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Ermittler nach einer Razzia bei einem Mitglied einer arabischen Großfamilie in Berlin im September

© Paul Zinken/dpa

Bürger debattieren über Neuköllns Clans: "Datenschutz wirkt wie Täterschutz"

Eine Parallelwelt, mitten in Neukölln: In Britz wurde über den Umgang mit kriminellen Clans diskutiert. Mit dabei: Ex-Bezirksbürgermeister Buschkowsky.

Die Parallelwelt arabischer Clans aus Neuköllns Norden ist im bürgerlichen Süden des Bezirks angekommen. Zumindest am Mittwoch. An das Schloss Britz, genauer in den „Ochsenstall“ im Gutshof nebenan, hatte die Neuköllner CDU zur Bürgerversammlung geladen. „Was ist in den vergangenen Jahren versäumt worden?“, fragte der örtliche CDU-Chef und Neuköllns Jugendstadtrat, Falko Liecke. „Und passiert im Kampf gegen kriminelle Clan-Mitglieder nun genug?“

Auf dem Podium saßen Ex-Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky, pikanter – und bekannterweiser SPD-Mann, daneben der frühere Polizeipräsident Klaus Kandt und Oberstaatsanwalt Jörg Raupach. „Viele Jahre wollte keiner hören, dass wir es mit gut organisierten Kriminellen zu tun haben“, sagte Buschkowsky. „Ich wurde in meiner Partei aufgefordert, darüber zu reden, wo die Integration gelungen ist – und nicht über die Probleme.“

Kampf gegen kriminelle Clanmitglieder soll intensiviert werden

Erst am Dienstag hatte Innensenator Andreas Geisel (SPD) angekündigt, den Kampf gegen kriminelle Mitglieder arabischstämmiger Clans zu intensivieren. Bei einem Treffen mit leitenden Ermittlern und Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) sowie Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) war ein Fünf-Punkte-Plan beschlossen worden. Kern ist die ressortübergreifende Zusammenarbeit in einer neuen Koordinierungsstelle beim Landeskriminalamt. Zudem soll es mehr Gewerbe- und Finanzkontrollen zur Verhinderung von Geldwäsche geben.

Dazu kommt eine Spezialabteilung der Staatsanwaltschaft zur Abschöpfung kriminellen Vermögens. Auch kleinere Verstöße sollen konsequenter verfolgt werden: falsches Parken, Verstöße gegen Bestimmungen in der Gastronomie, womöglich Ruhestörung. Als schwieriger dürfte sich der letzte Punkt erweisen: Junge Männer sollen von einer kriminellen Karriere abgeschreckt, anderen Wege zum Ausstieg geboten werden. Die bekannten deutsch-arabischen Familien sind groß, der interne Zusammenhalt ist traditionell eng.

"Man bräuchte 50 Ermittler mehr"

Kandt und Raupach berichteten, dass Männer aus den bekannten Clans mit den vorhandenen Mitteln schwer verfolgt werden können: Oft reiche es für Verurteilungen nicht. Kandt, noch vor einem Jahr der Polizeipräsident, sagte: Man habe zu seiner Zeit viel Personal hin- und hergeschoben: „Allein bei den zuständigen Ermittlern bräuchte man mindestens 50 Leute mehr.“

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Dazu kämen noch Beamte für den nötigen Zeugenschutz. Buschkowsky fiel zur schwierigen Lage der Strafverfolger noch Folgendes ein: In der organisierten Kriminalität, also unter daueraktiven Mehrfachtätern, wirke Datenschutz wie Täterschutz. Tatsächlich, das berichten Lehrer, Polizisten und Finanzbeamte immer wieder, würden Informationen zu einem bestimmten Intensivtäter selten zusammengeführt. Diverse Vorschriften verhinderten, dass alle Behörden auf dem gleichen Stand seien.

So ganz fern ist die Gewalt deutsch-arabischer Großfamilien im beschaulichen Britz übrigens nicht. Im September ist am Britzer Damm aus einem fahrenden Auto auf zwei Männer einer Großfamilie vor einem Wettcafé geschossen worden. Ein Mann im Mercedes verfolgte die Täter – die schossen auf ihren Verfolger. Berlins wohl bekanntester Intensivtäter Nidal R. soll auch dort gewesen sein.

R. wurde ein paar Tage danach am Tempelhofer Feld erschossen. Im Mai schlugen in Britz zudem mutmaßlich drei Heranwachsende eines anderen Clans einen früheren Geschäftspartner tot.

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