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Glücksduo. Die Geschwister Urzendowsky bei der Verleihung des Grimme-Preises am 31. März im Theater in Marl.

© Eventpress

Grimme-Preis 2017: Das pure Glück: Auszeichnungen für Lena & Sebastian Urzendowsky

Die 17-jährige Lena wird für ihre Rolle im ARD-Film "Das weißen Kaninchen" geehrt, ihr Bruder Sebastian spielte den Neonazi Uwe Böhnhardt im Dreiteiler "Der NSU-Komplex".

Ob sie ihre Eltern um Erlaubnis gefragt hat? Lena Urzendowsky schaut irritiert. Komische Frage jetzt. Um Erlaubnis bitten, wenn einem gerade die Chance des Lebens geboten wird? Zwei Jahre ist das jetzt her. Lena Urzendowsky aus Lichterfelde bekam eine tragende Rolle in dem ARD-Spielfilm „Das weiße Kaninchen“. Filmstars wie Devid Striesow oder Julia Jäger waren dabei, es gab ein „tolles Drehbuch“, erinnert sich die junge Schauspielerin. Dass sie das Opfer eines perfide eingefädelten sexuellen Missbrauchs spielen sollte, schreckte sie keine Sekunde. Im Gegenteil. „Ich wusste, ich will diese Rolle unbedingt spielen ...“ Und: „Die Rolle hatte nichts mit mir zu tun.“

Am Freitag wird Lena Urzendowsky für ihre Unerschrockenheit belohnt. Die inzwischen 17-Jährige erhält den Grimme-Preis, genau wie Devid Striesow, der den Täter spielt. Und noch einer wird in Marl ausgezeichnet: Lenas Bruder Sebastian, der 14 Jahre älter ist. Er wird für seine Rolle als Neonazi Uwe Böhnhardt in dem Film „Der NSU-Komplex“ geehrt.

Zwei Geschwister auf der Bühne des Grimme-Instituts, das hat schon Seltenheitswert.

Die 17-jährige Lena Urzendowsky will noch viele Filme machen, aber dafür nicht die Schule schmeißen.
Die 17-jährige Lena Urzendowsky will noch viele Filme machen, aber dafür nicht die Schule schmeißen.

© Thilo Rückeis

Ihre Filmkarriere sei aber nicht durch das Vorbild ihres Bruders zu erklären, sagt die Schauspielerin. Überhaupt Vorbilder. Es hängen keine Brad-Pitt- oder Johnny-Depp-Poster in ihrem Zimmer, nur ein Schwarz-Weiß- Foto, das sie einer Litfaßsäule entrissen hat: ein Junge im freien Fall, kurz nach dem Absprung.

Lenas Karriere beginnt mit Musicals

Zum Gespräch hat sie in ihr Kinder... – sie korrigiert: „Jugendzimmer“ – geladen. Obwohl ein Fotograf dabei ist, hat sie auf Schminke oder modische Klamotten verzichtet. Auf dem Fensterbrett ihrer Leseecke hockend, zeichnet sie die Stationen ihrer Schauspielleidenschaft nach, seit dem vierten Lebensjahr. Damals war schon mal ein Zeitungsreporter zu Besuch, sie durfte sich verkleiden, es wurden Fotos gemacht, das gefiel ihr sehr. Mit fünf fing sie nach dringendem Bitten in der Musical-Schule Stagecoach an. Acht Jahre lang bekam sie dort Unterricht, drei Stunden in der Woche.

Schon bei den Aufführungen von Stagecoach bekam sie eine Hauptrolle im Musical „Annie“. Dann kamen Filmstudenten, suchten junge Darsteller für einen Kurzfilm, die Vorfreude war riesig. Und dann „die größte Enttäuschung meines Lebens.“ Drei Stunden mussten sie in einer ungeheizten Halle warten, „dann sind wir einmal durchs Bild gerannt und das war nicht mal im Film.“ Die Enttäuschung münzte sie in Trotz um: Jetzt erst recht!

Sie möchte spielen, spielen, spielen - nichts anderes

Bevor ein Satz zu Ende gesprochen ist, prustet oft schon das Lachen aus der 17-Jährigen, der Spaß will an die Oberfläche. Beim Reden gestikuliert sie – oder reibt sich an den Fesseln. Wie soll sie der Welt da draußen beschreiben, wie sich das pure Glück anfühlt, wenn eine wichtige Szene abgedreht ist und sie die Anerkennung des Teams spürt? Sie möchte spielen, spielen, spielen – nichts anderes.

2012 ist Schluss mit der Musical-Schule. Wie soll sie jetzt zum Film kommen?

Über ihren Bruder und ihre Mutter Jeannette, die auf Kleinkunstbühnen kabarettistische Chanson-Programme spielt, kennt sie einen Regisseur, der dreht ein paar Szenen mit ihr, das Video schickt sie einer Filmagentur für Kinder und Jugendliche. Sie bekommt einen Vertrag und wird zu Castings eingeladen.

Im ZDF-Märchenfilm "Die Schneekönigin" war sie die Räubertochter

Fürs ZDF darf sie bald in der „Schneekönigin“ mitspielen. Ein Jahr später gewinnt sie ein Casting für den Kinofilm „Bibi und Tina 3“, sie spielt eine begeisterte Pfadfinderin. Seit diesem Film, ausgestrahlt im vergangenen September, sind Regisseure noch stärker an ihr interessiert. Zwei Krimis und eine Komödie hat sie nach dem Kaninchen gedreht, eigentlich ist sie jetzt drin im Business, verdient genug Geld, könnte die Schule schmeißen und das große Ding drehen. Macht sie aber nicht, das Abitur will sie auf jeden Fall schaffen, danach vielleicht Philosophie oder Medizin studieren.

Um in der Schule nicht zu lange zu fehlen, habe sie schon interessante Rollen abgelehnt. Sie überlegt kurz, ob das jetzt missverstanden werden könnte, und sendet folgende Botschaft an die Branche: „Wenn jetzt eine krasse Rolle käme, würde ich ein Jahr wiederholen.“ Ihre Vorsicht hat dann doch etwas mit ihrem Bruder zu tun. Der kennt schon das Auf und Ab, wenn mal niemand anruft, selbst nach Auszeichnungen wie dem Grimme-Preis – es ist schon sein zweiter. Sebastian Urzendowsky dreht gerade für eine französische Produktion in Toulouse. Er findet es gut, wenn sich seine Schwester neben der Schauspiel-Leidenschaft ein zweites Standbein aufbaut, erzählt er am Telefon. Aber vor dem Beruf gewarnt habe er sie nie. In extreme Charaktere zu schlüpfen sei faszinierend.

Für die Böhnhardt-Rolle musste sich Urzendowsky die Haare abrasieren und eine strenge Diät halten. Eigentlich passen eher nachdenkliche Figuren zu ihm, diesmal wurde er gegen seinen Typ besetzt – umso größer die Freude über den Erfolg. „Der Grimmepreis ist wie ein Gütesiegel für einen Schauspieler.“ Vielleicht ruft ja bald ein Regisseur an und bucht beide Urzendowskys für seinen nächsten Film. Es wäre das erste Mal gemeinsam vor der Kamera.

Opfer und Täter. Lena Urzendowsky als Sara und Devid Striesow als Simon Keller in einer Szene des Films "Das weiße Kaninchen".
Opfer und Täter. Lena Urzendowsky als Sara und Devid Striesow als Simon Keller in einer Szene des Films "Das weiße Kaninchen".

© dpa, Andreas Wünschirs

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