zum Hauptinhalt
Das Rathaus Zehlendorf ist der Sitz der Bezirksbürgermeisterin: Bisher fehlen Konzepte, wie in Steglitz-Zehlendorf Millionen eingespart werden können.

© Boris Buchholz

Die Bezirksbürgermeisterin wirkt ratlos: Ist am Zehn-Millionen-Minus im Berliner Südwesten vor allem das Land schuld?

Steglitz-Zehlendorf hat 2024 von allen Bezirken am schlechtesten gewirtschaftet: Nach der finanziellen scheint nun die politische Bankrotterklärung zu folgen.

Boris Buchholz
Ein Kommentar von Boris Buchholz

Stand:

Wenn es stimmt, dass die Debatte um den Haushalt die Königsdisziplin des Parlaments ist und es dabei hart und kritisch zur Sache geht, war das, was sich Mittwochabend in der Bezirksverordnetenversammlung Steglitz-Zehlendorf ereignete, gerade einmal ein unverbindlicher Gedankenaustausch von Bezirksfürsten.

Dabei hätte gerade die „Opposition“ guten Grund gehabt, dem finanziellen Desaster auf den Zahn zu fühlen, Sparkonzepte einzufordern und Vorschläge zu machen. Denn der Bezirk hat das Jahr 2024 mit einem fetten Minus von acht Millionen Euro abgeschlossen; es ist der schlechteste Wert aller zwölf Bezirke. Plus Altschulden müssen ab 2026 zwischen Glienicker Brücke und Steglitzer Bierpinsel ganze zehn Millionen Euro eingespart werden – irgendwie.

Statt in der Aufarbeitung der Bankrotterklärung des Bezirks Ideen zur Diskussion zu stellen, wo diese Millionen herkommen sollen, wirkt Bezirksbürgermeisterin und Finanzdezernentin Maren Schellenberg (Grüne) in der Debatte vor allem – ratlos. Auf die Frage der CDU, welche strukturellen Veränderungen geprüft würden, um künftigen „haushaltswirtschaftlichen Fehlentwicklungen“ entgegenzusteuern, beginnt die Bürgermeisterin ihre Ausführungen mit einem Stoßseufzer: „Ja, wenn ich das wüsste.“

8.066.500
Euro Defizit hat der Bezirk in 2024 gemacht.

Und dann führt sie aus, dass das Bezirksamt dem Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses bis Ende Juli ein Konsolidierungsprogramm für die Jahre 2026 bis 2029 vorlegen müsse. Dass Konsolidierungsbezirk zu sein bedeute, „unter der dringenden Aufsicht der Senatsfinanzverwaltung zu stehen“. Dass eine vorläufige Haushaltswirtschaft, also eine Haushaltssperre für alle nicht absolut notwendigen Bereiche und Projekte, ab 2026 drohe. Dass man bei der Aufstellung des Doppelhaushalts 2024/2025 schon gewusst habe, dass mindestens sechs Millionen Euro einzusparen seien.

Konkrete Maßnahmen habe ich nicht vernommen.

Götz Müller, CDU

Doch was in dem Konsolidierungsprogramm, das in zweieinhalb Monaten der Landesebene überreicht werden muss, stehen wird oder wenigstens stehen könnte, darüber sagt sie kein Wort.

Und die Bezirksverordneten fragen nicht weiter nach. Ja, Götz Müller von der CDU merkt an: „Konkrete Maßnahmen habe ich nicht vernommen.“ Doch das ist schon die Spitze der kritischen Anmerkungen, die im Sitzungssaal zu hören sind. Die Parlamentarier machen auch keine eigenen Vorschläge, wo Geld einzusparen sei.

Unfaires Berechnungsverfahren?

Stattdessen sind sich die Lokalpolitikerinnen und -politiker über alle Parteigrenzen hinweg einig – das Land ist schuld. Ulrike Kipf, die Fraktionsvorsitzende der Grünen, bringt diesen Konsens auf den Punkt: Das Finanzdilemma des Bezirks sei in Wahrheit „ein strukturelles Problem auf Landesebene“. Denn die größten Minusbringer – es sind die Leistungsbereiche Hilfen zur Erziehung, Hilfen in besonderen Lebenslagen und die Kosten für die Beförderung von Schülern mit Behinderungen – seien für den Bezirk nicht steuerbar.

Man würde diese Kosten, auf die ein gesetzlicher Anspruch der Bürger bestehe, nur weiterreichen. Die Ungerechtigkeit bestehe darin, dass Steglitz-Zehlendorf durch ein ausgeklügeltes und aus Bezirkssicht unfaires Rechenverfahren nicht jeden Euro vom Senat erstattet bekäme, der im Bezirk tatsächlich in diesen Bereichen ausgegeben werde.

Es kann ja sein, dass wir zu großzügig sind.

CDU-Fraktionsvorsitzender Torsten Hippe zu Sozialausgaben

Allein sieben Millionen Euro mehr als ursprünglich geplant, hat der Bezirk 2024 für Leistungen im Bereich Hilfen zur Erziehung bezahlt. Und da wurde der Fraktionsvorsitzende der CDU dann doch einmal konkret. Vielleicht sei es ganz gut, wenn ab kommenden Jahr der Senatsfinanzsenator mit auf die Sozialausgaben im Bezirk schaue, sagte Torsten Hippe: „Es kann ja sein, dass wir zu großzügig sind.

Den miesen Abschluss des Bezirks allein auf ungerechte Strukturen des Landes zu schieben, ist zwar bequem, aber zu einfach. Denn die fiskalischen Spielregeln sind nicht neu, die Notwendigkeit Geld zu sparen, war auch 2024 und ist in 2025 bekannt. Warum nicht schon im vergangenen Jahr eine Haushaltssperre verhängt worden sei, erklärt Bezirksbürgermeisterin Schellenberg so: „Das Defizit ist im Wesentlichen nicht durch uns beeinflussbar.“ Auch eine Einstellungspause beim Personal sei wegen des Fachkräftemangels und der immer älter werdenden Mitarbeitenden keine Option gewesen. Also einfach weitermachen wie bisher?

Der Geldgeber, das Abgeordnetenhaus, wird das nicht zulassen. Dass eine Haushaltssperre schmerzhaft ist, aber sehr wohl Geld in der Kasse lässt, wird wohl das Jahr 2026 zeigen. Wie in der gestrigen Sitzung argumentiert wurde, macht deutlich: Aus eigener Kraft scheinen in Steglitz-Zehlendorf die Ideen (und manche meinen: auch die Möglichkeiten) zu fehlen, sich wieder aus dem tiefroten Zahlenkeller herauszuarbeiten. Dann wäre es ja gut, wenn das Land die Kontovollmacht übernimmt. Doch das wäre neben der finanziellen auch noch die politische Bankrotterklärung des Bezirks.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
false
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })