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Fashion Week in Berlin: Designer spielen mit den Geschlechterrollen

Auf der Fashion Week spielen Designer mit klassischen Geschlechterrollen. Herausgekommen sind männlich-kantige Kleider für die Dame - oder silberne Laméshorts für den Mann. Im Video sehen Sie die Kollektionen und erfahren mehr von den experimentierfreudigen UdK-Absolventen.

Hatte Superman jemals Schweißflecken? Darüber möchte man eigentlich nicht nachdenken. Aber interessanterweise ist mit diesem Spruch ein Bild von Bastian Schweinsteiger verbunden. Es geht um eine Deo-Werbekampagne. Grundsätzlich ist Schweiß eine männliche Sache – nicht umsonst wird Männerschweiß anders beworben als Frauenschweiß. Frauen werden hysterisch, werfen sich unter den Handtrockner auf der Damentoilette. Männer bleiben cool.

Aber dass Supermänner, und somit auch Superfußballhelden, jetzt gar nicht mehr schwitzen dürfen, ist neu und könnte mit einem neuen, jungen Männerbild zu tun haben. Ob Männer die neuen Fashion Victims sind? Diese Frage stellt die Stiftung der Deutschen Bekleidungsindustrie für ihren diesjährigen „European Fashion Award“: „Es gibt einen Strukturwandel der Männlichkeit, der Frauen und Männer zugleich betrifft. Wir fanden, das war für dieses Jahr genau die richtige Aufgabenstellung für junge Designer“, sagt Direktor Joachim Schirrmacher. Es ist ziemlich wahrscheinlich, dass in 20 Jahren niemand mehr über gefärbtes Männerhaar diskutieren wird. Auf jeden Fall nicht als Tabubruch.

Schon jetzt weiß man von immer mehr Männern, die sich Haare transplantieren lassen, sich die Augenbrauen zupfen, sich schminken und ihre Nägel lackieren. Warum auch nicht – in einer konsumorientierten Welt geht es immer nach dem „Mehr-ist-mehr“-Prinzip. Vielleicht hängt auch dieses Überangebot, das durch die schier endlose Auswahl von immer neuen Kleidern entsteht, damit zusammen, dass viele junge Designer im Moment erst einmal auf den neutralen Ausgangspunkt zurückgehen wollen, um von dort aus die Geschlechterrollen neu zu mischen.

Dirk Oelmann, Modediplomant aus Trier, nennt das die „neutrale Natur“ und geht davon aus, dass Männer und Frauen die gleichen Bedürfnisse haben. Er hat daraus eine Kollektion entwickelt, die für Frauen und Männer funktioniert. Wie junge Designer mit den Geschlechterrollen umgehen, kann man sich während dieser Fashion Week gleich mehrfach anschauen: Die Absolventen der Universität der Künste (UdK) zeigen ihre Abschlussarbeiten am Dienstag im Admiralspalast. Einfach ist es nicht, den richtigen Platz für sich zu finden.

Männer in Kleidern - und Bärten. Die Kollektion von UdK-Absolventin Corinna Dehn
Männer in Kleidern - und Bärten. Die Kollektion von UdK-Absolventin Corinna Dehn

© Promo

Genau das ist der Grund für Teresa Fakbohoun, Modeabsolventin der UdK, sich mit verschiedenen Frauentypen zu beschäftigen. Sie hat die Kleider von Queen Elisabeth II. und der Rapperin Missy Elliott zu einer Kollektion vermischt. Für Fakbohoun sind das zwei Frauen, die Macht haben. In dem sie aus den strengen Kostümen der Königin und den weiten Kleidern des HipHop-Stars neue Kleider entwickelt, versucht sie, ihr eigenes Frauenbild klar zu bekommen. Fakbohoun fällt es schwer, sich zu entscheiden: „Wir haben so viele Möglichkeiten, ich denke, fast zu viele.“ Ihre Kleider sind unschuldig weit und kraftvoll glamourös durch die knalligen Farben und wertvollen Materialien wie Duchesseseide.

Ihre Kommilitonin Corinna Dehn findet besonders spannend, was gerade in der Männermode passiert: „Da liegt was in der Luft. Es gibt auf den Laufstegen viele Experimente mit Volumen, zum Beispiel bei Yves Saint Laurent. Und auf der Straße sieht man tiefe Ausschnitte, viel Haut und enge Kleidung.“ Wichtig ist der Designerin, dass ihre Kleider nichts mit sexuellen Vorlieben zu tun haben, es geht ihr um das soziale oder psychologische Geschlecht. „Ich wollte keine Drag-Queens einkleiden und auch keine Clowns. Ich habe immer an meiner persönlichen Schmerzgrenze aufgehört.“ Ihre Männer sehen seltsamerweise auch nicht verkleidet aus, obwohl sie silberfarbene Laméshorts mit bestickten Sweatshirts, gemusterte Strickjacken mit breiten Schulterpolstern tragen.

Auch Sibel Celik hat festgestellt, dass Männer immer weiblicher werden. Auch sie zeigt heute ihre Abschlusskollektion. „Ich habe mich gefragt: Was passiert mit den Frauen? Die haben ja auch schon einige männliche Phasen durchgemacht wie in den Achtzigern mit dem Powerkostüm.“ Celik beantwortet für sich die Frage mit strengen, aber zugleich weibliche Kurven betonenden Entwürfen.

„Wir sind an einem Punkt, wo in der Mode nach neuen Rollenbildern gesucht wird“, sagt UdK-Professorin Valeska Schmidt-Thomsen. Dass ihre Studenten sich gerade darauf stürzen, zeigt ihr, dass das Studium eben nicht in einer Blase stattfindet, sondern dass Mode stark darauf reagiert, was in unserer Gesellschaft passiert: „Es gibt einen neuen Feminismus, der auch hier verarbeitet wird.“

Den entdeckt auch die Romanistikprofessorin Barbara Vinken: „In der Mode ging es immer darum, dass sich die Frauenmode der Männermode anpasst. Seit der französischen Revolution gehört den Frauen die Mode, der Anzug trat dahinter zurück.“ Auch die Literaturwissenschaftlerin hat festgestellt: Die Männermode orientiert sich plötzlich an der der Frauen. Enge Schnitte, mehr Dekoration, mehr Haut. Und eine Prognose liefert Barbara Vinken auch: Wenn alles gut geht, bedeutet das mehr Geschlechtergleichheit und Erotik für alle.

Für die Schau am Dienstag, dem 2. Juli, um 21 Uhr im Admiralspalast gibt es 2x2 Karten zu gewinnen. Mail an mode@tagesspiegel.de

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