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Sie hatten die Wahl. Vor einem Jahr gab es einen Bürgerentscheid.über die Zukunft der Kolonie Oeynhausen. Die Kleingärtner gewannen deutlich, aber das änderte wenig.

© Cay Dobberke

Berlin-Schmargendorf: Gutachten stärkt Kleingartenkolonie Oeynhausen

Ein neues Gutachten macht den Kleingärtnern der bedrohten Kolonie Oeynhausen in Schmargendorf neuen Mut. Der Wohnungsbau auf der Kleingartenkolonie könne verhindert werden, ohne dass die Käuferfirma einen Entschädigungsanspruch hat. Deren Anwalt widerspricht.

Es ist nun schon das zehnte Gutachten zur bedrohten Kolonie Oeynhausen in Schmargendorf – aber eines, das den Kleingärtnern besonders Mut macht. Werde das umstrittene Bauprojekt mit 700 Wohnungen unterbunden, müsse der Bezirk den Grundstückseigentümer nicht entschädigen, heißt es im Rechtsgutachten, das die Charlottenburg-Wilmersdorfer BVV-Fraktionen der CDU und der Piraten in Auftrag gegeben hatten.

Das komplette Gutachten können Sie bei der CDU-Fraktion nachlesen, eine Zusammenfassung unter www.cdu-fraktion-charlottenburg-wilmersdorf.de.

Der Bürgerentscheid wurde nicht umgesetzt

Im Mai vorigen Jahres hatten 77,06 Prozent der Wahlberechtigten in der City West für die Erhaltung der Kolonie gestimmt. Eigentlich ist das auch der erklärte Wille aller Bezirkspolitiker. Beides half den Kleingärtnern jedoch kaum: Das Bezirksamt verweigerte die Umsetzung wegen des angeblich hohen Entschädigungsrisikos von bis zu 25 Millionen Euro.

Außerdem lehnte es der Berliner Senat ab, dem Bezirk notfalls finanziell zur Seite stehen. Im Abgeordnetenhaus war nur die Linksfraktion dafür.

Kostenschätzungen von 0 bis 50 Millionen Euro

Zum möglichen Schadensersatz gibt es höchst unterschiedliche Schätzungen. Christian Otto, Professor für Baurecht an der TU Berlin, rechnete mit 870 000 bis maximal zwei Millionen Euro. Sein Gutachten ist das einzige ohne Auftraggeber. Bis zu 36 Millionen Euro hielt dagegen im vorigen Herbst ein Gutachter für möglich, den die bezirkliche Grünen-Fraktion eingeschaltet hatte.

Lange Tradition. Wie das hölzerne Eingangsportal zeigt, gibt es die Kleingartenkolonie Oeynhausen seit 111 Jahren.
Lange Tradition. Wie das hölzerne Eingangsportal zeigt, gibt es die Kleingartenkolonie Oeynhausen seit 111 Jahren.

© Cay Dobberke

Der Grundstückseigentümer Lorac – ein Luxemburger Tochterunternehmen der US-Investmentgesellschaft Lone Star – hatte sogar mit Schadensersatzforderungen von bis zu 50 Millionen Euro gedroht. Lorac hat das Grundstück an den Berliner Bauunternehmer Klaus Groth weiterverkauft, der den Wohnungsbau plant. Gültig wird der Vertrag aber erst, wenn Baurecht vorliegt. Lorac hatte den nördlichen Teil der Kolonie 2008 für 600 000 Euro von der Post erworben. Nicht gefährdet sind einige Lauben, die auf dem landeseigenen Grundstücksteil stehen.

Gar keinen Grund für eine Entschädigung sieht Rechtsanwalt Michael Wild von der Kanzlei Malmendier & Partners.

Es geht unter anderem um die „Erschließung“ des Grundstücks, womit Leitungen, Rohre und Zufahrten für Transporte oder die Feuerwehr gemeint sind. Laut Wild war mindestens der größte Teil des Geländes längst erschlossen. Es gebe keine Bauvorbereitungen, die Ansprüche begründeten.

„Als Kleingartenfläche verkauft“

Wenn überhaupt, könne der Eigentümer nur einen Ausgleich verlangen, der sich am Kaufpreis orientiere. Dessen niedrige Summe zeige, dass die Post das Areal als Kleingartenfläche und nicht als potenzielles Bauland verkauft habe.

Außerdem sei damals schon das Bebauungsplanverfahren im Gange gewesen, das die Kolonie sichern sollte.

Dagegen meint Lorac-Anwalt Bernhard Haaß, das „Parteigutachten“ entlasse den Bezirk nicht aus der Haftung und widerspreche bisherigen Gutachten. Haaß beruft sich auch auf ein Urteil des Verwaltungsgerichts aus dem Mai 2014 zur Grundstückserschließung (seine Stellungnahme finden Sie hier als pdf-Datei). Das Bezirksamt hat Berufung gegen das Urteil eingelegt, es ist noch nicht rechtskräftig.

Baustadtrat Marc Schulte (SPD) bleibt bei seiner Befürchtung eines Entschädigungsrisikos im Millionenbereich. Die vom Bezirksamt beauftragten Gutachten würden nicht widerlegt.

Unterdessen hat die Grünen-Fraktion, wie berichtet, die Bezirksverordnete Nadia Rouhani ausgeschlossen, was sie auf ihr Engagement für die Kolonie zurückführt.

In dieser verworrenen Lage geht der Streit um eine Veränderungssperre weiter. Ob Richter, Bezirkspolitiker oder auch die von der BVV angerufene Bezirksaufsicht des Senats das letzte Wort haben werden, scheint noch nicht klar.

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