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Der Joachimsthaler Platz in Berlin-Charlottenburg wird umbenannt.

© Cay Dobberke / TSP

Berliner Bezirk plant Umbenennung: Joachimsthaler Platz am Ku’damm heißt bald „Grünfeld-Ecke“

Die neue Bezeichnung erinnert an eine Familie jüdischer Kaufleute. Die FDP wollte stattdessen Harald Juhnke ehren.

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Wissen Sie, wo der Joachimsthaler Platz liegt? Kein Straßenschild weist auf ihn hin, auch Postadressen gibt es dort nicht. Den Namen kennen deshalb nur wenige, obwohl der Platz mitten im Herzen der City West liegt – nämlich zwischen der Joachimsthaler Straße und dem Kurfürstendamm. Eine gewisse Berühmtheit hat die denkmalgeschützte Verkehrskanzel aus den 1950er Jahren erlangt, die seit 1962 außer Betrieb ist und heute manchmal Kunstprojekten dient.

Künftig soll der Platz „Grünfeld-Ecke“ heißen und damit an eine Familie jüdischer Kaufleute erinnern. In dieser Woche hat das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf das Umbenennungsverfahren eingeleitet. Dessen Dauer schätzt Stadtrat Oliver Schruoffeneger (Grüne), der für öffentliches Straßenland zuständig ist, auf vier bis fünf Monate. Er möchte den Platznamen bis zum November ändern – passend zum geplanten Erscheinungstermin eines Buch über die Familie Grünfeld.

Die Initiative ging vom Handelsverband Berlin-Brandenburg aus. Dessen Hauptgeschäftsführer Nils Busch-Petersen hatte seine Recherchen über die Kaufleute im vergangenen Jahr bei einer Veranstaltung vorgestellt und vor Kurzem auch einen Offenen Brief ans Bezirksamt gesandt. Er erinnert an das einstige Grünfeld-Kaufhaus am Joachimsthaler Platz, das nach der Eröffnung im Jahr 1926 im Volksmund zum Namen „Grünfeld-Ecke“ führte. Bereits 1873 war die Familie ein Pionier im Versandhandel.

Die Entwicklung der City West ist ohne das jüdische Leben völlig undenkbar.

Oliver Schruoffeneger (Grüne), Bezirksstadtrat in Charlottenburg-Wilmersdorf

Heinrich Grünfeld wurde 1919 auch zum Gründungspräsidenten der Hauptgemeinschaft des Deutschen Einzelhandels. Schon zum Beginn der Nazizeit wurde er wegen seiner jüdischen Herkunft massiv angefeindet, 1933 gab er die Leitung des Verbandes auf. Das Kaufhaus wurde 1938 durch die Firma Max Kühl „arisiert“. 1939 emigrierte die Familie Grünfeld nach Palästina.

Die Entwicklung der City West sei ohne das jüdische Leben in den 1920er Jahren „undenkbar“, sagt Stadtrat Schruoffeneger. „Dies muss stärker als bisher auch im öffentlichen Raum des Bezirks deutlich werden.“ Die Umbenennung des Platzes bilde den „Auftakt“ dafür.

Weil dort keine Adressenänderungen nötig sind, rechnet das Bezirksamt nicht mit Beschwerden. Außerdem behält die Joachimsthaler Straße ihren Namen. Die Erinnerung an die brandenburgische Kleinstadt Joachimsthal und das einstige Joachimsthalsche Gymnasium in der heutigen Bundesallee bleibt damit gewahrt.

Für einen Harald-Juhnke-Platz hatte sich die FDP eingesetzt – und dabei ebenfalls argumentiert, dass die Bezeichung des Joachimsthaler Platzes verzichtbar sei. Bereits im vergangenen November brachte die FDP-Fraktion einen Antrag in die BVV ein. Nachdem dieser zuletzt vertagt wurde, veranstalteten Politiker der Partei eine „symbolische Platzumbenennung“ nach dem 2005 verstorbenen Entertainer und Schauspieler Harald Juhnke.

Als „Missachtung der BVV“, die sich im Kulturausschuss auf einen weiteren Diskussionsprozess verständigt habe, kritisiert der bezirkliche FDP-Fraktionschef Felix Recke-Friedrich den Bezirksamtsbeschluss. Andererseits „befürworten wir selbstverständlich ein öffentlich sichtbares Gedächtnis an jüdische Mitbürger, die sich wie die Familie Grünfeld um unseren Bezirk verdient gemacht haben“. Seine Fraktion werde sich nun dafür engagieren, Harald Juhnke andernorts in Charlottenburg-Wilmersdorf mit einem Straßen- oder Platznamen zu ehren.

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