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Die Linke-Politikerin Lena Kreck ist seit Dezember 2021 Berlins Justizsenatorin - und auch für den Bereich Antidiskriminierung zuständig.

© Foto: dpa/Bernd von Jutrczenka

Update

„Charakter einer diskriminierenden Belästigung“: Berlins Justizsenatorin kritisiert Einsatz – Ehepaar fordert Entlassung des Polizisten

Ein Polizist beleidigt ein syrisches Paar bei einem Einsatz in dessen Wohnung. Linke-Politikerin Lena Kreck sieht darin einen Fall fürs Antidiskriminierungsgesetz.

Nach dem umstrittenen Polizeieinsatz bei einer syrischen Familie hat Berlins Antidiskriminierungssenatorin Lena Kreck (Linke) gefordert, „dass der Sachverhalt vollumfänglich aufgeklärt wird“. Die bekannt gewordenen Videos zu dem Polizeieinsatz in Alt-Hohenschönhausen seien verstörend.

„Zwar liegen zum Einsatz der Polizisten nur wenige und möglicherweise unvollständige Informationen vor, dennoch sind offenbar Äußerungen getätigt worden, die nach dem Landesantidiskriminierungsgesetz den Charakter einer diskriminierenden Belästigung haben“, sagte Kreck dem Tagesspiegel.

Sie empfahl der Familie, sich an die Ombudsstelle für das Landesantidiskriminierungsgesetz (LADG) zu wenden. Auch das Handeln der Polizei unterliege dem Gesetz.

„Die Aussage ‚Das ist mein Land, Du bist hier Gast‘ im Zusammenspiel mit weiteren herabwürdigenden Äußerungen und Behandlungen kann insoweit eine Diskriminierung aufgrund rassistischer Zuschreibung beziehungsweise ethnischer Herkunft darstellen“, sagte Kreck. Die liege etwa vor, „wenn ein solches Verhalten die Würde der betroffenen Person verletzt, insbesondere wenn es ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen gekennzeichnetes Umfeld schafft“. Sie selbst, sagte Kreck, entscheide aber nicht, „ob das Landesantidiskriminierungsgesetz zum Tragen kommt“. Die Justizsenatorin begrüßte, dass sich der Innenausschuss des Abgeordnetenhauses am Montag mit dem Fall befasst.

Linke-Politiker Kocak sieht „Nazi-Problem“ bei Polizei

Unterdessen forderte das betroffene Ehepaar eine Bestrafung des Polizisten und seine Entlassung. „Wir möchten, dass er zur Rechenschaft gezogen wird und im besten Fall nicht mehr im Amt bleibt“, übersetzte ein Dolmetscher bei einer Pressekonferenz der Linkspartei am Sonnabend die Aussage des 30-jährigen Ehemannes. Das Paar erzählte, seine Kinder seien von dem Einsatz schockiert gewesen und hätten nicht verstanden, warum die Polizisten so aggressiv seien. Auf die Frage, wie es zu der Eskalation gekommen sei, antwortete das Ehepaar nicht – auf Rat ihres Anwalts wegen der laufenden Ermittlungen, wie es hieß.

Der Linke-Abgeordnete Ferat Kocak sagte: „Wir haben in der Polizei nicht nur ein Problem mit Rassismus, sondern ein Nazi-Problem.“ Der Abgeordnete Niklas Schrader meinte, der Vorfall zeige den „strukturellen Rassismus“ in der Polizei. Erkennbar sei, dass die Polizisten ihre Äußerungen offenbar für normal hielten und keine Angst vor Konsequenzen hätten. Der Partei zufolge will das Ehepaar dem Rat der Senatorin folgen und sich bei der Ombudsstelle fürs Antidiskriminierungsgesetz beschweren.

Familie erstattete Anzeige bei der Polizei

Gegen einen von zwei beteiligten Beamten wird ermittelt. Jörg K. soll den Mann und seine 28-jährige Frau, wie es die Polizei formuliert, fremdenfeindlich beleidigt haben. Die Beamten waren am vergangenen Freitag mit einem Haftbefehl bei der Familie angerückt, weil der Mann eine Geldstrafe in Höhe von 750 Euro für dreimaliges Fahren ohne Fahrschein nicht gezahlt hatte.

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Der Einsatz in der Wohnung lief aus dem Ruder, die Kinder haben geschrien, die Polizisten brachten den Mann zu Boden und legten ihm Handschellen an. Ein Beamter sagte zum Paar: „Ihr seid hier in unserem Land, ihr habt Euch nach unseren Gesetzen zu verhalten“. Und: „Das ist mein Land, und Du bist hier Gast.“ Zur Frau sagte er auch „Halt die Fresse, ich bringe Dich ins Gefängnis.“

Die syrische Familie hatte nach dem Vorfall Anzeige bei der Polizei erstattet. Sie konnte auch ein Handyvideo von dem Einsatz zeigen. Jörg K. ist jetzt ein Fall für die „Ermittlungsgruppe Zentral“ des Landeskriminalamtes, die für Verdachtsfälle zu politisch motivierter Kriminalität bei der Polizei zuständig ist.

Ermittelt wird wegen des Verdachts auf eine fremdenfeindliche Beleidigung und Körperverletzung im Amt. Inzwischen ist K. in den Innendienst versetzt worden – in die Funkzentrale der Direktion 3. Die Polizeiführung findet, dass das Verhalten nicht zu den Leitlinien der Behörde passt.

Andere, zu dem Einsatz in der Wohnung herbeigerufene Beamten versuchten die Lage zu beruhigen. Als die 28-jährige Frau sagte, dass K. ein Problem mit Ausländern habe, drohte jener: „Vorsicht, ich zeig Dich an. Ich habe kein Stress mit Ausländern.“ Später ergingen Anzeigen wegen Widerstand, Angriffs und versuchter Gefangenenbefreiung gegen das Paar.

Anlass für den Einsatz war neben dem vollstreckbaren Haftbefehl gegen den Mann eine sogenannte Gefährderansprache bei seiner 28-jährigen Frau. Dabei geht es um ein anderes Ermittlungsverfahren. Nach Tagesspiegel-Informationen wird ihr vorgeworfen, dass sie eine andere Frau mit freizügigen Fotos kompromittiert haben soll. Es geht um Nötigung, Beleidigung und anderes. Bei der Pressekonferenz äußerte sich die Frau trotz Nachfrage nicht zu den Gründen für die Gefährderansprache. (mit dpa)

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