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Von wegen Amsel, Drossel, Fink und Star: Keinen Vogel gibt es so häufig in Berlin wie den Spatz.

© picture alliance/dpa

Die größten Luftnummern: Das sind die häufigsten Berliner Vogelarten

Der Naturschutzbund ruft im Winter dazu auf, Vögel zu zählen. Die Auswertung zeigt: Ein Virus geht um, der Süden ist out.

Der Spitzenreiter: Spatz

Keinen Vogel gibt es so häufig in Berlin wie ihn: Mehr als 20 000 Exemplare wurden dieses Jahr gezählt. Der Spatz liebt Berlin. Denn hier gibt es viele Nistplätze für ihn. Er mag es in Nischen, nistet in unsanierten Altbaufassaden, Ritzen und Löchern. „Er mag wilde Ecken. Und die gibt es ja in Berlin zuhauf: nicht gepflegte Grünflächen oder verwilderte Grundstücke“, sagt Marius Adrion vom Nabu. „Und an Nahrung nimmt er alles, was er kriegen kann.“

Deshalb pickt er auf Cafétischen frech die Krümel vom Teller und jagt im Zoologischen Garten Insekten. Durchschnittlich 8,5 Spatzen wurden dieses Jahr pro Berliner Garten gesichtet, das sind sogar noch mal mehr als im Jahr zuvor. Zum Vergleich: In Hamburg sind es nur 2,2. Bundesweit ist Berlin bei der Spatzenmenge auf Platz drei. In Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt hopsten noch mehr Spatzen durch die Gärten.

Die ewige Zweite: Kohlmeise

Eine Kohlmeise (Parus major) an einem Futterplatz für Vögel.
Eine Kohlmeise (Parus major) an einem Futterplatz für Vögel.

© Patrick Pleul /lbn

Die Zahl der kleinen Kohlmeisen mit den schwarzen Köpfchen hat leicht abgenommen im Vergleich zum Vorjahr (drei Prozent). Aber auch wenn das nicht der Fall gewesen wäre: Den Spatz kann sie niemals einholen. 10000 Kohlmeisen wurden dieses Jahr gezählt, beim Spatz waren es doppelt so viele. Sie ist auf ewig Zweite. Ihre Verwandte, die Blaumeise , ist auf Platz drei. Dabei ist die Kohlmeise die dritthäufigste Vogelart in Deutschland – der Spatz nur die fünfthäufigste.

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Aber die Meise hat Pech: „Die Zählung ist schuld“, sagt Adrion. Denn die Meise lebt vor allem im Wald, gezählt wird aber in Ballungsräumen. Und dort hat der Spatz Heimvorteil. In den Spandauer Wäldern aber regiert die Meise. Wer sie anziehen will, sollte einen Meisenknödel in den Garten hängen. Dort krabbelt die Akrobatin gerne herum.

Der Zocker: Zilpzalp

Zilpzalps werden häufiger in Berlin gesichtet, da die Winter wärmer werden.
Zilpzalps werden häufiger in Berlin gesichtet, da die Winter wärmer werden.

© Education Images/Universal Image

Zugegeben, es wurden nur 13 Zilpzalps gesichtet, er ist auf Platz 71 der Rangliste. Doch er ist der Aufsteiger unter den Berliner Wintervögeln: 140 Prozent mehr Zilpzalps wurden in diesem Jahr gesichtet. Der Grund ist der warme Winter. „Ein großer Teil der Vögel zieht im Winter nach Süden und bleibt im Mittelmeerraum. Aber ein Teil der Vögel wettet auf den warmen Winter“, sagt Adrion. „Dann können sie im Frühjahr die besten Brutplätze in Anspruch nehmen.“

Wenn sie Pech haben und es kalt wird, sterben sie. Denn der Zilpzalp frisst fast ausschließlich Insekten. Überwintern ist also riskant: Wenn der Schnee kommt, dann ist es sehr schwierig. Doch der Winter war warm, die Zocker haben profitiert. Man findet ihn in Grünflächen und Waldbereichen. Aber er ist schwer zu sehen, weil er so winzig ist. Und dann auch noch grün! Stattdessen lieber hinhören: Er heißt Zilpzalp, weil genau das sein Gesang ist. Das nächste Mal im Park also lauschen.

Die Erkrankte: Amsel

Eine erkrankte Amsel hockt im Gras.
Eine erkrankte Amsel hockt im Gras.

© Martin Gerten/dpa

20 Prozent weniger Amseln wurden dieses Jahr in Berlin gesichtet. Sie ist die große Verliererin unter den Wintervögeln, rutscht deshalb auf Platz fünf ab. Der Grund ist wahrscheinlich: ein Virus. „Es gibt viel weniger Amseln als noch vor ein oder zwei Jahren. Das liegt wahrscheinlich am Usutu-Virus 2018, der vor allem diese Region betroffen hat“, sagt Adrion vom Nabu.

Das Virus wird von Stechmücken übertragen, kommt aus Zentralafrika und wurde wahrscheinlich mit Zugvögeln nach Deutschland gebracht. Es befällt viele Vogelarten, aber Amseln sind offensichtlich auf eine Art und Weise besonders anfällig. Die Amseln werden innerhalb kurzer Zeit orientierungslos und bewegungsunfähig und sterben.

Doch Adrion ist sich sicher: Die Amsel wird sich wieder erholen. Und selten ist sie trotzdem nicht. „Der Gesang der Amsel ist einer der bekanntesten Vogelgesänge und für viele Naturinteressierte ein Zeichen, dass Vögel aktiv sind“, sagt Adrion.

Der Zugezogene: Eichelhäher

Ganz schön hungrig: Ein Eichelhäher schluckt eine Erdnuss.
Ganz schön hungrig: Ein Eichelhäher schluckt eine Erdnuss.

© Georg Wendt/dpa

Keine Sorge, der Eichelhäher schnappt niemandem die tolle Altbauwohnung mit der perfekten Anbindung weg. Doch er ist deutlich häufiger gesichtet worden als noch im vergangenen Jahr: 15 Prozent mehr Eichelhäher waren es 2020. Die kommen ziemlich sicher aus Osteuropa, sagt der Experte vom Nabu, Marius Adrion: „2018 war dort ein sehr gutes Jahr für Eichelhäher – viele der Vögel haben den Winter überlebt.“

Die haben sich fortgepflanzt. Das führte zu einer Überpopulation und gleichzeitig gab es im Herbst 2019 eine schlechte Ernte. Der Eichelhäher frisst vor allem Sämereien, Nüsse und eben Eicheln. Das veranlasst die Vögel dann, in Massen abzuziehen – unter anderem nach Berlin. „Die Menge an Vögeln, die wir jetzt sehen, das sind Einwanderer oder Hungerflüchtlinge, weil sie in ihren osteuropäischen Brutgebieten nicht mehr genug Nahrung gekriegt haben.“

Jetzt sind sie also hier. Man sieht sie vor allem da, wo – Sie ahnen es – Eichen stehen. Leicht zu erkennen sind sie an ihrem strahlend blauen Streifen auf dem Flügel.

Der Newcomer: Seidenschwanz

Invasion der Seidenschwänze: 12000 Prozent mehr von ihnen wurden diesen Winter gesichtet.
Invasion der Seidenschwänze: 12000 Prozent mehr von ihnen wurden diesen Winter gesichtet.

© Patrick Pleul/dpa

Der Seidenschwanz hat nicht nur einen eleganten Namen, er ist auch noch sehr schön: Mit seinem roten Schweif auf dem Kopf und leuchtend gelben Streifen auf dem Schwanz sieht er ein bisschen aus wie ein Rennauto mit Flügeln. Und er ist eine Sensation: „Gegenüber dem Vorjahr ist er 12000 Prozent mehr gesehen worden“, sagt Marius Adrion vom Nabu. Ja, richtig gelesen, 12000 Prozent.

127 Exemplare wurden gesichtet, im Vorjahr war es nur einer. Er brütet nicht in Deutschland, kommt eigentlich aus Russland und Skandinavien. Aber wenn es dort kalt ist, kommen immer wieder Seidenschwänze nach Berlin. Zu Anfang Februar sind es noch mal wesentlich mehr geworden. Vor allem im Park am Gleisdreieck, dort fliegen wohl insgesamt mehr als 500 Seidenschwänze herum.

Vögel selbst beobachten – das wird benötigt

Wer Vögel beobachten will, braucht ein Fernglas. Gut ist auch ein Buch oder eine App, mit der man die Vögel zuordnen kann. Der Spatz hopst überall durch Berlin, den Eichelhäher finden Sie in der Nähe von Eichen oder Nussbäumen. Meist sind Vögel dort, wo auch andere Natur ist, in Parks etwa. Ideal sind Friedhöfe – dort ist es ruhig, es gibt Gestrüpp und Natur, aber menschliche Siedlungen sind nicht weit. Daher ist die Vogelvielfalt in Berlin sehr groß.

Wie funktioniert es?
Hinsetzen oder ruhig durch den Park schlendern, das Fernglas griffbereit haben. Lauschen Sie, ob Sie die Vögel singen hören. Und folgen Sie dem Gesang.

Warum macht man so etwas?
Die Stadtnatur und die eigene Umwelt zu erleben, kann bereichernd sein. So lernt man seine Stadt einmal von einer anderen Seite kennen.

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