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Durchblick behalten. Ist aber gar nicht so leicht. Denn einige Pässe von Flüchtlingen sind gefälscht.

© picture alliance / dpa

Generalstaatsanwalt will Daten von Flüchtlingen: „Der IS versucht, Europa anzugreifen“

Warum Generalstaatsanwalt Erardo Rautenberg in Brandenburg 18.000 Flüchtlingsdaten beschlagnahmen will.

Die Aufregung kann er verstehen. Es wäre ja auch starker Tobak, wenn eine Bundesbehörde durchsucht würde, sagt Brandenburgs Generalstaatsanwalt Erardo Rautenberg. „Ich hätte auf diese Auseinandersetzung lieber verzichtet.“ Und das ist eine, bei der Rautenberg, 63, mit 20 Amtsjahren dienstältester Generalstaatsanwalt Deutschlands, SPD-Mitglied, jetzt nicht nur bundesweit Schlagzeilen provozierte, sondern diesmal Beifall von Rechtsaußen erhält. Ausgerechnet er, der sich seit den 90er Jahren wie wenige sonst gegen Rechtsextremismus im Land engagiert. Wie das?

Rautenberg versucht, im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) die Datensätze über 18.000 Flüchtlinge beschlagnahmen zu lassen, die Ende 2015 nach der plötzlichen Öffnung der Grenzen nach Brandenburg gekommen waren – und zwar in den turbulenten Wochen unkontrolliert von der Bundespolizei. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) hat in 50 Musterverfahren Beschlagnahmungs- und Durchsuchungsbeschlüsse gegen das BAMF beantragt, weil es die Herausgabe der Daten verweigert. „Wir brauchen sie, um laufende Ermittlungsverfahren abschließen zu können, um die Daten mit unseren Registrierungslisten abgleichen“, sagt Rautenberg.

"Wenn etwas passiert, dann wäre es der Gau.“

Es geht dabei etwa um Flüchtlinge, die ohne oder mit falschen Pässen einreisten. „Seit den Anschlägen von Paris wissen wir, dass der IS versucht, Europa anzugreifen.“ Es liege nahe, dass der IS den Flüchtlingsstrom ausgenutzt hat. Er wolle sich nicht vorwerfen lassen, nicht alles getan zu haben. „Denn wenn etwas passiert, dann wäre es der Gau.“ Klar, dass er sich durch die jüngsten Festnahmen von drei mutmaßlichen IS-Schläfern in Schleswig-Holstein bestätigt sieht. Zu der Eskalation zwischen den Institutionen hätte es nach seinen Worten nicht kommen müssen. Vorangegangen waren vergebliche Versuche der Polizei, die Daten zu erhalten. Er habe Anfang April BAMF-Chef Frank-Jürgen Weise angeschrieben. Einen Monat später kam die Absage. Das BAMF wiederum begründet das Veto damit, dass die Forderung „unverhältnismäßig“ sei, es lediglich um Verfahren wegen „illegaler Einreise“ gehe. Auch die Gerichte sehen das bisher so.

In 18 der 50 Fälle, in denen das Amtsgericht schon urteilte, wurde eine Beschlagnahmung abgelehnt, in einem Fall bereits auch die von der Staatsanwaltschaft beim Landgericht eingelegte Beschwerde. Das Problem ist damit nicht gelöst. So hofft Rautenberg, dass es im Bund Bewegung gibt. Auch aus anderen Bundesländern gab es Vorwürfe, dass die Identitätsprüfungen des BAMF nicht gründlich gewesen und gefälschte Pässe nicht erkannt worden seien. Um das zu klären, hat sich Innenminister Thomas de Maiziere (CDU) eingeschaltet und diese Woche Sicherheitsexperten aus den Ländern eingeladen.

Unverständnis von Seiten der CDU und Linken

In Brandenburg hat Rautenberg die Rückendeckung der SPD, von Innenminister Karl-Heinz Schröter sowieso: „Wir müssen wissen, wer im Land ist.“ Aber es gibt auch Kritik. Die Keule sei nicht nötig gewesen, sagt CDU-Fraktionschef Ingo Senftleben. So ist bei den Linken das Unverständnis groß. Mit dem Justizministerium, das Linke-Minister Stefan Ludwig führt, war das Vorgehen allerdings abgestimmt. Und Grünen-Fraktionschef Axel Vogel warnt: „Die Flüchtlinge in ihrer Gesamtheit werden dadurch stigmatisiert.“ Genau das Gegenteil sei der Fall, widerspricht Rautenberg. Man müsse aufklären, sagt er. „Man wird dann sehen, dass es nur einen kleinen Prozentsatz betrifft, nicht aber die die große Masse der Flüchtlinge.“ Erst dann habe man die Möglichkeit, Rechtsextremisten und Rechtspopulisten klare Fakten entgegenzusetzen, „damit sie nicht weiter versuchen können, im Trüben zu fischen.“

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