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Ein (viel zu) seltenes Bild: Polizisten im Görlitzer Park.

© dpa

Gewalt im Görlitzer Park in Berlin: Kreuzberger Großexperiment in Sachen Verwahrlosung

Die Kriminalität im Görlitzer Park in Berlin bedroht inzwischen den ganzen Kiez. Wenn Beamte resignieren, demoralisiert das auch normale Anwohner. Es geht in Kreuzberg um die Rückeroberung des öffentlichen Raumes. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Gerd Nowakowski

Möglicherweise wird der Görlitzer Park mal als Symbol dafür stehen, was sich eine Gesellschaft gefallen lässt, so lange sie sich nicht auf verbindliche Regeln besinnt und diese durchsetzt. Derzeit aber ist dort ein zivilgesellschaftliches Großexperiment in Sachen Verwahrlosung zu beobachten. Der Drogenhandel und die Gewalt haben sich über Jahre entwickelt als Summe vieler Fehler und Versäumnisse – auch einer angeblichen Toleranz, die in Wirklichkeit eine asoziale Ignoranz ist.

Ein zahnloser Staat hat zugesehen, bis der Park kein Erholungsort mehr ist sondern nur noch ein Angstort. Es sind die Dealer und Schläger, deren Regeln im Park gelten; und die das unangefochten tun können, weil die Polizei sich von ihrem Gewaltmonopol verabschiedet hat. Vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass sich die spezielle Ermittlungsgruppe klammheimlich aus Frust über ihre Erfolglosigkeit selbst aufgelöst hat – und der Polizeipräsident nichts davon wusste.

Das ist ein Tiefpunkt, der ein Wendepunkt sein muss. Selbstverständlich können Polizisten nicht das Recht beugen und Dealer in Untersuchungshaft nehmen für Delikte, die keine sind. Aber es ist notwendig, die Hilflosigkeitsspirale zu durchbrechen. Denn die Kriminalität in allen Formen wächst längst über den Park hinaus; sie bedroht den ganzen Kiez. Wenn Beamte resignieren, dann demoralisiert das auch normale Anwohner und entmutigt etwa Kneipenwirte, die sich gegen Dealer stemmen wollen.

Wenn alle sich abwenden, bröckelt der Kitt, der ein friedliches Zusammenleben möglich macht. Es geht deshalb in Kreuzberg um die Rückeroberung des öffentlichen Raumes. Ohne eine Polizei, die über lange Zeit Dauerpräsenz zeigt, geht es ebenso wenig wie ohne eine Bezirksspitze, die endlich die Nöte ihrer Bewohner ernst nimmt, anstatt Coffeeshop-Phantasien nachzuhängen.

Denn das Geschäft funktioniert nur, solange die Dealer sich sicher fühlen können. Wenn an jedem Eingang Polizei steht und abends der Park geschlossen wird, wenn jeder Konsument mit Polizeikontakt und Verhören rechnen muss, dann bleiben bald die Kunden aus. Null Toleranz statt resigniertem Wegschauen: Das wäre mal was Neues. Damit ein wirklich tolerantes Kreuzberg wieder eine Zukunft hat.

Lesen Sie hier auch den Bericht "Am Görlitzer Park eskaliert die Gewalt".

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