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© Privatbesitz Adomako, Sammlung Todorov, Labo Berlin, Privatbesitz

Der lange Weg zur Erinnerung: Wie schwarze Menschen der Verfolgung durch die Nazis ausgesetzt waren

In Berlin werden in diesem Jahr sechs Stolpersteine für schwarze Menschen verlegt, die von den Nazis entrechtet und verfolgt wurden. Bisher war das öffentliche Gedenken nicht ausgeprägt.

Schwarze Menschen waren in Deutschland zwischen 1933 und 1945 dem Rassenwahn, der Verfolgung und den Verbrechen der Nationalsozialisten ausgesetzt. Allerdings fand ihr Schicksal bisher wenig Beachtung, nicht viel ist bekannt. Auch das öffentliche Gedenken ist nicht ausgeprägt. Begleitend zur laufenden Sonderausstellung „Auf den Spuren der Familie Diek. Geschichten Schwarzer Menschen in Tempelhof-Schöneberg“ im Schöneberg Museum werden in den nächsten Monaten insgesamt sechs Stolpersteine für schwarze Menschen verlegt, die mit dem Bezirk Tempelhof-Schöneberg verbunden waren.

Inzwischen erinnern in Deutschland und in Europa mehr als 75.000 Stolpersteine an Opfer der Nazis. Aber nur gut eine Handvoll wurden in der Bundesrepublik zum Gedenken an schwarze Menschen verlegt, die von den Nazis verfolgt und entrechtet werden. Drei davon liegen bereits in Berlin-Mitte. Sie sind Mahjub bin Adam Mohamed, Martha Ndumbe und Ferdinand James Allen gewidmet.

Am Mittwoch werden nun zwei Stolpersteine in der Gaudystraße 5 in Prenzlauer Berg (12 Uhr) gelegt. Sie erinnern an Erika Diek, später Ngambi ul Kuo, und ihren ersten Mann Ludwig M’bebe Mpessa, die dort zum Ende der Nazizeit gelebt haben. Erika Diek war die Tochter des 1891 aus Kamerun eingewanderten Mandenga Diek, sie lebte später in Tempelhof, wo sie gemeinsam mit ihrer Schwester Dorothea ein Netzwerk für schwarze Menschen knüpfte. Die Geschichte der deutsch-afrikanischen Familie Diek steht im Mittelpunkt der Ausstellung im Schöneberg Museum.

Ludwig M’bebe Mpessa war ein politischer Aktivist, der sich schon in den zwanziger Jahren engagierte, und unter dem Künstlernamen Louis Brody auch ein erfolgreicher Schauspieler. Zwischen 1933 musste er dann in mehr als 20 kolonial-propagandistischen und antisemitischen Spielfilmen mitwirken, wie in der Ausstellung zu erfahren ist. Seine stereotypen Rollen sollten das rassistische Bild der Unterlegenheit schwarzer Menschen bestätigen. Abenaa und Roy Adomako, Enkelin und Enkel der beiden, werden bei der Stolpersteinverlegung dabei sein; sie haben viel zur Schöneberger Ausstellung beigetragen.

Am Samstag, 13. Mai, werden Stolpersteine für Zoya Gertrud Aqua Kaufmann und ihren Sohn Hans-Joachim in der Friedrich-Wilhelm-Straße 8 in Tempelhof verlegt. Die beiden lebten dort in der Wohnung von Hans-Joachims Vater Hans von Hellfeld, bevor sie im aufgrund der Verfolgung nach Prag flüchten mussten. Im Winter 1944 wurden sie dort denunziert und im Gefängnis Pancrác inhaftiert. Der 13. Mai markiert den Tag ihrer Befreiung im Jahr 1945.

Auch über das Schicksal von Mutter und Sohn erfährt man noch mehr in der Ausstellung. Dort ist ihr handschriftlicher Lebenslauf zu sehen. Darin heißt es unter anderem: „1934 warf man mich aus der Wohnung, da dieselbe von Nazis benötigt wurde. 1936 warf man mich aus der Schule, da ich als Nichtarierin nicht mehr würdig war, ein deutsches Lyzeum zu besuchen. 1936 machte man mich staatenlos, da ich nicht würdig war, Deutsche zu sein. … 1941 wurde mein Sohn geboren. Wir mussten illegal wohnen, um nicht wegen Rassenschande belangt zu werden.“

1941 wurde mein Sohn geboren. Wir mussten illegal wohnen, um nicht wegen Rassenschande belangt zu werden.

Zoya Gertrud Aqua Kaufmann

Den Lebenslauf reichte sie nach dem Krieg beim Entschädigungsamt ein, um ihre Verfolgung nachzuweisen. Es war eine lange und kräftezehrende Auseinandersetzung mit dem Amt. „Der zuständige Sachbearbeiter zweifelt wiederholt ihre Verfolgungs- und Rassismuserfahrungen an und zieht ihre Beschreibungen ins Lächerliche“, heißt es auf einer Tafel.

Am Samstag, 26. August, werden in der Schöneberger Fuggerstraße 20 (ehemals Augsburger Straße 7) die Stolpersteine für Benedikt Gambé und Charlotte Rettig – beide Künstler – verlegt. Sie lebten dort gemeinsam und mussten in der NS-Zeit in der „Deutschen Afrika Schau“ arbeiten, wo sie stereotype und exotisierende Rollen verkörpern mussten. Benedikt Gambé wurde 1937 zunächst in die Wittenauer Heilstätten eingewiesen und dann in die Wahrendorffschen Kliniken in Niedersachsen verlegt. Im August 1940 verstarb er dort unter nicht geklärten Umständen. Charlotte Rettig konnte nach Kopenhagen flüchten und überlebte die NS-Zeit.

Initiiert und betreut werden die Verlegungen von der bezirklichen Koordinierungsstelle Stolpersteine. Diese arbeitete auch mit dem britischen Historiker Robbie Aitken zusammen. Für ihn zeigen die sechs dargestellten Biografien die heterogenen Erfahrungen schwarzer Menschen in der NS-Zeit. Vor allem aber machten sie deutlich, dass sie „gezielte Opfer des Nationalsozialismus waren. Die Anerkennung dieser Tatsache ist längst überfällig“, sagt Aitken. Einbezogen in die Recherche waren auch Tahir Della von Decolonize Berlin e.V. und der Projektverbund „Dekoloniale Erinnerungskultur in der Stadt“.

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