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Die Clubnacht im Berlinale-Palast: Schulterfrei im Schneegestöber
Am frühen Morgen wirkt die Stadt wie in Zucker gebadet, filmreif und doch ganz anders als im Kino. Da tanzen die Galagäste noch im Keller.
Stand:
Nachts um zwei hat sich die Stadt dann in eine wundersame Märchenlandschaft verwandelt. Angesichts der dick überzuckerten Äste und Zweige und sogar Straßenschilder hätte man erwarten sollen, dass die verbliebenen Filmschaffenden mit geschulterten Kameras als Meute aus dem Berlinale-Palast herausstürmen, um die Stadt vom Regen befreit auf ihre Linsen zu bannen.
Aber sowas passiert nur im Kino. Außerdem, auch das gehört zu Berlin, ist die Clubnacht im Keller da gerade erst richtig in Schwung gekommen. Der Champagner-Bar auf der Parkett-Ebene mag langsam schon schließen, aber hier unten gibt es noch reichlich Campari und Wein und Bier, als stünden nicht anstrengende Tage bevor. Die schicken spanischen Autos an der Auffahrt müssen noch ein bisschen auf Passagiere warten.
Mit den altvertrauten Ritualen und der neuen Gastgeberin ist die Berlinale in die Geburtstagssaison gegangen. Was trägt man, wenn man zwei Stunden lang draußen auf dem roten Teppich Hände schütteln muss? Tricia Tuttle hatte sich für ein elegantes schwarzes Bustierkleid entschieden, von Dior, wie es hieß, unter das immerhin auch noch ein schwarzer Rollkragenpullover passte.

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Ansonsten durften vor allem die Schauspielerinnen wieder unter Beweis stellen, wie tough es in dem Beruf eben auch zugehen kann. Schulterfrei im Schneegestöber, auch das ist ein Bild, das mit der Berlinale fest verbunden ist. Vielleicht schneit es nicht jedes Jahr, wie Tilda Swinton in ihrer vielschichtigen Dankesrede für den Ehrenbär meint.
Die Wärme, die ein großes Festival braucht, kommt eh woanders her und auch das erwähnt sie. Die Partys, auf denen manchmal Freundschaften entstehen, gehören eben auch dazu. Wie der in der Regel eher schüttere Beifall für den Eröffnungsfilm, trotz immer mal aufbrandenden Zwischenapplauses.
Picknick und lobende Worte
„Er war ein bisschen lang“, meint Ehrenbürgerin Margot Friedländer auf ihre erfrischende Art. Dabei war angesichts des über vierstündigen Programms sogar an Picknicktüten mit Brezeln und Tee gedacht worden.
Lobende Worte für den knapp dreistündigen Film gibt es unter anderem von Kunstanwalt Peter Raue und Filmemacher Volker Schlöndorff, der in zwei Jahren wieder an den Start gehen will. Relativ rasch verschwunden ist der Regierende Bürgermeister Kai Wegner, der mit Partnerin zur Gala gekommen ist.
Currywurst-Empfang als Alternative zum Gemüse
Regina Ziegler schafft es, den rund um Mitternacht noch im korrekten Anzug geduldig in die Kameras sprechenden Lars Eidinger, einen Moment loszueisen, hebt sich ihr endgültiges Urteil aber lieber doch bis zum Morgen danach auf. Da zeigt sich die Profifrau, tatsächlich öffnen sich manche Ebenen eines Films erst nach und nach.
Mit ihrem Currywurst-Empfang am Freitagnachmittag hat die Produzentin dem Partyreigen einen potenziellen Knaller hinzugefügt. Egal wie viel gesundes Gemüse oder auch luxuriöse Langusten es sonst so gibt, in Berlin schmeckt die Wurst immer noch am besten.
Die Warnung auf dem Abendkleid
Viele weiße Roben passen zum Schnee. Luisa Neubauer hat ihre auf dem Rücken mit der in schwarzen Lettern aufgeschriebenen, englischsprachigen Warnung verziert, dass die Demokratie im Tageslicht stirbt. Beim Anblick von Claudia Roths überraschend dezentem moosgrünen Outfit fällt einem prompt wieder der Wahlkampf ein. Herbert Grönemeyer trägt die Rockstar-Uniform, schwarzes T-Shirt zum schwarzen Mantel.
Sandra Maischberger schafft es, trotz Omnipräsenz im TV, entspannt zu plaudern. Die ehemalige Kulturstaatsministerin und Berlinale-Förderin Monika Grütters schmiedet schon Pläne für das Leben nach der Politik. Wenn in zehn Tagen die Bären vergeben werden, bekommt sie da womöglich auch noch unfreiwillige Gesellschaft.
Eine sehr schöne Geburtstagsidee dürfen die Opening-Gäste als Vorfilm erleben. Die hätte das Zeug, eine neue Tradition zu werden. Ausschnitte von den roten Teppichen der frühen Jahre und aus den Gewinnerfilmen wecken Erinnerungen. Auch hier im Saal sind manche schon seit Jahrzehnten an Bord. Sie können nachvollziehen, was Tilda Swinton meint, wenn sie sagt, dass sie sich zu Hause gefühlt habe.
Schecks und weiße Würste
Am Freitagmittag geht es weiter mit weißen Würsten beim großen Empfang des FilmFernsehFonds Bayern in der Landesvertretung. Auf dem Programm steht nach der Rede von Geschäftsführerin Dorothee Erpenstein eine Scheckübergabe.
Die Teams der Filme „Der Nachname“ und „Weißt Du noch“, können Fördergelder zurückgeben. Und sie finden hier ein qualifiziertes Publikum für den stolzen Moment. Unter anderem die Präsidenten der Filmförderanstalt und der Produzentenallianz, Bernd Neumann und Björn Böhning, sind gekommen, außerdem die Produzentinnen Alice Brauner und Regina Ziegler.
Florian Gallenberger, RBB-Intendantin Ulrike Demmer und die Intendantin des Bayerischen Rundfunks, Katja Wildermuth, werden ebenfalls namentlich begrüßt. Die Politik ist diesmal nicht so stark vertreten, da gehen Wahlkampf und Münchner Sicherheitskonferenz vor.
Einen Nachwuchsförderpreis in Höhe von 60.000 Euro gibt es auch noch. Den bekommt das Team des Familienfilms „Sonnenplätze“. Es geht eben, bei allem Glitzern, auch immer ums Geld. Die nächste Berlinale dürstet schon nach Filmen, die erst noch finanziert werden müssen.
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