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In Berlin streikt die BVG am Donnerstag und Freitag.

© imago/Bernd Friedel/imago/Bernd Friedel

Zwei Tage BVG-Streik: Arme, Alte, Arbeiter – die Schwächsten leiden

Waren die Streiks früher wilder? 2008 fuhr die BVG fast sechs Wochen lang nicht. Das könnte sich wiederholen. Dem Senat scheint alles egal zu sein.

Jörn Hasselmann
Ein Kommentar von Jörn Hasselmann

Stand:

Verdammt lang her: 2008 war es, als die BVG 40 Tage nicht fuhr. Bestreikt von Verdi. In Wellen, sechs Wochen lang. Teilweise wild, unangekündigt. Gerichte wurden angerufen, verboten wilde Aktionen. 17 Jahre ist das her, in denen wir vergessen haben, wie ein Arbeitskampf wirklich aussehen kann.

Seitdem stand die BVG immer mal wieder an einzelnen Tage still, jeweils angekündigt von der Gewerkschaft. Jetzt also zwei Tage. Ab Donnerstag früh 3 Uhr stehen fast alle Räder bei der BVG still, und zwar bis Sonnabend früh 3 Uhr.  Wiederum brav Tage zuvor angekündigt, wie versprochen.

Alles ist gut? Nein. Beide Seiten liegen auch nach der dritten Verhandlungsrunde weit auseinander. Die von der BVG gebotenen 17,6 Prozent mehr Lohn reichen Verdi nicht. 17,6 Prozent, fast alle Arbeitnehmer würden in Jubel ausbrechen ob dieses Angebots. Nicht so die Verdi-Mitglieder der BVG. Fast einmütig haben sie die bisherigen Streiks gutgeheißen.

Die BVG sagt: „Gegen dieses Angebot zu streiken, zeigt, dass Verdi die Lage des Unternehmens nicht ernst nimmt und die Realitäten verkennt.“ Doch die Gewerkschaft hat zwei gute Argumente: Nur mit deutlich mehr Lohn kann die BVG künftig ausreichend Personal gewinnen. Und in den vergangenen Jahren war die Inflation höher als die 2021 ausgehandelte Lohnerhöhung.

Damals ging es um die Arbeitszeit, weniger ums Geld. Die durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine angefeuerte Geldentwertung konnte keiner ahnen. Auch der Arbeitgeber hat einen gewissen „Nachholbedarf“ eingeräumt, vor allem bei den Fahrern. Der größte Knackpunkt ist die Laufzeit. Verdi will ein Jahr, die BVG vier Jahre. 2021 hatte die BVG eine ähnlich lange Laufzeit durchgesetzt, was Verdi hinterher auf die Füße fiel. Stichwort Inflation.

Aber nun 30 Prozent Lohnplus und ein Jahr Laufzeit? Das bekommt Verdi niemals durch. Denn in der Summe würde das die BVG 250 Millionen Euro kosten, pro Jahr. Blick zurück auf 2008: Die Gewerkschaft wollte zwölf Prozent, nach dem längsten Streik in der Geschichte der BVG kamen schlappe 4,6 Prozent heraus.

Da ist es erstaunlich, dass Gewerkschaftsführer Jeremy Arndt im Januar selbst auf 2008 verweist. Mit der Drohung, dass der aktuelle Tarifstreit so hart werden könnte wie vor 17 Jahren. „Wenn sich Arbeitgeberseite und Senat nicht bewegen, wird es Arbeitskampf bis hin zum Erzwingungsstreik geben“, so Arndt.

Seit der vergangenen Woche gibt es ein entsprechendes Ultimatum. Wenn in der fünften Verhandlungsrunde am 21. März kein akzeptables Paket auf dem Tisch liegt, werde es eine Urabstimmung unter den Beschäftigten geben. Das hieße: unbefristeter Streik.

Unter einem Streik leiden immer die Schwächsten. Arme, Alte, Arbeiter. Wer kein Auto hat, kann nicht ins Auto umsteigen. Wer morgens um vier auf dem Flughafen BER seinen schlecht bezahlten Job antreten muss, kann auch nicht in die S-Bahn ausweichen. Denn die fährt erst ab 4 Uhr. Verdi weiß das.

Die BVG gehört dem Land Berlin. Lohnerhöhungen in großer Millionenhöhe kann das Unternehmen nicht stemmen. Was macht der Senat? Nichts. Noch schlimmer: Senatoren von der CDU fielen der BVG und den Fahrgästen noch in den Rücken. Ute Bonde (Verkehr) und Stefan Evers (Finanzen) drohten, die Fahrleistung bei Bus und Bahn bei zu hohem Tarifabschluss einfach weiter einzuschränken.

Höhere Kosten beim Personal will die BVG so weit es geht durch Effizienzsteigerungen im Betrieb ausgleichen. Am einfachsten ginge das mit Busspuren. Die BVG vergeudet Millionen Euro an Sprit und Personal durch Busse und Straßenbahnen, die im Stau stehen. Zwei Verkehrssenatorinnen der Grünen haben in vielen Jahren nichts erreicht. Und Bonde fantasiert lieber über Magnetbahnen oder U-Bahn-Ringe.

Die nächste Verhandlungsrunde zwischen BVG und Verdi ist für den 26./27. Februar angesetzt.

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