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Alexandra und Nico Haase lernten sich am Gangway-Container auf dem Skaterplatz im Märkischen Viertel lieben.

© Saskia Kabelitz

Hochzeitsgefühle am Berliner Skaterplatz: „Bis sie ihr Leben in die Hand nehmen“ – Dieser Ort hilft Jugendlichen und Streetworkern

Die Straßensozialarbeiter von Gangway sind im Märkischen Viertel viel beschäftigt. Eines ihrer wichtigsten Projekte blickt zurück auf zehn Jahre Geschichte.

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Was vor zehn Jahren mit einer kleinen Werkzeugkiste begann, ist inzwischen ein zentraler Bestandteil der Straßensozialarbeit von Gangway im Märkischen Viertel: die Toolbox. Ein schwarzer Container abseits des Skaterplatzes „Plaza“ gefüllt mit BMX Bikes, Scootern, Skateboards, Gesellschaftsspielen und Werkzeug.

Hier können Jugendliche von Mai bis September jeden Freitag Fahrgeräte ausleihen oder ihre eigenen Geräte reparieren – alles komplett kostenlos. Ganz im Sinne des sogenannten „Peer-to-Peer“-Ansatzes: Erfahrene Jugendliche geben ihr Wissen an unerfahrenere Jugendliche weiter, sowohl bei der Reparatur, als auch beim richtigen Umgang mit den Geräten.

Der Skaterplatz „Plaza“ im Märkischen Viertel hilft Jugendlichen - und Streetworkern.

© Saskia Kabelitz

Anlässlich des Jubiläums wurde am vergangenen Freitag mit Musik, Ballons und einem Buffet gefeiert. Auch Jugendstadtrat Alexander Ewers (SPD) nahm teil. Er lobte in einer kurzen Ansprache das Engagement und betonte, dass das Projekt „über den Bezirk hinaus strahlt“. In diesem Sinne freue er sich „auf die nächsten zehn Jahre“.

Ausgezeichnete Straßensozialarbeit

Von Anfang an mit dabei ist Streetworker Murat Drayef. Er wuchs selbst im Märkischen Viertel auf und ging dort zur Schule. Seine Eltern kamen als sogenannte Gastarbeiter aus der Türkei und Tunesien nach Berlin. „Wir waren die ersten Ausländer hier“, erzählt Drayef.

Streetworker Murat Drayef lebt selbst seit 1977 im MV.

© Saskia Kabelitz

Er und seine Kolleginnen und Kollegen von Gangway sind seit Jahren auf den Straßen des Bezirks unterwegs, sprechen mit Jugendlichen und unterstützen sie „so lange, bis sie ihr Leben selbst in die Hand nehmen“. Je nach Bedarf umfasst das die unterschiedlichsten Bereiche. Probleme bei der Jobsuche, Liebeskummer oder Ärger mit der Familie oder der Polizei – Drayef und seine Kolleginnen und Kollegen haben für alles ein offenes Ohr. Dafür erhielt das Team 2020 den Integrationspreis des Bezirks.

Ihre Zielgruppe sind Jugendliche und junge Erwachsene, „die von anderen Institutionen nicht erreicht werden – oder nicht erreicht werden wollen“, erklärt Drayef. Diesen Jugendlichen wollen die Streetworker helfen, „vom Rand der Gesellschaft in die Mitte der Gesellschaft“ zu finden. Dabei weiß der 54-Jährige wovon er redet, er war selbst als Jugendlicher Teil einer Straßengang.

Die große Liebe auf dem Skaterplatz

Im Inneren der Toolbox stapeln sich Skateboards, Scooter und BMX Bikes.

© Saskia Kabelitz

Bevor 2013 der Skaterplatz am Senftenberger Ring eröffnet wurde, traf sich die Skaterszene vor dem nahegelegenen Fontane-Haus. Das sorgte regelmäßig für Unmut, weshalb die Jugendlichen immer wieder verscheucht wurden. Einer von ihnen war Nico Haase. Als entschieden wurde, in Zusammenarbeit mit den Jugendlichen einen Ersatz zu schaffen, war auch der damals 20-Jährige bei der Planung beteiligt.

Inzwischen ist er 33 Jahre alt, aber er erinnert sich noch gut an die Zeit. Als Gangway zu Beginn immer wieder auftauchte, seien er und seine Freunde anfangs skeptisch gewesen, erzählt er: „Was wollen die denn hier?“. Doch dann seien sie schnell „dicke geworden“, sagt Haase. Und so seien sie „gemeinsam gewachsen – ich an ihnen, und sie an mir“.

Am Skaterplatz bekam er ihre Telefonnummer

Eines der ersten Projekte, was sich Haase und andere Jugendliche vor Ort wünschten, war ein Contest, bei dem sie gegeneinander antreten konnten. Gangway unterstützt seither jährlich die Organisation und stellt die Preise bereit.

Für Nico Haase ist der Skaterplatz ein ganz besonderer Ort. Nicht nur, weil er hier seine Jugend auf Rollen verbrachte, sondern auch, weil er hier seine „große Liebe“ fand, erzählt er. Durch einen ehemaligen Klassenkameraden traf er auf dem „Plaza“ Alexandra und holte sich ihre Telefonnummer. Für eines ihrer ersten Treffen waren die beiden zum Schwimmen in Lübars.

Als er Jahre später entschloss, den nächsten Schritt gehen zu wollen, wusste er, es gibt nur einen optimalen Ort dafür: den Skaterplatz. Dafür nutzte er den damaligen Contest als Tarnung. Er erzählte Alexandra, es sei das letzte Mal, dass er teilnehme, und deshalb wolle er Freunde und Familie vor Ort haben. Am Ende fragte er sie vor der versammelten Menge, ob sie ihn heiraten wolle. Und sie sagte ja. Letztes Jahr wurden die beiden Eltern und dieses Jahr folgte nach sieben Jahren Beziehung die Hochzeit in Lübars.

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