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Beat Zoderer: „Haiku, G3 Nr. 6“ von 2025.

© Beat Zoderer/Martin Müller, Berlin

Wilde Widersprüche: Die Malerei von Beat Zoderer in der Galerie Taubert Contemporary

Der Schweizer Künstler versucht, gleichzeitig ultrapräzise zu arbeiten und Fehler in seine Kunst einzubauen. Das Ergebnis zeigt er bei Taubert Contemporary.

Stand:

Ein Karmesinrot stößt an ein Rechteck aus Rotorange, beide werden tangiert und ergänzt von leuchtenden Quadraten in Zinnoberrot. Sie springen hervor, während ein dunkles Grün über lichtem Orange die Tiefe des Bildraums öffnet. In den größeren Farbfeldern aus Himbeerrot unter Himmelblau kulminiert das Spiel von Vordergrund und Hintergrund allein durch die unterschiedlich dichten Überlagerungen der hellblauen Schleier.

„Haiku, G7 No.1“ nennt Beat Zoderer das größte seiner neuen Bilder. Zu sehen sind sie in der Galerie Taubert Contemporary, die dem Künstler ihre aktuelle Ausstellung „Konkrete Aquarelle“ widmet: Ein Titel, der ebenfalls Fragen aufwirft. Den Begriff des Aquarells verwendet Zoderer weil er die Acrylfarbe so stark verdünnt, bis sie Aquarellcharakter annimmt. Das Acryl allerdings wird direkt aus der Tube verarbeitet. Gemischt wird nicht auf der Palette, sondern beim Auftragen der Farbschichten auf Bildträger wie MDF oder Karton.

Schichten mit Fehlern

Die Bilder der Serie „Haiku“ bestehen aus maximal drei übereinander gelagerten Lasuren – in Anlehnung an die drei Zeilen, die die japanischen Gedichte in der europäischen Lesart ausmachen. Die Lasurtechnik suggeriert einen Duktus, der außerdem durch kleine Unregelmäßigkeiten an den vertikalen und horizontalen Kanten entsteht oder durch Fehlstellen und winzige Kleckse, die nicht korrigiert werden.

So entfalten sich inmitten der seriellen Struktur des Bildaufbaus Spuren von Individualität. Mal in leicht wolkiger Anmutung, dann wiederum erinnert der Farbauftrag an die Maserung von Hölzern. Entfernt blitzen Ideen von Landschaft auf. Die erinnern in der Farbstimmung bisweilen an die romantische Landschaft – ohne Kitsch oder Schwermut fängt Zoderer mit einem dezenten Sfumato einen Hauch von Melancholie ein.

Gegen Ordnung und Normen

Die Beschränkung auf die Zahl drei ist denn auch das einzige Reglement, dem sich der Schweizer Künstler unterwirft. Mit fröhlicher Chuzpe unterminiert der 1955 in Zürich Geborene einmal mehr die von Normen und Ordnungen geprägte Konkrete Kunst. Der Stilrichtung, mit der Beat Zoderer in den 1990er Jahren Bekanntheit erlangte und deren Leitsätze er mit ironischen Material-Collagen gleichsam auf den Kopf stellte.

Anstelle eines Studiums hatte der ebenso geistreiche wie pragmatische Macher zuerst eine Ausbildung als Hochbauzeichner absolviert und war in Architekturbüros tätig. 1977 fiel dann die Entscheidung für den Weg der freien Kunst. Als bevorzugten Werkstoff sammelte er Abfallreste, die mit Witz in pointierte Assemblagen verwandelt wurden; wilderte später im Bürobedarf und im Baumarkt, benutzte statt Pinsel und Pigmenten farbige Reißzwecken, Plastikfolien oder Aktenhüllen. Derlei Alltagsgegenstände kombinierte er zu konstruktivistischen Collagen, zu Kompositionen, die zwischen objet trouvé und konkreter Kunst schillern.

Gedämpfte Farbklänge

Das Primat der Konkreten Kunst – die nicht abstrahieren, sondern rein abstrakt sein will und nach mathematischen Gesetzmäßigkeiten Gegenstände für den geistigen Gebrauch postuliert – befolgt er auch nicht in seiner Malerei, die der sozusagen Spätberufene erst seit sechs Jahren betreibt. „Früher hat er sein Motto wie ein Banner hochgehalten: Kein Pinsel! Keine Handschrift!“, erzählt lachend Galerist Thomas Taubert, der seit 29 Jahren mit dem im schweizerischen Wetzingen und in Genua lebenden Künstler zusammenarbeitet.

Der leicht gedämpfte Farbklang und Zoderers Ideenreichtum versprühen eine Sinnlichkeit, die die Farben schmunzeln lässt und im Zusammenspiel mit dem geometrischen Formvokabular Dialoge anstößt und unsere Phantasie entfacht. Was einstige Grundsätze anlangt, so hat Zoderer jüngst in einem Katalog geschrieben: „Meine Kunst ähnelt einer weiten Reise, auf der ich mir selbst immer wieder widerspreche.“

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