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Berlin mit freiwilligem Engagement besser machen: Kai Wegner und Anne Jeglinski vom Paritätischen Wohlfahrtsverband Berlin.

© Holger Gross/Paritätischer Wohlfahrtsverband LV Berlin e. V.

Über Nistkästen und bürokratische Hürden: Was wären Berliner Kieze ohne freiwilliges Engagement?

Bei einer inklusiven Mitmachaktion in der „Fabrik“ im Wedding zum Auftakt der Freiwilligentage stellte sich Berlins Bürgermeister den Fragen der Engagierten – und baute selbst mit.

Stand:

Anpacken, anderen helfen – und das freiwillig. Ab dem heutigen Freitag wird in Berlin elf Tage lang wieder „Gemeinsame Sache“ gemacht. Zum Start der Berliner Freiwilligentage hat der Regierende Bürgermeister Kai Wegner selbst Hand an die Bohrmaschine gelegt.

Im Hof der Fabrik Osloer Straße in Berlin-Mitte wurden mit Vertreter:innen des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes und Engagierten Nistkästen für die „gefiederte Nachbarschaft“ gebaut. Zugesägt wurden die fertigen Holzteile bereits vom Bildungsträger „puk a malta“. Die Seitenteile müssen also nur passend aneinander gesteckt und dann fest gebohrt werden. Ein bisschen Bohrgeräusch – passt.

Nistkastenbau mit Bohrer: Berlins Bürgermeister Kai Wegner bei der Mitmachaktion in der Fabrik Osloer Straße.

© Holger Gross/Paritätischer Wohlfahrtsverband LV Berlin e. V.

Auch zu Gast im Stadtteil- und Familienzentrum: Schüler:innen der Wilhelm-von-Türk-Schule aus Potsdam, um Vogelhäuschen für den Schulgarten zu bauen. Die Schule hat die Förderschwerpunkte „Hören“ und „Sprache“ und dank ehrenamtlicher Dolmetscher:innen für Deutsche Gebärdensprache wurde die Mitmachaktion für die Kinder inklusiv. Frederike Schinzler vom Berufsverband der Gebärdensprachdolmetschenden Berlin/Brandenburg (BGBB) ist eine von ihnen. Die Fabrik bietet viele Angebote für gehörlose Menschen an: Spiele- und Nähabende, auch einen Kung Fu Kurs gab es schon.

Dolmetscherinnen für Gebärdensprache: Frederike Schinzler vom BGBB, Kerstin vom Stadtteilzentrum und Janet Lehnert, Erzieherin.

© Corinna von Bodisco

Das Stadtteilzentrum hat eine lange Historie. Seit den 1970er-Jahren engagieren sich auf dem Gelände verschiedene Gruppen, etwa mit einem Jugendladen und einer Wohnwerkstatt. Heute beherbergt der Verein Fabrik Osloer Straße e.V. soziale, kulturelle und Bildungs-Projekte. Auch das „Labyrinth Kindermuseum Berlin“ ist dort angesiedelt.

Ein Ort mit Geschichte: Die Fabrik Osloer Straße beherbergt viele soziale und kulturelle Projekte und positioniert sich u. a. gegen Rassismus, Faschismus und Antisemitismus.

© Corinna von Bodisco

Doch jedes Jahr muss die staatliche Förderung neu beantragt werden. Die jährlich befristete Förderung, der Bürokratiezuwachs sowie die Kürzungen waren Themen der Gesprächsrunde, die der Regierende mit den Engagierten führte.

Bei solchen Einrichtungen darf nicht gekürzt werden. Wenn wir solche Orte nicht hätten, gäbe es keinen Zusammenhalt.

Kai Wegner, Regierender Bürgermeister Berlin

Was für ihn klar zu sein scheint: „Bei solchen Einrichtungen darf nicht gekürzt werden. Wenn wir solche Orte nicht hätten, gäbe es keinen Zusammenhalt“, sagte er. Bereits Anfang des Jahres war Wegner zu Gast in der Fabrik und zeigte sich vom Stadtteilzentrum beeindruckt. Ohne Ehrenamtliche würde in Berlin vieles nicht funktionieren.

Es gibt aber einige bürokratischen Hürden für Engagierte. Genehmigungen, etwa für Kiezfeste, bräuchten etwa acht Wochen Vorlauf, sagte Stadtteilkoordinatorin der Fabrik, Maike Janssen. Außerdem sei das Prozedere „relativ teuer“. Wegner zeigt Verständnis, es müsse eine Art Trennlinie zu kommerziellen Festen gezogen werden.

In puncto jährlich befristet Förderung sprach sich Wegner dafür aus, „bewährten“ Trägern, also solchen wie der Fabrik in der Osloer Straße, zumindest zwei oder drei Jahre Förderung zu gewähren.

Wir müssen es schaffen, dass jeder denkt: Wow, ich kriege etwas dafür.

Anne Jeglinski, Leiterin der Geschäftsstelle Bezirke, Paritätischer Wohlfahrtsverband LV zum Ehrenamt.

Und wie könnte Engagement mehr wertgeschätzt werden? Anne Jeglinski vom Paritätischen Wohlfahrtsverband gibt praxisnahe Antworten: eine Ausweitung der Ehrenamtskarte, eine Anerkennung solcher Tätigkeiten im Studium und einen höheren Stellenwert in den Schulen. „Wir müssen es schaffen, dass jeder denkt: Wow, ich kriege etwas dafür.“

Benjamin Vrucak, Leiter der Freiwilligenagentur Mitte, erwähnt die „Hindernisse“, die Freiwillige davon abhalten könnten, sich zu engagieren. Sei es die Fahrkarte, die Rahmenbedingungen – es würde helfen, beim „öffentlichen Handeln das Engagement mitzudenken“. Viele Vereine und ehrenamtliche Strukturen benötigten Räume, auf der anderen Seite stünden Schulen abends leer und könnten genutzt werden. Wegner stimmt zu, notiert sich die Idee.

Das Tun der Freiwilligenagenturen erklärt Vrucak so: „Wir sind Demokratielabore und bringen Menschen zusammen, die sich sonst nicht treffen würden.“ In allen zwölf Berliner Bezirken gibt es Freiwilligenagenturen, die freiwillige Helfer:innen und Hilfesuchende zusammenbringen.

Am Ende der Veranstaltung wurde Wegner das neue „Empfehlungspapier“ des Paritätischen Wohlfahrtsverbands Berlin und der Landesfreiwilligenagentur Berlin überreicht. Mit dem Papier würden „praxisnahe Handlungsempfehlungen“ an die Politik und die Verwaltung gerichtet. „Die Vision: Ein Berlin, in dem eine starke Demokratie durch vielfältiges und engagiertes Miteinander gefestigt wird“, heißt es. 

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