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Bisher gibt es von der neuen U-Bahn vom Typ JK nur Simulationen. Eine davon haben die Gastgeber von Stadler auch am Montag nochmal gezeigt.

© Jörn Hasselmann

Das Werk von Stadler in Berlin-Pankow: Wo die 1500 neuen U-Bahn-Wagen der BVG gebaut werden

Berlin bekommt neue U-Bahnen. Gebaut werden sie in Pankow. Am Montag präsentierten BVG und Stadler die ersten Details.

Eines haben die neuen Züge der Berliner U-Bahn und die Kanzlerstrecke gemeinsam: ein Jahr Verspätung. BVG-Vorstand Rolf Erfurt bestätigte am Montag den Termin für die Eröffnung der U5. Am 4. Dezember sollen die Züge durchgehend von Hönow über den Alex zum Hauptbahnhof rollen. Der 4. Dezember ist der Tag der Heiligen Barbara, der Schutzpatronin der Tunnelbauer. Erfurt stand, als er dies erklärte, vor einer riesigen Foto-Simulation der neuen U-Bahn-Züge.

Gemeinsam mit Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne)und dem CEOvon Stadler, Peter Spuhler, stellte er den Zeitplan für die größte Bestellung aller Zeiten der BVG vor. Nun also sollen im Herbst 2022 die ersten 24 neuen Wagen geliefert werden, je zwölf für die so genannten „Kleinprofil“-Linien (U1 bis U4) und zwölf für das Großprofil (U5 bis U9). Fahrgäste erkennen den Unterschied an der Breite im Waggon.

Während die letzte Verspätung der U5, die mit den archäologischen Funden beim Bohren des Tunnels begründet wurde, liegt die Verspätung bei den Zügen an der Bockigkeit der Konkurrenz. Bekanntlich hatte der bei der Ausschreibung unterlegene französische Großkonzern Alstom, gegen die Vergabe geklagt – erfolglos durch mehrere Instanzen.

Das mittelständische Schweizer Unternehmen Stadler und die BVG sind jetzt für mindestens 45 Jahre auf Gedeih und Verderb aneinander gebunden, wie Pop es sinngemäß formulierte. Denn der Auftrag umfasst nicht nur 13 Jahre Bau und Lieferung, sondern auch eine Ersatzteilgarantie für 32 Jahre.

Die Serienlieferung soll Ende 2023 beginnen, wenn sich die 24 Wagen der Vorserie denn bewähren. Die vertraglich fixierte Mindestbestellmenge umfasst 606 Wagen. Tatsächlich benötigt die U-Bahn aber die ganze Menge, vermutlich wird Stadler alle 1500 Waggons liefern im Wert von drei Milliarden Euro. Die neuen Züge heißen „J“ für das Großprofil und „JK“ für das Kleinprofil, die BVG hat nach dem „I“ einfach den nächsten Buchstaben im Alphabet genommen.

Der existierende Fuhrpark aus den Serien ist –freundlich formuliert – in die Jahre gekommen. Es gibt 1300 Wagen aus 17 verschiedene Baureihen, die meisten sind Jahrzehnte alt, durchschnittlich sind es 27 Jahre. Die Bauteile sind fast nie tauschbar. Eine Vereinheitlichung auf nur noch zwei verschiedene Modelle wird die Instandhaltung und Wartung deutlich vereinfachen, zumal viele Bauteile identisch sein sollen bei „J“und „JK“. Nur noch eine Baureihe für die beiden Netze erleichtert den Betrieb enorm, denn dann können alle Züge miteinander gekuppelt werden. Dies ist in der derzeitigen Vielfalt nicht möglich.

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Gebaut werden die neuen Züge in Berlin-Pankow, direkt am ehemaligen Mauerstreifen. „Aus Berlin, für Berlin“, sagte Jure Mikolcic, der Deutschland-Chef von Stadler. Was so nicht stimmt, weil die rohen Wagenkästen per Lastwagen auf dem ungarischen Werk von Stadler zugeliefert werden. Vereinbart ist die Lieferung von vier Wagen pro Woche – also die doppelte Menge wie zuletzt bei den Zügen der Baureihe IK. Dazu investiert Stadler gerade 70 Millionen Euro in neue Hallen. Man sei zwar nicht ganz so schnell wie Tesla in Grünheide mit der Riesenfabrik, dafür habe man aber eine Baugenehmigung, hieß es am Montag. Im Sommer 2021 soll die große Produktionshalle fertig sein.

70 Millionen investiert Stadler in eine neue Produktionshalle für die neue Berliner U-Bahn. Fertigstellung ist Sommer 2021.
70 Millionen investiert Stadler in eine neue Produktionshalle für die neue Berliner U-Bahn. Fertigstellung ist Sommer 2021.

© Jörn Hasselmann

„Der Großauftrag ist ein doppelter Gewinn für Berlin“, sagte Pop. Die Kunden der BVG bekommen neue Wagen, und in Berlin werden Arbeitsplätze gesichert. Als Stadler das Werk von Adtranz übernahm, waren es 197 Mitarbeiter, sagte Stadler-Chef Spuhler; heute seien es 1500. Und in den letzten 20 Jahren habe man nie Kurzarbeit beantragen müssen, auch nicht während der Corona-Pandemie. In Pankow werden auch die neuen S-Bahn-Wagen der Baureihe 483/484 gebaut, die seit einem Jahr testweise fährt und ab Januar 2021 mit Fahrgästen.

Damit ist die S-Bahn weiter als die BVG mit ihrer U-Bahn. Denn natürlich hat diese weit mehr Verspätung als das bereits erwähnte eine Jahr. 20 Jahre wurde nichts in neue Züge investiert, dies hatte Pop in den vergangenen Jahren immer wieder bemängelt. Eine Folge der Senatspolitik des Sparens-bis-es-quietscht. Die Fahrgäste spüren das: Züge fallen aus, der Takt wird immer weiter ausgedünnt, planmäßig und außerplanmäßig. Eine ganze Baureihe – die „F79“ –hat irreparable Schäden, 62 der 70 Wagen dieser Reihe sind schon auf Schrottplatz. Natürlich hat auch die U5 viel mehr Verspätung als das eine Jahr – aus Geldgründen hatte es einen mehrjährigen Baustop gegeben. Baubeginn war bereits 1995 –also vor 25 Jahren.

BVG-Vorstand Rolf Erfurt und Wirtschaftssenatorin Ramona Pop.
BVG-Vorstand Rolf Erfurt und Wirtschaftssenatorin Ramona Pop.

© Jörn Hasselmann

Im vergangenen Jahr fuhren 1,1 Milliarden Fahrgäste mit der BVG, davon 600 Millionen Menschen mit der U-Bahn. Der Rest Bus, Tram und Fähre. Ein Holzmodell der neuen U-Bahn wurde am Montag noch nicht vorgestellt, dieses „Mock Up“, wie Fachleute es nennen, soll im Herbst präsentiert werden. Das original große Modell eines U-Bahn-Wagens besteht aus einem weitgehend funktionsfähigen Fahrerstand sowie einem teilweise funktionsfähigen Innenraum, der nach Stadler-Angaben bereits Türen und Licht enthält. Ein derartiges Probesitzen für interessierte Berliner hatte es zuletzt auch bei der S–Bahn gegeben. An dem Modell werden Experten die letzten Feinheiten klären. Spätestens bei der Vorstellung dürfte auch die Suche nach einem Spitznamen für die neuen Züge starten. 2015 hatte die BVG bekanntlich die Berliner abstimmen lassen für einen Namen mit I, gewonnen hatte bekanntlich „Icke“. Nun also etwas mit dem Buchstaben J.

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