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Besetzung der Alice-Salomon-Hochschule : Antisemitismusbeauftragter fordert Koordinierungsstelle
Hochschulleitungen würden noch immer berechtigte Palästina-Solidarität mit Hass gegen Juden verwechseln, sagt Felix Klein. Es brauche mehr Sensibilität und neue Stellen an den Universitäten.
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Freie Universität, Humboldt-Universität, wieder die Freie Universität und jetzt die Alice-Salomon-Hochschule in Marzahn-Hellersdorf: Besetzungen durch pro-palästinensische Aktivisten und Studierende haben an Berliner Lehreinrichtungen seit Monaten eine gewisse Tradition. Trotzdem fehle es den Hochschulen weiterhin an Konzepten und der nötigen Sensibilisierung für Antisemitismus bei den Protestaktionen, sagt der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein.
Der Hintergrund ist die Besetzung des größten Hörsaals der Alice-Salomon-Hochschule seit Montagmittag. Pro-palästinensische Aktivisten führen dort seitdem verschiedene Veranstaltungen durch. Die Aktion wird von der Hochschulleitung geduldet, es gebe keinen Grund, vom Hausrecht Gebrauch zu machen, sagte Rektorin Bettina Völter kurz nach Beginn des Protests.
Die Vorgänge an der Hellersdorfer Hochschule zeigen „einmal mehr“, dass bei den Hochschulleitungen weiterhin Bedarf an Beratung für das Thema Antisemitismus bestehe, erklärt Felix Klein im Tagesspiegel. Im aktuellen Fall sei „ganz offensichtlich“ der Unterschied zwischen berechtigten Anliegen für die palästinensische Zivilbevölkerung und Hamas-Solidarität sowie Hass und Hetze gegen Jüdinnen und Juden verkannt worden.

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Weiterhin kritisiert Klein den Umgang mit dem Andenken an die jüdische Namensgeberin der Hochschule, Alice Salomon. Die Besetzer hatten am Montag eine Büste von Alice Salomon im Foyer des Gebäudes mit einer Kufiya verhüllt, einem Palästinensertuch. Auf den Sockel der Statue wurde das Wort „Palestine“ gekritzelt. Zudem kam es zu weiteren antisemitischen und Terror verherrlichenden Vorfällen innerhalb des Audimax, wie Aufnahmen belegen.
Auf einer Postkarte tauchte der Slogan „Hamas, mein Liebling“ auf, auf anderen Zetteln das rote Hamas-Dreieck, mit der die Terrororganisation in Propagandavideos feindliche Ziele markiert. Auch die Parole „Von Berlin bis nach Gaza, Yallah Intifada“ war zu lesen.
„Umso wichtiger ist es nun, dass an allen Hochschulen Antisemitismusbeauftragte eingesetzt werden“, fordert Klein, dessen Stelle als Antisemitismusbeauftragter des Bundes im Innenministerium angesiedelt ist. Klein unterstützt außerdem den Vorstoß, die Stelle eines übergeordneten Koordinators zu schaffen, der die Arbeit der Beauftragten an den Hochschulen bündelt und initiativ „Konzepte, Guidelines und ähnliches“ entwickelt.
Umso wichtiger ist es nun, dass an allen Hochschulen Antisemitismusbeauftragte eingesetzt werden.
Felix Klein, Beauftragter für Antisemitismus der Bundesregierung
In der Hauptstadt gibt es Felix Klein zufolge viele geeignete Personen, die solch eine Position „hervorragend“ ausfüllen könnten. Beratung, Sensibilisierung und Aufklärung sei das „Gebot der Stunde, um Hochschulen als Orte des gewaltfreien Diskurses zu erhalten, an dem alle Studierenden angstfrei lernen können.“
Währenddessen laufen die pro-palästinensischen Proteste an der Alice-Salomon-Hochschule den dritten Tag in Folge weiter. Am Mittwoch war unter anderem ein Workshop des arabischen „Dabke“-Tanzes angekündigt. Die Besetzer planen bis Freitag in der Hochschule zu bleiben, verlassen das Audimax aber stets am Abend gegen 21 Uhr. Am nächsten Tag kehren sie zurück.
Wegner: „Völlig unverständlich“
Israels Botschafter in Deutschland, Ron Prosor, kritisierte die ASH-Präsidentin Bettina Völter. Sie hatte nach der Besetzung vor dem Haus stehende Polizisten als „bedrohlich“ bezeichnet. Prosor schrieb am Mittwoch auf der Plattform X: „Wenn Ihre Schüler ihre Liebe zur Hamas bekunden und sich als deren Sprecher ausgeben, Bettina Völter, wenn Sie das ‚friedlich‘ nennen, ist das nicht nur abstoßend – es ist eine wahnhafte Trennung von der Realität. Wachen Sie auf, bevor es zu spät ist.“
Zuvor hatte Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) das Handeln Völters als „völlig unverständlich“ bezeichnet.
In einem späteren Statement der Hochschule bedankte sich die Leitung für den „konstruktiven und engen Austausch“ mit der Polizei. Antisemitismus und Äußerungen, die das Existenzrecht Israels infrage stellen, hätten keinen Platz an der Alice Salomon Hochschule, heißt es in der Mitteilung weiter. Das Existenzrecht Israels sei völkerrechtlich verbrieft und unantastbar. Gleichzeitig verurteile man „ebenfalls entschlossen“ das Leiden der palästinensischen Zivilbevölkerung.
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