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Michael Zahn ist Chief Executive Officer (CEO) und verantwortet die strategische Ausrichtung der Deutsche-Wohnen-Gruppe.

© Kai-Uwe Heinrich

Deutsche-Wohnen-Chef Michael Zahn: „Der Berliner Mietendeckel bringt Chaos und sät Zwietracht“

Der Chef der Deutsche Wohnen über Mietendeckel, Wohnungsmangel und Städtewachstum – und das schlechte Image seines Konzerns. Ein Interview mit Michael Zahn.

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Michael Zahn, Jahrgang 1963, ist Diplom-Volkswirt und studierter Immobilienmakler. Seit Dezember ist er Vorstandsvorsitzender der Deutsche Wohnen.

Herr Zahn, wie lebt der Vorstandschef eines der größten privaten Immobilienunternehmen in Berlin – zur Miete?

Ich wohne in Potsdam, im Eigentum.

Können Sie die Lage von Menschen verstehen, die am Schwimmbad-Besuch ihrer Kinder sparen müssen, weil die Miete einen Großteil ihres Einkommens auffrisst?

Ja, das ist eine Situation, die wir so nicht hinnehmen dürfen. Nur sehr wenige Mieter der Deutschen Wohnen werden allerdings in dieser Lage sein. Im Marktvergleich bieten wir bezahlbaren Wohnraum an, auch nach Modernisierungen.

In den letzten Monaten ist Ihr Unternehmen zum Sinnbild einer gesellschaftlichen Verwerfung in Berlin geworden. Wie gehen Sie mit dem Vorwurf um, aus Profitinteresse das Grundrecht von Menschen auf eine bezahlbare Wohnung auszuhebeln

Der Vorwurf ist sehr plakativ. Aus meiner Sicht geht es nicht um Menschen, die ihre Wohnung verlassen müssen, weil wir modernisieren und Mieten erhöhen. Es geht vielmehr um vielfach vorhandene Ängste und die müssen wir ernst nehmen.

Ist die Angst denn unberechtigt?

Es gibt in Berlin zu wenige Wohnungen und es gibt Spekulationen, die zu teilweise unanständigen Preisen führen. Das kann niemand bestreiten, auch ich nicht. Wir allerdings, die Deutsche Wohnen, gehören nicht zu den Spekulanten und Glücksrittern. Wir sind Teil der Lösung und nicht Teil des Problems.

Das müssen Sie erklären.

Wir haben mit den Berliner Bezirken Vereinbarungen abgeschlossen, um soziale Härten durch Mietsteigerungen nach Modernisierung abzufedern. Wir haben 4800 Mieter, die ihre Miete nicht bezahlen können und mit denen wir Ratenzahlungen vereinbart haben, zinsfrei, wir helfen bei Behördengängen, damit sie ihre Wohnung nicht verlieren. Das ist auch ein Beitrag für die Gesellschaft.

Wer ist schuld am Mietenwahnsinn?

Zuerst gibt es einen globalen Trend, dem sich auch Berlin nicht entziehen kann. Immer mehr Menschen zieht es in die Städte, wo es irgendwann nicht mehr genug Wohnungen gibt. Dann steigen die Preise. Eine Situation, vor der übrigens Einkommensschwache genauso wie Gutverdiener stehen. Und das diejenigen, die hier schon lange wohnen, genauso trifft wie neu hinzu kommende.

Sie sprechen wie über ein Naturphänomen.

Es ist ein globaler Trend. Städte wachsen und ländliche Räume schrumpfen. Ich bin nicht der einzige, der diese Entwicklung vorhergesehen hat. Und ich habe auch vor den Folgen gewarnt. Dass zum Beispiel, das Druckmittel einer Mietpreisbremse die Probleme einer stark wachsenden Stadt nicht lösen wird. Weil es keine neuen Wohnungen schafft. Ich war auf der Seite derer, die hofften, dass das Tempelhofer Feld bebaut wird.

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Ihre Weitsicht hat Ihnen zum Geschäft Ihres Lebens verholfen. Sie haben tausende Wohnungen vom Berliner Senat zu einem aus heutiger Sicht lächerlichen Preis gekauft.

Nein, der Senat hatte an Finanzinvestoren verkauft. Als ich 2008 zur Deutschen Wohnen kam und Teile der GEHAG gekauft habe, haben die Leute in Frankfurt und München gesagt, 950 € pro Quadratmeter seien viel zu teuer.

Aus heutiger Sicht haben Sie alles richtig gemacht.

Das stimmt wohl. Die Deutsche Wohnen hat rund 110.000 Wohnungen in Berlin. Unternehmerisch bin ich sehr erfolgreich. Gleichzeitig bin ich mir sicher, dass ich über einen längeren Zeitraum nicht zu den populärsten Menschen in Berlin gehören werde.

Wäre der Wohnungsmarkt heute so angespannt, wenn der Senat die Sozialwohnungen nicht verkauft hätte?

Ja, denn das Problem der großen Nachfrage bestünde trotzdem. Seinerzeit hat niemand an das boomende Berlin geglaubt, Wohnungen wurden nicht gebaut, soziale Förderung war ein Randaspekt der Politik. Außerdem war die Stadt in prekärer finanzieller Lage. Der Blick nach hinten hilft niemandem.

Was hilft, Herr Zahn?

Wir müssen mehr neue Wohnungen bauen. Und gleichzeitig nach Modellen suchen, die den sozialen Zusammenhalt in der Gesellschaft erhalten.

Reden wir zuerst über das Bauen. Wie viele Wohnungen hat die Deutsche Wohnen in den vergangenen fünf Jahren gebaut?

Es waren rund 300.

Das ist nicht gerade viel für ein so großes Unternehmen.

Wir würden gern viel mehr bauen, aber es dauert vier bis fünf Jahre, bis so ein Neubauprojekt auf dem Weg ist. Es gibt Widerstände, Genehmigungen werden nicht zügig erteilt. Wir werden in den nächsten Jahren 2500 Wohnungen bauen, 400 Millionen Euro in Neubau investieren. Und den werden wir zu hundert Prozent dem Mietwohnungsmarkt zuführen.

Gibt es ein Grundrecht auf eine bezahlbare Wohnung?

Jede Kommune, der Bund und die Länder sollten es als ihr höchstes Ziel sehen, bezahlbaren Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Allerdings stellt sich die Frage: Was ist bezahlbar?

Sagen Sie es uns.

Wenn jemand dreißig Prozent seines Einkommens für das Wohnen ausgibt, halte ich das für angemessen.

Eine vierköpfige Familie mit einem Einkommen von 2000 Euro dürfte die Wohnung 600 Euro kosten. Finden Sie in Berlin dafür mal eine Wohnung! Und wenn es Modernisierungen gibt, sind dreißig Prozent schnell überschritten.

Wir müssen die Diskussion doch ehrlich führen. Natürlich gibt es viele Menschen, deren finanzielle Grenzen eng sind. Aber es gibt auch viele, die genug verdienen, um sich Mietsteigerungen im Rahmen des Mietspiegels oder nach einer Modernisierung leisten können. Was wir brauchen, ist ein neues Solidarmodell. Politik, Eigentümer und Mieter müssen in gemeinsamer Verantwortung darüber sprechen, wer eine Förderung braucht und wie sie aussehen soll. Wie sozial gerecht ist es denn, wenn Besserverdienende von staatlichen Maßnahmen profitieren? Wir müssen Solidarität in der Gesetzgebung verankern. Wir brauchen mehr Markt dort, wo die Einkommen über bestimmte Grenzen hinaus gehen, also mehr Spielräume für die Vermieter die Mieten zu erhöhen, wo es sich die Mieter leisten können, um andere Haushalte quer zu subventionieren. Das passiert schon bei der Modernisierung. Da gibt es Kappungsgrenzen. Jeder, der es sich leisten kann, zahlt die acht Prozent in voller Höhe. Andere nicht. Das würde ich mir auch anderswo wünschen. Unsere Ideen zu dem Thema haben wir heute auf unserer Website öffentlich gemacht, um an dieser Diskussion teilzunehmen.

Aus Sicht der Immobilienwirtschaft ist Berlin bisher ein Eldorado der Geschäftemacher. Nun wehrt sich die Stadtgesellschaft gegen die Auswüchse. Gibt es Grenzen des Wachstums für Unternehmen wie Ihres?

Die Frage ist, welche Lehren wir ziehen. Wir können nicht dauerhaft gegen die Stadt ankämpfen. Wir sind Teil dieser Stadt und müssen unseren Beitrag zur Stadtgesellschaft erbringen. Nur so können wir erfolgreich sein. Die Deutsche Wohnen ist kein Spekulant. Wir mussten erkennen, dass unsere Geschäftspolitik nur mit zufriedenen Mietern funktioniert. Die Kritik am Unternehmen war in einer Hinsicht richtig. Bis jetzt stand die Immobilie im Fokus unseres Interesses. Nun muss der Mieter stärker hineinrücken.

Das klingt gut, aber das Bild der Deutschen Wohnen bei den Mietern ist anders. Sie schaffen das zu ändern?

Ich bin sicher, dass wir das schaffen. Wir werden besser, das verspreche ich. Im Winter 2016 waren bis zu 10.000 Wohnungen von Heizungsausfällen betroffen. Letztes Jahr waren es nur noch 3500 Wohnungen. Immer noch zu viel, aber deutlich besser. Und um die Mieter haben wir uns sofort gekümmert, das hat vor zwei Jahren nicht so funktioniert. Heute bieten wir den Mietern flächendeckend Mietminderungen an, wenn so etwas passiert, wir warten nicht mehr, ob sich jemand beschwert. Wir tun das auch aus eigenem Interesse. Letztes Jahr haben uns Heizungsausfälle und kaputte Aufzüge 3,2 Millionen Euro gekostet.

Als Geister verkleidete Demonstranten vor der Hauptversammlung von Deutsche Wohnen in Frankfurt.
Als Geister verkleidete Demonstranten vor der Hauptversammlung von Deutsche Wohnen in Frankfurt.

© Frank Rumpenhorst/dpa

Diese Woche hat der Senat einen Mietendeckel beschlossen, der das Anheben der Mieten für fünf Jahre untersagt – trotz Warnungen auch von Genossenschaften und städtischen Wohnungsgesellschaften vor den Folgen. Andere Branchen sind effektiver in ihrer Lobbyarbeit. Was ist schiefgegangen?

Die großen Verbände müssten sich vielleicht besser abstimmen. War es wirklich glücklich, auf die Ankündigung eines Mietendeckels durch die Politik eine Mieterhöhungskampagne zu starten?

Sie meinen den Aufruf des Verbandes Haus & Grund an alle Vermieter in der Stadt, noch rasch vor dem vergangenen Dienstag die Mieten anzuheben.

Ja. Ich bin nicht sicher, ob uns das in der aufgeheizten Atmosphäre hilft.

Haben auch Sie den Mietern vorsorglich Mieterhöhungen zugeschickt?

Nein. Wir haben das bewusst nicht getan und damit den Spielraum vergeben, den der Mietspiegel 2019 uns eröffnet hätte.

Ihre Aktionäre werden das wohl weniger gut finden.

Unsere Aktionäre sind an langfristigen Geschäften interessiert. Der Senat hat jetzt ein Eckpunktepapier beschlossen. Und ich glaube, jedem wird langsam bewusst, wo die wirklichen Schäden liegen werden, wenn daraus am Ende ein Gesetz werden sollte. Für uns als gut finanziertes großes Unternehmen wird die Lage vermutlich beherrschbar sein. Für die kleinen Vermieter sieht das anders aus. Sie werden demnächst von den Banken aufgefordert werden, Eigenkapital nachzuschießen, weil der Mietendeckel die Beleihungsbedingungen negativ beeinflussen wird.

Was kostet die Deutsche Wohnen der Senatsbeschluss?

Ich will keine Zahlen nennen, das wäre nicht seriös. Unsere Verschuldungsquote beträgt 40 Prozent. Die Deutsche Wohnen hat einen positiven Cashflow, wir haben einen langen Atem.

Werden Sie das Gesetz akzeptieren, wenn es vom Abgeordnetenhaus beschlossen ist, oder werden Sie dagegen klagen?

Dazu gebe ich keinen Kommentar ab. Ich setze darauf, dass es ein Gesetz geben wird, mit dem wir alle leben können, die Mieter, die Vermieter und auch die Politik.

Das Gegenteil ist zurzeit der Fall. Der Senat hat Eckdaten beschlossen, mit einer Formulierung, die noch klarer und gerichtsfester ist, als ursprünglich geplant. Kompromissbereitschaft ist nicht erkennbar.

Das müssen wir ändern. Am Ende haben die großen Immobilienunternehmen, ob genossenschaftliche, städtische oder wir private ein gemeinsames Interesse mit unseren Mietern und der Stadtgesellschaft. Wir wollen ein gutes Einvernehmen. Ein Mietendeckel, wie er jetzt im Eckpunktepapier steht, bringt eher Chaos und sät Zwietracht. Ich glaube daran, dass es noch andere Wege geben kann, die Mietentwicklung zu dämpfen. Diese Vorschläge machen wir jetzt und bringen sie in die Debatte ein.

Wie sollen die aussehen?

Der Regierende Bürgermeister, Michael Müller, wird an einer Lösung der Wohnungsfrage interessiert sein. Deshalb schlage ich vor, dass er einen Berliner Wohngipfel einberuft und dort die Vorschläge der unterschiedlichen Beteiligten auf den Tisch kommen, diskutiert werden und wenn nötig und juristisch möglich in ein Landesgesetz einfließen, das alle bürgerlichen Parteien der Stadt, also auch die Grünen, tragen können.

Was schlagen Sie vor?

Wir haben in den letzten Monaten an einem Konzept gearbeitet. Dessen Grundgedanke ist der gesellschaftliche Ausgleich, das Solidarprinzip. Unser Vorschlag sieht vor, bei Mieterhöhungen, Modernisierungsumlagen und Neuvermietung die individuelle Lebens- und Einkommenssituation der Mieter zu berücksichtigen. Niemand soll mehr als 30 Prozent seines Nettoeinkommens für die Miete ausgeben müssen. Übersteigt eine Mieterhöhung im Rahmen des Mietspiegels diesen Betrag, wird sie gedeckelt.

Wer soll festlegen, ab welchem Einkommen die Miete gedeckelt wird und bei welcher Kappungsgrenze?

Der Gesetzgeber könnte festlegen, innerhalb welcher Einkommensgrenzen Vermieter eine Mieterhöhung umsetzen dürfen. Und zwar auf der Grundlage eines rechtssicheren Mietspiegels mit bundeseinheitlichen Standards, die es Vermietern und Mietern ermöglichen, die ortsübliche Miete rechtssicher abzuleiten. Und im Bereich der Neuvermietung schlage ich eine Quote vor. Jeder Vermieter könnte gesetzlich verpflichtet werden, eine bestimmte Quote seiner neu zu vermietenden Wohnungen an Mieter zu vermieten, die Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein haben. Wir als großes Unternehmen sind bereit, jede vierte Wohnung an WBS-Berechtigte zu vermieten.

Im Senat haben sich Linke, Grüne und SPD zum Mietendeckel klar bekannt. Glauben Sie wirklich, dass sich die Koalition noch umstimmen lässt?

Wir sind jetzt im demokratischen Prozess. In der vergangenen Woche hat die Regierung ein Konzept vorgelegt. Das bedeutet: Der Mietendeckel steht noch nicht. Jetzt ist es an allen gesellschaftlichen Kräften, über den Beschluss des Senats zu sprechen, bevor die Abgeordneten daraus ein Gesetz machen. An dieser Diskussion wollen wir als Deutsche Wohnen teilnehmen. Es gibt die Chance, in den nächsten sechs Monaten an einer Konsens-Lösung zu arbeiten, die nicht zu einer Spaltung der Gesellschaft führt. Wir nennen Sie auch einen Mietendeckel, aber einen, den wir alle tragen können und der sozial gerecht ist. Niemand hat etwas von Verunsicherung, jahrelangen Klagen vor Gericht und gesellschaftlicher Spaltung.

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