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BVG-Managerin Ute Bonde (mit Mikrofon) beim Richtfest am Bahnhof Museumsinsel. Links neben ihr Michael Müller, rechts Regine Günther.

© Imago/Jürgen Heinrich

Wahlkampf-Affäre bei Berliner Verkehrsbetrieben: Chef des BVG-Personalrates nennt Vorgänge „nicht hinnehmbar“

Lothar Stephan, Vorsitzender des Gesamtpersonalrates und stellvertretender Chef des BVG-Aufsichtsrates, über das Vorgehen gegen die Managerin Ute Bonde.

In der Wahlkampf-Affäre bei den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) äußert sich jetzt auch der Chef des BVG-Personalrates. Lothar Stephan, der auch stellvertretender Aufsichtsratschef ist, nennt die Vorgänge um die Managerin Ute Bonde im Interview „nicht hinnehmbar“.

Der Tagesspiegel hatte am Wochenende berichtet, dass die BVG-Vorstandsvorsitzende Eva Kreienkamp eine Führungskraft ihres Unternehmens offenbar wegen ihres Engagements für die CDU dazu drängte, ihre Arbeit ruhen zu lassen. Die Betroffene ist Ute Bonde, Leiterin der Abteilung Recht der BVG sowie Finanzgeschäftsführerin der BVG-Projektgesellschaft, die die Linie U5 vom Alexanderplatz bis zum Hauptbahnhof verlängert hat.

Kreienkamp soll Bonde gesagt haben, sie handle auf Wunsch der Aufsichtsratschefin der BVG, Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne). Hat die Politikerin damit versucht, eine politische Konkurrentin kaltzustellen?

Bei der Berliner CDU, die Ute Bonde diese Woche – wenige Tage vor der Wahl zum Abgeordnetenhaus – als mögliche Verkehrssenatorin vorstellen will, sollte die Partei künftig im Senat mitregieren, reagierte man erwartungsgemäß empört und forderte bereits am Wochenende Pop auf, sich dazu zu verhalten.

Pop-Sprecher weist auf Neutralitätspflicht hin

Die Senatorin äußerte sich aber nicht persönlich zu dem Vorgang, ließ lediglich ihren Sprecher erklären, dass man die Vorgänge „so nicht bestätigen“ könne und sich nicht zu „internen Personalangelegenheiten“ äußern wolle. Pop ließ ihn zudem auf die Neutralitätspflicht aller Führungskräfte hinweisen.

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BVG-Chefin Eva Kreienkamp und die Vorsitzende des Aufsichtsrates der BVG, Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) bei der Eröffnung des U-Bahnhof Museumsinsel im Juli 2021.
BVG-Chefin Eva Kreienkamp und die Vorsitzende des Aufsichtsrates der BVG, Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) bei der Eröffnung des U-Bahnhof Museumsinsel im Juli 2021.

© imago images/A. Friedrichs

„Hier geht es nicht um eine Personalangelegenheit, hier geht es um demokratische Grundsätze“, sagte CDU-Generalsekretär Stefan Evers dem Tagesspiegel jetzt. „Da kann Frau Pop sich nicht einfach wegducken. Dass die Grünen ein Problem damit haben, dass die CDU endlich wieder einen Profi an der Spitze der Verkehrsverwaltung sehen möchte, ist nicht überraschend.“ Es gehe aber auf keinen Fall an, darauf mit „unrechtmäßigen und undemokratischen Maßnahmen“ zu reagieren, sagte der CDU-Wahlkampfmanager weiter.

Lothar Stephan ist der stellvertretende Vorsitzende des Aufsichtsrates und Vorsitzender des Gesamtpersonalrates der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) in Berlin.
Lothar Stephan ist der stellvertretende Vorsitzende des Aufsichtsrates und Vorsitzender des Gesamtpersonalrates der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) in Berlin.

© privat

Jürgen Radel, Professor für Betriebswirtschaftslehre und Experte für gruppendynamische Prozesse an der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW), will sich nicht zu dem konkreten Fall äußern, würde aber zunächst für Aufklärung plädieren. „Und zwar sehr unaufgeregt – im Rahmen der Wahl scheinen die Emotionen ab und an etwas hochzukochen.“ Grundsätzlich sehe er es aber problematisch, „wenn im Zusammenhang mit dem politischen Engagement im Rahmen der demokratisch gewählten Parteien dazu führt, dass Druck auf Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ausgeübt wird.“

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Am Montagabend konnte der Tagesspiegel auch mit Pops Stellvertreter im Aufsichtsrat der BVG zu dem Thema sprechen: Lothar Stephan ist zugleich Vorsitzender des Gesamtpersonalrates, er spricht also im Interesse aller gut 15.000 BVG-Mitarbeitenden, und wirkt am Telefon deutlich weniger gelassen.

Herr Stephan, wie schätzen Sie die Vorgänge um Frau Bonde allgemein ein?
Ich finde unglaublich, was da passiert ist. Weil unser Unternehmen für Vielfalt bekannt ist und das auch immer gepredigt wird. Dass eine Managerin solche Maßnahmen und Druck erfährt, nur weil sie offenbar anders politisch orientiert ist als unsere Vorstandsvorsitzende und Aufsichtsratschefin, ist nicht hinnehmbar.

Wie bewerten Sie den Umstand, dass sich die Senatorin und Aufsichtsratsvorsitzende bisher nicht persönlich zu dem Vorgang geäußert hat?
Das verstehe ich nicht. Eigentlich habe ich sie bei solchen Themen als fast überkorrekt kennengelernt, wie die meisten Grünen. Egal ob CDU, SPD oder Grün: Uns als Arbeitnehmervertretung ist wichtig, dass es eine vernünftige Verkehrspolitik mit dem öffentlichen Personennahverkehr im Zentrum gibt.

Die eine Seite sagt, Frau Bonde sollte auf Wunsch von Frau Pop Urlaub nehmen. Die andere Seite sagt, das sei so nicht gewesen. Was bedeutet es für den Aufsichtsrat, wenn in der Führungsetage Aussage gegen Aussage steht?
Das belastet uns ungemein. Unsere Arbeit wird künftig sehr schwierig werden, solange dieser Vorgang nicht lückenlos aufgeklärt ist. Wenn Politiker versuchen, den Wahlkampf in unser Unternehmen hineinzutragen, ist es die Aufgabe der Vorstandsvorsitzenden, dafür zu sorgen, dass genau das nicht passiert. Damit die 15.000 Mitarbeitenden nicht in politische Konflikte hineingezogen werden.

Was fordern Sie für den Fall, dass sich die Schilderungen so bestätigen?
Dann muss es Konsequenzen geben.

Wie sollen die aussehen?
Das möchte ich nicht in der Öffentlichkeit diskutieren, das klären wir in den zuständigen Gremien. Ich möchte nur sagen, dass niemals ein Klima in der BVG herrschen darf, in dem Leute Angst haben, sich irgendwie zu engagieren, weil es irgendwem in der Vorstandebene nicht passen könnte. Bei uns gibt es viele, die sich in irgendeiner Form engagieren, unsere Belegschaft ist ein Spiegelbild der Gesellschaft.

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Welche Institution oder Person wäre geeignet, die Vorgänge objektiv aufzuklären?
Ohne externe Hilfe wird es kaum gehen, da es kein Gremium über dem Aufsichtsrat gibt bei der BVG. Und der selbst kann es nicht klären. In der Politik würde man sagen, wir müssten einen Untersuchungsausschuss einrichten. Zumindest muss Frau Pop klar erklären, ob sie sich wegen Frau Bonde eingemischt hat oder nicht.

Sehen sie eine strafrechtliche Relevanz?
Dazu habe ich keine Anhaltspunkte. Mir scheint, dass man diesen Vorgang auch politisch klären könnte. Weil wir eine Anstalt des öffentlichen Rechts sind und dem Land Berlin gehören, steht die Politik auch in der Verantwortung, dafür Sorge zu tragen, dass solche Angriffe auf Mitarbeiterinnen und Managerinnen nicht vorkommen.

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