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Club der starken Heldinnen: In diesen Kinderbüchern steckt die kulturelle Vielfalt Berlins
Die Berlinerin Tayo Awosusi-Onutor hat die erste deutschsprachige Kinderbuchreihe mit Roma und Sinti als Protagonistinnen geschrieben. Kinder lernen etwa, was sie gegen Mobbing tun können.
- Daniela Martens
- Hyvin Barim
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Drei Freundinnen aus der 4b stellen sich vor: Jovanka ist besonders sportlich und schlau. Mit ihren Eltern spricht sie auch serbisch. Olakemi kann tolle Geschichten erfinden, mit ihrer Mama, die aus Nigerien stammt, redet sie Yoruba und Englisch. Und Sina liest viel und trainiert Judo. Sie spricht Arabisch und Französisch. Neben Deutsch gibt es eine weitere Sprache, in der sich die drei miteinander verständigen: Romanes, zwei von ihnen sind Romnja, eine ist Sintezza. Damit wären die drei auf einem Berliner Schulhof eine ganz alltägliche Erscheinung.
Zwischen Buchdeckeln aber sind sie einzigartig: Die drei sind die Protagonistinnen der Kinderbuchreihe „Jokesi Club“, zwei Bände sind schon erschienen. Der Name der Buchreihe, „Jokesi“, setzt sich aus den Anfangsbuchstaben der drei Protagonistinnen zusammen: Jovanka, Olakemi (Kemi) und Sina. Gemeinsam lösen die drei Kinder Rätsel und stellen sich Herausforderungen – ohne, dass Erwachsene eingreifen.
„Wenn es um Heldinnen mit romani oder sinti Hintergrund geht, gab es eigentlich nichts, das man guten Gewissens empfehlen konnte“, sagt Tayo Awosusi-Onutor, die Autorin der Buchreihe – und meint damit die Zeit, bevor der erste Band 2023 erschien. Sinti und Roma leben seit mehr als 600 Jahren in Deutschland.
Die Idee zur Buchreihe „Jokesi Club“ sei entstanden, weil es ihren eigenen Kindern an starken Heldinnen mit sinti und romani Hintergrund fehlte. „Es gab zwar Geschichten, in denen romani und sinti Charaktere als Nebenfiguren vorkamen, die wurden aber meist stereotyp als schwach, problematisch oder sogar kriminell dargestellt.“ So verfestigen sich Klischees.

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Darum, Klischees und Stereotype aufzubrechen, geht es in beiden Bänden: Im ersten Buch kommt Lukas neu in die Klasse der Protagonistinnen. Er trägt immer und überall eine grüne Mütze. Als er sie verliert und verschwindet, finden die Freundinnen heraus, dass er an seiner alten Schule wegen seiner Afrohaare gemobbt worden war.
Die drei bauen ihn wieder auf – mit Erfolg. Am Ende sieht man eine strahlende Kemi, die selbst Afrohaare hat, wie sie einen Arm um den noch etwas zaghaft lächelnden Alex legt. Und in einer „Notiz“ erklärt Jovanka den Kindern, die das Buch lesen, in einfachen Worte, was Mobbing ist und was sie dagegen tun können.
Die Zeichnungen stammen von ihrer Schwester
Ihre Kinderbuchreihe richte sich vor allem an Kinder, die selbst Rassismus erfahren haben, sagt die Autorin. „Ich wollte Bücher schaffen, die Kinder stark machen und ihnen wertschätzend gegenübertreten“, erklärt die Autorin. Den ersten Band veröffentlichte sie über ein Kulturprojekt. Inzwischen ist er schon in der zweiten Auflage erschienen. Die bunten Comic-ähnlichen Illustrationen stammen von der Schwester der Autorin, Olufemi Stella Awosusi.

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Bei den Lesungen freuten sich Kids of Color schon über das Titelbild und die Illustrationen, noch bevor sie die Geschichte kennen würden, erzählt die Autorin: „Sie sagen aufgeregt: ‚Oh, guckt mal, die sieht aus wie du!‘ Ich merke, wie sie aufblühen. Aber das macht mich auch traurig, weil es zeigt, wie sehr ihnen solche Kinderbücher fehlen. Kids of Color fühlen sich unterrepräsentiert.“
Um diesem Mangel entgegenzuwirken, gründete Awosusi-Onutor ihren eigenen Verlag, Omobooks, und machte aus „Jokesi Club“ eine Kinderbuchreihe. „Die Begeisterung der Kinder hat mir einen Motor gegeben, weiterzumachen. Kinder brauchen Bücher, mit denen sie sich identifizieren können. Sie haben meine Bücher so dankbar angenommen.“ Im September 2024 erschien der zweite Band.
Aber auch für weiße Kinder ist es wichtig, über den Tellerrand hinauszuschauen und die Lebenswirklichkeit von Menschen kennenzulernen, die anders sind als sie. Mit den drei Freundinnen auf Romanes bis zehn zählen zu lernen, reizt bestimmt viele Kinder. Und unter Klischees und Vorurteilen leiden auch viele von ihnen.
Im zweiten Band geht es etwa um die Inklusion eines Kindes mit Trisomie 21, das sehr sportlich ist. In Zeiten, in denen eine Partei, die gegen jede Vielfalt und Inklusion agitiert, zweistellige Wahlergebnisse einfährt, ist es wichtig, solchen Einstellungen einfach dadurch entgegenzutreten, in dem man den angegriffenen Gruppen eine Stimme gibt. Auch mit weißen Kindern Bücher wie diese zu lesen, ist also politisch – und damit wichtig für das Fortbestehen der Demokratie.
Die in Karlsruhe geborene Autorin bezeichnet sich selbst als Afro-Sintezza mit deutsch-nigerianischer Herkunft. Sie erinnert sich daran, wie sie bereits im Kindergartenalter erste Erfahrungen mit Rassismus machte. „Das Thema Identität und Herkunft spielte für mich schon früh eine Rolle“, sagt sie. Dabei habe ihr die bewusste Stärkung durch ihre Eltern geholfen, die ihr Strategien an die Hand gaben, mit Diskriminierung umzugehen.
Die Erfahrungen ihrer Kindheit fließen auch in ihre Arbeit ein. „Die Idee von den drei Heldinnen basiert auf meiner eigenen Biografie und meinem Freundeskreis. Es ist ein Gedankenspiel: Wie wäre es gewesen, wenn wir uns schon als Kinder gekannt hätten?“
Sie singt auf der Bühne auf Romanes
Awosusi-Onutor ist nicht nur Autorin, sondern auch Musikerin und Filmemacherin. „Ich möchte mich nicht auf eine künstlerische Sparte beschränken“, sagt sie. Ob sie schreibt, singt oder Filme dreht – all diese Bereiche beeinflussen sich gegenseitig. Auf der Bühne singt sie auf Englisch, Deutsch und Romanes. „Das ist für mich auch ein Statement.“
Bei ihren vielen Aufgaben – als Mutter, Musikerin, Autorin und Aktivistin – gelingt ihr ein Balanceakt: „Es ist kein Superwoman-Dasein, sondern ein ständiges Switchen zwischen den Rollen“, erklärt sie. Diese Vielseitigkeit prägt auch ihre Kinderbücher.
Mit „Jokesi Club“ hat Tayo Awosusi-Onutor einen wichtigen Schritt getan, um Kinderliteratur vielfältiger und repräsentativer zu gestalten. Ihre Geschichten zeigen: Heldinnen können die unterschiedlichsten Hintergründe haben.
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