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Berlins „Saubere-Küchen-Gesetz“ vor dem Aus: Drei Lehren aus dem Scheitern des Ekel-Barometers
Zu viel gewollt, zu wenig gekonnt, zu schlecht vorbereitet: Berlins „Saubere-Küche-Gesetz“ wurde wegen Personalmangel nie umgesetzt. Der Fall offenbart sehr viel über die Zustände - und die allgemeine Krise.

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Nun soll also Schluss sein mit einem grünen Projekt der Vorgängerkoalition. Das „Saubere-Küchen-Gesetz“ soll mehr als zwei Jahre nach Inkrafttreten wieder aufgehoben werden. So plant es die CDU-geführte Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz.
Dabei war die Idee so einfach wie gut: Die Ergebnisse der Lebensmittelkontrollen in Restaurants, Bäckereien, Imbissen oder Dönerläden sollten öffentlich einsehbar sein. An jedem Geschäft sollte ein Barometer hängen.
Anhand eines Farbverlaufs wäre erkennbar, wie es um Hygiene und Sauberkeit in der Küche oder Backstube steht – von grün, also sehr gut, bis knallrot, also nicht ausreichend. Bei jedem Restaurantbesuch hätten Gäste sich an der Tür entscheiden können, ob sie wirklich dort speisen wollen.
In Dänemark funktioniert das System gut. Doch in Berlin wurde das alles so gut wie gar nicht umgesetzt. Die Bezirke haben nicht einmal genug Personal, die gesetzlich vorgeschriebenen Kontrollen durchzuführen. Deshalb will die Justizverwaltung das Gesetz jetzt in die Tonne werfen. Ist das nun Einsicht in Realität, die Macht des Faktischen oder schieres Einknicken vor großen Aufgaben? Der Fall offenbart viel mehr.
Erstens das Scheitern der Grünen an sich selbst
Auf Bundesebene ist das Transparenzbarometer seit Jahren ein Thema. Die Berliner Grünen und ihr früherer Justizsenator Dirk Behrendt hatten einen durchaus richtigen Impuls: Wenn der Bund versagt, dann muss Berlin voranschreiten, um die hiesigen Verbraucher besser zu schützen und die Zustände zu verbessern. Zumal im Wissen um die Bilder aus den Ekelbäckereien.
Doch auch das ist typisch für die Berliner Grünen: Vorpreschen, mit dem Kopf durch die Wand, neue Regeln setzen, dann aber am eigenen Idealismus scheitern. Auch weil das Gesetz schlecht vorbereitet war und die Umsetzbarkeit zu wenig bedacht wurde, wenn man schon deutlich über die EU- und Bundesregeln hinausgehen will.
Warum? Die Bezirke haben bereits beim Gesetzgebungsverfahren gewarnt, dass sie die Vorgaben nicht umsetzen können. Und was den Bezirken als zusätzliches Personal gegeben wurde, reichte bei weitem nicht aus. Auch die finanzielle Lage ist klar: Es gibt kein Geld mehr für große Sprünge.
Zweitens die desolate Lage auf dem Arbeitsmarkt
Der Mangel an Fach- und Arbeitskräften ist real und schlägt bald noch viel härter zu. Die Alterung, die Pensionierungswelle, fehlender Nachwuchs – die Lage wird nicht mehr besser. Selbst wenn viele neue Stellen finanziert werden, bleibt zu bezweifeln, ob sie besetzt werden können.
Das alles war absehbar, in Berlin, im Bund, in der Politik. Die Szenarien lagen auf dem Tisch. Eine Antwort fand die Politik nicht. Unkonventionelle Ideen, energische Digitalisierung – Fehlanzeige. Jetzt ist das Problem akut, schnelle Lösungen gibt es nicht.
Und drittens das Scheitern des Staates
„Wir sehen es als unsere Aufgabe als Senat, einen handlungsfähigen Staat und handlungsfähige Behörden sicherzustellen“, sagte Justizstaatssekretärin Esther Uleer. Zumindest hat sie damit recht, dass ein Staat, der seine eigenen Regeln nicht durchsetzen kann und nicht handlungsfähig ist, sich selbst aufgibt. Und damit den Kern seiner Aufgabe, nämlich den Schutz seiner Bürger. Damit steht auch die Legitimität des Staates zur Disposition.
Doch die Frage ist: Wie hoch muss die Norm für den Schutz der Bürger liegen? Wieviel dürfen die Bürger erwarten? Und wie viel ist machbar? Offenbar nicht mehr viel, wie Uleer ebenso zugeben musste.
Schon 2023 konnten in einigen Bezirken nur sieben Prozent der geplanten Kontrollen durchgeführt werden. Bei dieser konkreten Aufgabe, nämlich dem Schutz der Verbraucher, versagt der Staat also längst. Anlasten lässt sich das allen politisch Verantwortlichen des vergangenen Jahrzehnts, nicht nur der CDU.
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