zum Hauptinhalt
Immer wieder campieren Obdachlose etwa am Neuköllner Maybachufer. In einigen Fällen soll künftig geräumt werden – das sieht zumindest der neue Leitfaden des Bezirkes vor.

© imago/Travel-Stock-Image

Linke und Grüne kritisieren Leitfaden von CDU-Stadtrat: Berlin-Neukölln will Umgang mit Obdachlosen stärker regulieren

Sozialstadtrat Falko Liecke definiert unter anderem, wo Obdachlose künftig nicht mehr campieren dürfen. Linke und Grüne werfen ihm vor, die Menschen verdrängen zu wollen.

Bereits im März hat der Neuköllner Sozialstadtrat Falko Liecke (CDU) einen Leitfaden zum Umgang mit Obdachlosigkeit herausgebracht. In dem 22-seitigen Dokument wird „unfreiwillige Obdachlosigkeit“ unter anderem als „Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit“ definiert. Das Bezirksamt müsse in derartigen Fällen tätig werden und den Menschen dabei helfen, eine geeignete Unterkunft zu finden, heißt es weiter.

Dazu listet der Leitfaden auch die Rückkehr betroffener Menschen in ihre Herkunftsländer auf. „Ein mittelloser Verbleib in Deutschland ist aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu vermeiden“, heißt es in dem Leitfaden. Außerdem führt die Broschüre Orte an, an denen obdachlose Menschen nicht (mehr) campieren sollen: Dazu zählen etwa die Friedhöfe, aber auch Spielplätze und das Gelände sowie die direkte Umgebung von Kitas und Schulen.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Das gelte vor allem dann, wenn die obdachlosen Menschen Müll rund um ihre provisorischen Unterkünfte verbreiten würden. Bevor eine Obdachlosensiedlung geräumt werden dürfe, müsse den Menschen aber eine alternative Unterkunft angeboten werden, heißt es weiter. Auch insgesamt spricht sich der Leitfaden für mehr Straßensozialarbeit aus.

Bei Obdachlosigkeit gehe es „nicht selten um Menschenleben, ihre körperliche Unversehrtheit und ihre Würde“, teilte Sozialstadtrat Liecke zu dem Leitfaden mit. Obdachlosigkeit, Drogenkonsum und Verwahrlosung würden immer mehr zunehmen beziehungsweise würden die betroffenen Menschen auch sichtbarer werden, weil ihnen Rückzugsräume fehlen.

„Trotzdem wollen nicht alle Betroffenen die Hilfsangebote des Bezirks annehmen. Hilfe nicht anzunehmen, ist ihr gutes Recht. Gleichzeitig ist auch klar, dass die aktuell verfügbaren Angebote vollkommen unzureichend sind. Berlin kann und muss mehr tun, um die Gefahren für obdachlose Menschen abzuwenden“, so Liecke weiter. Zugleich kritisierte er fehlende Unterstützung durch den Senat.

Bei der Bezirksverordnetenversammlung vergangene Woche musste Liecke scharfe Kritik für den Leitfaden einstecken. Die Linksfraktion hatte die Broschüre schon im Titel einer Großen Anfrage als „zivilisatorisches Armutszeugnis“ bezeichnet. Liecke erklärte auf Anfrage des Linken-Verordneten Georg Frankl, dass der Leitfaden sich vor allem mit der unfreiwilligen Obdachlosigkeit beschäftige.

Neu ist mir, dass schon Mittellosigkeit zu einer Gefahr für die öffentliche Ordnung reicht.

Bernd Szczepanski, Verordneter der Neuköllner Grünen und früherer Neuköllner Sozialstadtrat

Wer gegen seinen Willen draußen leben müsste, führe kein menschenwürdiges Leben, sagte Liecke. Anders sei das bei jenen Menschen, die sich freiwillig zur Obdachlosigkeit entschieden hätten: Damit würden sie ihr Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit ausüben.

Allerdings beschrieb Liecke in beiden Fällen verschiedene „Nutzungskonflikte“ im öffentlichen Raum: Denn die Flächen, auf denen obdachlose Menschen campieren, könnten dann womöglich nicht mehr von anderen Menschen genutzt werden. Zudem beschrieb er auch hygienische und gesundheitsgefährdende Aspekte durch Müll rund um die Camps. Auch hier führte Liecke wieder das Beispiel der Spielplätze an.

Wer Hilfe ablehnt, gilt demnach als „freiwillig obdachlos“

Liecke stellte aber auch klar: Wer etwa eine angebotene Unterkunft ablehne, habe kein Recht auf eine andere Unterkunft. Wenn also beispielsweise Menschen kein Zimmer in einer Obdachlosenunterkunft beziehen wollen, weil dort ihre Hunde nicht geduldet werden, muss ihnen dieser Sicht zufolge keine alternative Unterkunft angeboten werden – sie gelten dann als „freiwillig obdachlos“, weil sie Hilfe abgelehnt hätten.

In der anschließenden Debatte warfen Verordnete von Grünen und Linken Liecke vor, dass sein eigentliches Ziel sei, obdachlose Menschen aus dem öffentlichen Raum zu drängen. „Neu ist mir, dass schon Mittellosigkeit zu einer Gefahr für die öffentliche Ordnung reicht“, sagte etwa der Grünen-Verordnete Bernd Szczepanski, der bis 2016 selbst Sozialstadtrat in Neukölln war. Es sei klar, dass gefährdende Menschen etwa von Kinderspielplätzen weggebracht werden müssten. „Es ist aber schon lange gängige Praxis, dass da Ordnungsbehörden eingreifen, dafür braucht es keinen Sozialstadtrat der CDU“, so Szczepanski.

Liecke konterte, dass der Punkt nicht die Räumung sei, sondern die dauerhafte Unterbringung der Menschen. Dabei würde vor allem auch das Präventionsteam gegen Wohnungslosigkeit tätig, das sein Vorgänger im Sozialamt, Jochen Biedermann (Grüne), eingerichtet hatte.

Zudem kündigte Liecke an, dass derzeit geprüft würde, ob ein sogenannter Safe Place für Obdachlose auch in Neukölln eingerichtet werden könnte: Dabei leben vormals obdachlose Menschen in Holzhäuschen auf einer geschützten Fläche. Ein erstes derartiges Projekt wurde kürzlich in Friedrichshain eröffnet. In Neukölln sei das Gelände der „Teupe“ an der Teupitzer Straße im Gespräch, sagte Liecke. Dort betreibt der soziale Träger Kubus unter anderem eine Kältehilfestation.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false