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In der Jagowstraße 15 in Spandau war 9. April ein Brand ausgebrochen.

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Update

Bombendrohung kam von Spandauer Hausbewohner: Brandstiftung, Drohanrufe – Razzia in linkem Berliner Hausprojekt

Wende im Fall „Jagow 15“: Am Freitag durchsuchte die Polizei eine Wohnung in dem Haus. Ermittelt wird gegen einen 19-jährigen Bewohner wegen eines Drohanrufs.

Bombendrohungen, Brandstiftungen und böser Verdacht – im Fall des linken Hausprojekts „Jagow 15“ in Berlin-Spandau waren Rechtsextremisten hinter den Attacken vermutet worden. Nun stellt sich heraus: Auch ein Bewohner des Hauses selbst könnte für einige der Taten verantwortlich sein.

Am Freitagmorgen ab 8 Uhr rückten Ermittler des Staatsschutzes des Landeskriminalamtes (LKA) in Spandau an, sie durchsuchten die Wohnung und den Keller eines 19 Jahre alten Bewohners. Im Zuge der Ermittlungen gegen den Mann hatte die Staatsanwaltschaft einen Durchsuchungsbeschluss erwirkt.

Gegen den Mann war zunächst wegen des dringenden Tatverdachts der Brandstiftung ermittelt worden. Er war laut Polizei am Morgen vorläufig festgenommen worden, die Beamten stellten Beweismittel sicher.

Am Nachmittag ist der 19-Jährige von der Polizei wieder entlassen worden. Es bestehe der dringende Verdacht der Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten, dabei handelt es sich um einen Drohanruf.

„Der Verdacht, dass er Brandanschläge in dem Haus, in dem er selbst wohnt, begangen hat, konnte nicht konkretisiert werden“, teilte die Staatsanwaltschaft am Freitagnachmittag mit.

Anfang Mai war gegen das linksalternative Wohnprojekt nachts zum wiederholten Male eine anonyme Bombendrohung eingegangen. Ein bis dahin Unbekannter hatte mit der Explosion eines Sprengsatzes gedroht. Die Polizei räumte das Haus, die 35 Bewohner mussten das Gebäude verlassen. Die Beamten fanden aber nichts.

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In der Vergangenheit waren die Bewohner des Hauses mehrfach bedroht worden. Die Polizei zählte seit Februar zwei Brandstiftungen, mehrere Sachbeschädigungen und Bedrohungen. Beim Staatsschutz des LKA übernahmen Ermittler, die für politisch motivierte rechte Kriminalität zuständig sind, den Fall.

Es wurde und werde weiter in alle Richtungen ermittelt, teilten Staatsanwaltschaft und Polizei am Freitag mit. Dabei habe sich der Verdacht gegen einen Bewohner des Hauses ergeben.

Die „Jagow 15“ war mehrfach Ziel von Straftaten

Das Wohnprojekt „Jagow 15“ ist Teil des „Mietshäuser Syndikats“, das ist ein Verbund von über 150 autonomen, selbstverwalteten Mietshäusern, Hausprojekten und Projektinitiativen in ganz Deutschland.

In Berlin gibt es insgesamt 20 solcher Wohnprojekte. Das Konzept der Organisation sieht vor, Mietshäuser im Kollektiv zu kaufen und dadurch bezahlbaren und „selbstbestimmten“ Wohnraum zu schaffen.

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Auf der Website heißt es über das Spandauer Mietshaus: „Die Jagow 15 im Berliner Bezirk Spandau ist das Zuhause verschiedenster Individuen aus vielen Generationen, Kulturen und Lebensarten.“ Nach eigenen Angaben leben etwa 30 Menschen in dem seit Jahrzehnten bestehenden Spandauer Hausprojekt.

Das Haus war bereits mehrfach Ziel von Straftaten. Im Februar waren laut Polizei mehrere Schriftzüge im Umfeld des Hauses aufgetaucht, die „eine rechtsextremistische Konnotation zum Inhalt hatten“.

Im April brannte es zwei Mal in dem Haus in Spandau

So war zu Jahresbeginn mehrmals der Schriftzug „Arbeit macht frei“ im Umfeld des Hauses entdeckt worden, wie Bewohner berichteten. Mehrere Konzentrationslager der Nationalsozialisten trugen diesen Satz auf ihren Eingangsportalen. Darüber hinaus sollen immer wieder politische Sticker und Plakate des Hausprojektes entfernt oder mit goldener Farbe übersprüht worden sein. 

Rechtsextreme Schmierereien tauchten im Februar im Umfeld des Hauses auf.
Rechtsextreme Schmierereien tauchten im Februar im Umfeld des Hauses auf.

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Anfang April hatten unbekannte Täter im Hausflur Möbel angezündet, darunter ein hölzernes Küchenregal sowie ein Sofa. Mieter löschten das Feuer. Ein 21-jähriger Mieter war aus einem Fenster im ersten Stock gesprungen, um sich zu retten. Er wurde leicht verletzt ins Krankenhaus gebracht. Zuvor waren Schmierereien mit einem rechtsextremen Hintergrund im Haus entdeckt worden.

„Vermutung, dass hinter den Angriffen eine rechtsextreme Koordination steht“

Mitte April wurden zwei alte Autos im Innenhof angezündet und von dem Feuer zerstört. Ein Carport aus Holz und ein Schuppen brannten ebenfalls ab. Die Polizei schloss einen politisch motivierten Brandanschlag nicht aus. Kurz danach gab es eine Bombendrohung.

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Die Bewohner erklärten nach der Brandstiftung in einer Mitteilung: „Wir sind geschockt davon, wie organisiert unser Haus terrorisiert wird. Die Geschehnisse der letzten Tage stärken die Vermutung, dass hinter den Angriffen eine rechtsextreme Koordination steht.“

Und weiter erklärte das linke Hausprojekt: „Das Vorgehen der Täter ist bekannt. Egal ob im Neukölln-Komplex, beim NSU 2.0 oder jetzt in Spandau. All diese Anschläge sind skrupellos und nicht hinnehmbar“.

Er war sogar spekuliert worden, dass die Hauptverdächtigen im Neukölln-Komplex mit zahlreichen Anschlägen auch für die Attacken in Spandau verantwortlich sein könnten. Durch den Verdacht gegen einen der Hausbewohner hat der Fall nun eine neue Wendung genommen.

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