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Brandenburg, Jänschwalde: Farbenprächtig leuchten die Wolken im Sonnenuntergang über den Kühltürmen des Braunkohlekraftwerks Jänschwalde der Lausitz Energie Bergbau AG (LEAG) neben dem ein Windrad steht. Die Braunkohle wird im nahen Tagebau Jänschwalde gefördert.

© dpa/Patrick Pleul

Braunkohle-Stopp in Jänschwalde: Leag äußert Sorge um Energieengpässe nach Tagebau-Urteil

Umweltschützer bekommen Recht. Der Tagebaubetreiber Leag pumpte rechtswidrig so viel Wasser ab, wie in den Müggelsee passt – sechsmal.

Für den Tagebau- und Kraftwerksbetreiber Leag ist es ein schwerer Schlag, der massive Folgen für die Stromversorgung in der Region haben könnte: Das Verwaltungsgericht Cottbus hat entschieden, dass Leag die Förderung der besonders klimaschädlichen Braunkohle aus dem Tagebau Jänschwalde ab dem 15. Mai vorläufig aussetzen muss. Der Grund: Für den Tagebau fehlt die wasserrechtliche Erlaubnis, um die nötige Menge an Grundwasser zu fördern.

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) und der Verband Grüne Liga hatten beim Gericht einen Eilantrag gegen den im Februar 2020 vom brandenburgischen Landesbergbauamt genehmigten Hauptbetriebsplan für den Tagebau für die Jahre 2020 bis 2023 eingereicht. Und die Richter haben nun entschieden: Der Zulassungsbescheid des Landesbergbauamts sei „voraussichtlich als rechtswidrig“ anzusehen. „Die Fortführung des Tagebaus Jänschwalde steht im Widerspruch mit den sich aus umweltrechtlichen Vorschriften ergebenden Anforderungen.“ Die Behörde hätte den Betriebsplan nicht zulassen dürfen, weil „die erforderliche wasserrechtliche Genehmigung nicht vorliegt“.

Der Fall ist auch politisch brisant und offenbart den über Jahrzehnte nachsichtigen Umgang von Landesregierung und Behörden mit den Unternehmen bei den riesigen Kohlegruben, dem massiven Eingriff in den Wasserhaushalt und der klimaschädlichen Verstromung der Kohle. Das Bergbauamt hatte den Tagebauplan genehmigt, obwohl der Behörde und dem Betreiber klar war, dass weitaus mehr Wasser aus der Grube gepumpt werden muss, um den Grundwasserspiegel zu senken, als es die bereits 1996 erteilte Abpumpgenehmigung vorsieht. Ausdrücklich stellte das Gericht nun eine „eine rechtswidrige Vollzugspraxis“ fest.

"Erkennbar und unstreitig" zu viel Wasser abgepumpt

Damit sich die riesigen Bagger durch das Lausitzer Revier buddeln können, darf kein Wasser in den Gruben stehen. Doch die 1996 genehmigte Wassermenge, die abgepumpt werden darf, reicht bei weitem nicht aus, um den Tagebau sicher zu betreiben, wie das Gericht nun feststellte. Damit fehlte dem Hauptbetriebsplan die Voraussetzung.

Aus den Leag-Unterlagen geht laut Gerichtsbeschluss hervor, „dass monatlich über 200 Kubikmeter pro Minute Grundwasser gefördert werden, mithin eine Jahreswassermenge von circa 105 Millionen Kubikmeter im Raum steht“. Damit seien die erlaubten Werte „erkennbar und letztlich unstreitig überschritten“. Für die Jahre 2020 bis 2022 sei in der Erlaubnis von 1996 nur eine eine „mittlere Wasserhebungsmenge von 80 und 50 Kubikmeter pro Minute für die nachfolgenden Jahre benannt“, für das Jahr 2020 waren es 42 Millionen Kubikmeter, in den beiden folgenden Jahren jeweils 26 Millionen Kubikmeter.

Sechsmal der Müggelsee

Nach den Recherchen der beiden klagenden Umweltverbände pumpt der Konzern Leag für den Betrieb des Tagebaus seit Jahren deutlich mehr Grundwasser ab, als erlaubt. Zwischen 2017 und Oktober 2021 sollen insgesamt 240 Millionen Kubikmeter Wasser rechtswidrig abgepumpt worden sein. Das entspricht mehr als dem Sechsfachen der Wassermenge des Müggelsees. Die Umweltschützer sprachen von einem „Schwarzbau“.

Der Energiekonzern muss nun ab dem 15. Mai die Braunkohle-Förderung im brandenburgischen Tagebau Jänschwalde vorläufig stoppen. Das Gericht gewährt die zweimonatige Frist, weil eine sofortige Einstellung dazu führen würde, dass die Standsicherheit der Technik und die Grube selbst gefährdet wären. Ein sofortiger Stopp wäre ebenso rechtswidrig, stellte das Gericht fest. Der Betreiber könnten die nötigen Vorkehrungen für eine Stilllegung „nicht rechtskonform durchführen“. Eine mögliche Fortsetzung des Tagebaus, für den ein neuer Betriebsplan ab 2023 bereits beantragt ist, und auch die Sicherung der Böschungen vor einem Abbruch wären bei einem Sofortstopp nicht möglich. Zudem wies das Gericht auf den weiterhin bestehenden Bedarf an Braunkohlestrom hin, die Kapazitäten seien aktuell ausgelastet, der Bedarf groß, weil der überwiegende Teil des verstromten Erdgases aus Russland komme.

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Leag selbst prüft, gegen den Beschluss vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG) Beschwerde einzulegen. Wegen der „geotechnischen Sicherheit“ müsse vorerst das Abpumpen von Grundwasser unvermindert weitergehen. Für den Sicherungsbetrieb werde ein Teil der Belegschaft in Jänschwalde verbleiben, die übrigen Beschäftigen würden auf andere Tagebaue verteilt.

Leag-Bergbauvorstand Phillipp Nellessen beklagte, gerade vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs „weitreichende Folgen“ für die Versorgungssicherheit bei Strom und Wärme. Angesichts der aktuell angespannten Situation auf den Energiemärkten mit weiterhin steigenden Energiepreisen sei es sehr kritisch, die Kohleförderung in Jänschwalde zu stoppen. Darüber hinaus sieht der Leag-Vorstand auch „gravierende Auswirkungen für die Natur und die Strukturentwicklung in der Region“. Denn der Stopp könnte dazu führen, dass die künftige Gestaltung der Bergbaulandschaft ganz neu geplant und genehmigt werden müsse, teilte das Unternehmen mit.

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Dieses „Szenario“ würde sogar dazu führen, dass noch mehr Grundwasser abgepumpt werden müsse – weil die neuen Planungs- und Genehmigungsprozesse fünf Jahre dauern könnten. „In diesem Zeitraum müssten wir etwa 500 Millionen Kubikmeter Wasser heben, was wir gern vermeiden würden“, sagte Nellessen.

Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) will die Folgen eines Stopps für Verbraucher möglichst gering halten. „Ich hoffe, dass wir direkte Auswirkungen vermeiden können“, sagte er. Bis Mitte Mai werde die Heizsaison vorbei sein. Das Urteil komme aber nicht völlig überraschend, insofern sei man nicht gänzlich unvorbereitet. „Wir müssen mit dem leben, was jetzt verkündet worden ist.“ Der Leag-Konzernbetriebsrat reagierte mit „großem Unverständnis“ auf den Gerichtsbeschluss und erklärte: „Das ist ein Urteil, das die Stromversorgung in Deutschland unsicherer und teurer macht. Das gilt ganz besonders mit Blick auf den kommenden Winter.“ (mit dpa)

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