zum Hauptinhalt
15.08.2024, Berlin: Eine Polizeibeamtin geht im Ostbahnhof aus einer Anlaufstelle der Bundespolizei, in der Frauen, die Opfer von Gewalt geworden sind, Beratung und Unterstützung erhalten können. Foto: Sebastian Christoph Gollnow/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

© dpa/Sebastian Gollnow

Bundesweit erste Anlaufstelle der Bundespolizei : So sollen Frauen in Berlin besser vor häuslicher Gewalt geschützt werden

Immer mehr Menschen werden Opfer häuslicher Gewalt – die meisten davon sind Frauen. Innenministerin Nancy Faeser hat eine neue Anlaufstelle eröffnet.

Stand:

Im Schnitt alle vier Minuten werde eine Frau in Deutschland Opfer häuslicher Gewalt. Das sei „unerträglich“, sagt Innenministerin Nancy Faeser (SPD). Am Donnerstag eröffnete sie am Berliner Ostbahnhof die bundesweit erste Anlaufstelle der Bundespolizei zum Schutz von Frauen vor Gewalt.

Die Anlaufstelle wird rund um die Uhr, 24 Stunden am Tag, von Polizistinnen betreut. Frauen sollen hier die Möglichkeit haben, sich möglichst niedrigschwellig an die Polizei zu wenden. Sie werden beraten, können Fälle anzeigen und auch Schutz finden. „Niemand sollte sich schämen, Opfer von Gewalt geworden zu sein“, sagte Faeser. Die Schuld liege immer beim Täter.

Der Ort ist dabei bewusst gewählt: „Man kann immer einen Grund finden, warum man zum Bahnhof geht – ohne, dass sofort ersichtlich wird, dass man sich an die Polizei wendet“, sagte Faeser. Zudem sei der Ostbahnhof einer der Bahnhöfe mit dem meisten Publikumsverkehr in Berlin.

Die Stelle solle ein weiteres Angebot zu schon bestehenden sein: Auch die Berliner Polizei hat in allen Direktionen speziell geschulte Beamtinnen und Beamte, die Betroffene häuslicher Gewalt rund um die Uhr betreuen. Dazu gibt es unabhängige Hilfsangebote für Frauen, in Berlin etwa die Hotline der Initiative gegen Gewalt an Frauen (BIG).

Deutschlandweit wurden 2023 mehr als 250.000 Menschen Opfer häuslicher Gewalt, mehr als 70 Prozent davon waren Frauen. Gerade Frauen erleben die Gewalt durch ihren Partner oder durch Ex-Partner. Das sei ein Anstieg von rund 20 Prozent über die vergangenen fünf Jahre hinweg, sagte Faeser. „Und das Dunkelfeld ist vermutlich noch deutlich größer.“ Denn ein großer Teil der Vorfälle würde vermutlich nie angezeigt.

Daher sei es wichtig, die Hemmschwelle zu senken, betonte Faeser. Sie hoffe, „dass Frauen, die Opfer einer Gewalttat geworden sind oder bedroht werden, sich hierdurch schneller der Polizei anvertrauen können“. So sollen auch mehr Täter strafrechtlich verfolgt werden.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) bei der Eröffnung der Anlaufstelle der Bundespolizei „Gewalt gegen Frauen“.

© dpa/Sebastian Gollnow

Der Weg zu der Anlaufstelle selbst wirkt noch etwas improvisiert: Über den Eingang der Bundespolizeidirektion im östlichen Teil des Bahnhofs geht es über ein dunkles Treppenhaus in den ersten Stock. In einem realen Fall sollen die Frauen direkt von einer Beamtin unten abgeholt und dann in den Gesprächsraum begleitet werden.

Der ist mit gelben Sesseln und einer Kaffeemaschine ausgestattet, um eine möglichst angenehme Gesprächsatmosphäre abseits der grellen Büroflure zu ermöglichen. Dass alles noch etwas improvisiert wirkt, ist wohl der relativ kurzen Vorbereitungszeit geschuldet: Kurz vor Beginn der Fußball-Europameisterschaft hatte das Innenministerium die Gründung der Anlaufstelle beschlossen, sagt eine Sprecherin der Bundespolizei.

Niemand sollte sich schämen, Opfer von Gewalt geworden zu sein.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser über häusliche Gewalt

Innerhalb von zwei Monaten seien dann Kolleginnen rekrutiert und der Raum vorbereitet worden. Die aktuell zehn Beamtinnen der Anlaufstelle hätten sich alle freiwillig gemeldet, sagt die Sprecherin. Sie wurden speziell geschult, auch durch Kontakte zu Opferschutzeinrichtungen wie dem „Weißen Ring“, die umfangreiche Erfahrungen mit Betroffenen häuslicher Gewalt haben.

In der Anlaufstelle soll die Anzeige aufgenommen werden. Danach sollen die Frauen an Beratungseinrichtungen vermittelt werden. Dazu liegen diverse Flyer aus, bislang vor allem in Deutsch und Englisch. Auf die Frage, ob auch Informationen in anderen Sprachen geplant seien, verweist ein Sprecher der Bundespolizei auf die Testphase: Man müsse erst einmal sehen, wie das Angebot angenommen würde und was tatsächlich gebraucht wird. Sprachmittler:innen stünden allerdings bei Bedarf rund um die Uhr zu Verfügung.

Die Anlaufstelle ist als Pilotprojekt zunächst auf ein Jahr angelegt. Ihr soll eine zweite in Köln folgen. Je nachdem, wie die beiden Stellen angenommen würden, wird auch über weitere entschieden. Die Finanzierung sei auch über das Jahr 2025 hinaus gesichert, versichert ein Sprecher des Innenministeriums.

Das betreffe auch die Frage der Personalausstattung: Zunächst soll die Kontaktstelle jeweils mit einer Kollegin, zusätzlich zu den normalen Bundespolizist:innen, besetzt sein. Auch hier könne man aber flexibel aufstocken, wenn der Bedarf größer sei, sagte ein Sprecher.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })