Abschlussprüfung bestanden. Dieser Anteil liegt auf dem Niveau vor Corona, was nach Einschätzung der IHK ein Beleg dafür ist, dass die Pandemie „die Ausbildungsqualität und die Prüfungsvorbereitung kaum beeinträchtigt“ hat. „Gute Ausbildungsbedingungen sind leider keine Selbstverständlichkeit“, hatte dagegen der DGB die Ergebnisse seines Ausbildungsreports 2022 im vergangenen November zusammengefasst. „Jeder dritte Azubi macht regelmäßig Überstunden, nur jeder Vierte bleibt von Tätigkeiten verschont, die nicht dem Ausbildungszweck dienen.“
Immerhin waren im vergangenen Jahr 72 Prozent der Auszubildenden mit ihrer Ausbildung mindestens zufrieden. Am positivsten äußerten sich die Azubis aus der Industrie (Mechatroniker, Elektroniker, Mechaniker und Chemieberufe). Am wenigsten zufrieden mit der Ausbildung waren die Lehrlinge aus de. Hotel- und Gastronomiegewerbe, dem Einzelhandel sowie Köchinnen und Köche.
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