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Workcamp am Alten Anstaltsfriedhof von Reinickendorf

© Thomas Englisch

Aus aller Welt nach Berlin-Reinickendorf: Jugendliche richten im Workcamp einen Gedenkort wieder her 

Das Projekt am Alten Anstaltsfriedhof will junge Menschen aus aller Welt zusammenbringen und Begegnungen ermöglichen, indem sie sich bei ehrenamtlichen Projekten engagieren.

Tansania, Ungarn, Ägypten, Spanien, Deutschland … Aus diesen und weiteren Ländern kommen die mehr als 15 Jugendlichen, die im Sommer am diesjährigen Workcamp der Ökumenischen Jugenddienste (ÖJD) teilnehmen.

Dieses findet bereits zum zweiten Mal in Reinickendorf statt, am Gedenkort Alter Anstaltsfriedhof auf dem Gelände der ehemaligen Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik (KaBoN). Worum es bei diesem Projekt geht, erklärt Karolin Minkner von ÖJD.

Das Workcamp am Alten Anstaltsfriedhof ist eines von vieren, das ÖJD dieses Jahr an unterschiedlichen Einsatzorten organisiert. Ziel ist es, junge Menschen aus aller Welt zusammenzubringen und Begegnungen zu ermöglichen, indem sie sich bei ehrenamtlichen Projekten engagieren.

Die Situation am Gedenkort Alter Anstaltsfriedhof ist eine besondere: Auf dem Gelände befanden sich die Wittenauer Heilstätten, und es gab einen Begräbnisplatz.

4607
Patient:innen starben in den Wittenauer Heilstätten

Für die Jahre 1934 und 1935 sind hier nur drei Bestattungen verzeichnet, dann steigt die Zahl jedoch sprunghaft an. Der Grund: Die „Euthanasie“-Programme der NS-Gewaltherrschaft. Zwischen 1939-1945 starben in den Wittenauer Heilstätten 4.607 Patientinnen und Patienten.

Ausstellung „Totgeschwiegen” informiert auf dem Gelände über NS-Medizinverbrechen

Nur circa 460 Tote konnten bislang namentlich identifiziert werden. Auf dem Gelände informiert die Ausstellung „Totgeschwiegen” über die NS-Medizinverbrechen, und der Freundeskreis Alter Anstaltsfriedhof setzt sich unter Leitung von Irmela Orland seit Langem dafür ein, dass der ehemalige Anstaltsfriedhof gekennzeichnet und über ihn aufgeklärt wird.

Es gibt hier genug Arbeit für die nächsten zehn Jahre

Karolin Minkner, ÖJD.

Auch die Jugendlichen des Workcamps bekommen die Historie des Ortes vermittelt. „Bevor sie überhaupt anfangen zu arbeiten, wird ihnen die Geschichte erklärt“, sagt Minkner von ÖJD. Die Arbeit besteht dann mitunter darin, zugewachsene Hauptwege wieder anzulegen und Nebenwege anzudeuten. Doch auch sonst gibt es am Alten Anstaltsfriedhof viel zu tun – „genug Arbeit für die nächsten zehn Jahre“. Wichtig ist es den Beteiligten, dass der Ort wieder einen würdigen Charakter erhält.

Im Schnitt fünf Stunden täglich wird gearbeitet, danach gibt es ein Freizeitprogramm, das je nach Interessenlage gestaltet wird. „Beispielsweise wird die Bundestagskuppel besichtigt, aber auch banale Sachen wie Badengehen, Eisessen, Abhängen stehen auf dem Programm“, beschreibt es Minkner.

Abends kochen die Jugendlichen zusammen landestypische Gerichte

Besondere Freude bereiten den jungen Menschen die „Länderabende“, bei denen die Jugendlichen, die aus einem Land kommen, sich zusammentun, um etwas Landestypisches zu kochen oder von anderen kulturell typischen Aktivitäten zu berichten, wie Minkner erklärt: „Das soll dann nicht kischeehaft werden, sondern sowas wie, ‚wie feiern wir in der Familie Kindergeburtstag, welche Gutenacht-Sendungen gibt es bei uns‘. Der Abend wird mit viel Herzblut vorbereitet.“

Das Workcamp-Projekt kostet die Teilnehmenden nur 25 Euro, da es vom Bund gefördert wird. Für Verpflegung, Unterkunft, Freizeit und Mobilität entstehen keinerlei Kosten. Und: In den beiden Wochen des Workcamps, vom 29. Juli bis 12. August, entstehen auch Freundschaften, weiß Minkner. „Die sehen sich oft schon im Spätsommer wieder, besuchen einander in ihren Ländern.“

Teilnehmer:innen des Workcamps sollten offen gegenüber Religion sein

Religion spiele beim Workcamp nur insofern eine Rolle, dass die Teilnehmer:innen offen gegenüber Religion sein sollten, doch niemand muss einer bestimmten Glaubensgemeinschaft angehören, und „man muss keine Angst haben, wir beten nicht vor dem Essen oder so“, sagt Minkner.

Es gibt noch ein bis zwei freie Plätze beim Workcamp für junge Leute ab 16 Jahren. Die internationale Gruppe freut sich aber auch, wenn sie Kontakt zu Jugendlichen aus Reinickendorf aufbauen können. Bei Interesse können sich junge Menschen bei Karolin Minkner unter 015121063 26 oder workcamp@akd-ekbo.de melden oder alternativ bei Irmela Orland unter 01736374951, religion@t-online.de.

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