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Die Haushaltsmittel für den Kitaausbau reichen nicht - auch das bereitet den Trägern Probleme.

© Kitty Kleist-Heinrich

Update

„Nicht umsetzbar mit Grünen und Linken“: Eine Kitapflicht für alle ist in Berlin erst mal vom Tisch

Rot-Rot-Grün will’s wissen – und plant ambitionierte Änderungen des Schulgesetzes. Sekundarschulen sollen zum Abi führen. Bei Kitas ist man sich nicht einig.

Den Sticheleien innerhalb der rot-rot-grünen Koalition in Berlin zum Trotz wollen die Bildungsexpertinnen der Fraktionen im letzten Jahr der Legislatur noch gemeinsam weitreichende Gesetzesänderungen auf den Weg bringen. Insbesondere die SPD hegt große Pläne: Sie will den freien Schulen verbieten, über Elternbeiträge und die Bezahlung ihrer Mitarbeiter selbst zu bestimmen. Zudem sollen alle Sekundarschulen direkt zum Abitur führen.

Die ursprünglichen Pläne hinsichtlich einer Kitapflicht für Fünfjährige sind aber vom Tisch: „Das ist nicht umsetzbar mit Grünen und Linken“, begründet SPD-Jugendpolitikerin Melanie Kühnemann-Grunow den Rückzieher – was sie bedauert angesichts der großen Sprach- und Motorik-Defizite der Erstklässler. Allerdings will sie das Ziel neu aufrufen, sobald es wieder mehr Erzieherkräfte gibt - sie hätte die SPD jedenfalls hinter sich.

Virulent ist das Thema Privatschulfinanzierung: Über diesen Hebel will Rot-Rot-Grün - wie berichtet - dafür sorgen, dass in den freien Schulen mehr Kinder aus armen Familien ankommen. SPD-Bildungsexpertin Maja Lasic hat daher weitreichende Regulierungsmöglichkeiten vorgeschlagen, darunter die vollständige Befreiung einkommensschwacher Familien von Schulgeldern. Dieser Punkt ist nicht strittig und wird auch von vielen freien Schulen mitgetragen – allerdings nur, wenn das Land für die dann ausfallenden Elternbeiträge aufkommt.

Wie das gehen soll, muss noch geklärt werden, denn in der Koalitionsvereinbarung wurde eine kostenneutralen Regelung angepeilt, und auch in der Lasic-Ideensammlung für die Schulgesetzänderung tauchte die Kostenneutralität wieder auf. Dennoch könnte es sein, dass sich die Bildungsexpertinnen dagegen entscheiden, weil klar ist, dass Einnahmeausfälle kompensiert werden müssten, wenn man will, dass die freien Schulen arme Kinder aufnehmen. Das dürfte zu den Punkten gehören, die die Bildungsexpertinnen ab Oktober mit den Haushältern ihrer Fraktionen bereden müssen.

„Nicht grundgesetzkonform", sagen die Waldorfschulen

Andere Punkte könnten strittiger sein. So hatte Lasic als Ziel formuliert, dass „private Schulen durch staatliche Zuschüsse und Pflichtgebühren nicht mehr Geld zur Verfügung haben als staatliche Schulen“. Dieser Punkt dürfte schon daran scheitern, dass niemand weiß, wie viel Geld staatliche Schulen tatsächlich „zur Verfügung haben“ und daran, dass „Pflichtgebühren“ laut Detlef Hardorp, dem bildungspolitischen Sprecher der Waldorfschulen, nicht grundgesetzkonform wären.

SPD-Bildungspolitikerin Maja Lasic, hier mit Fraktionschef Raed Saleh, hat die Reformvorschläge unterbreitet.
SPD-Bildungspolitikerin Maja Lasic, hier mit Fraktionschef Raed Saleh, hat die Reformvorschläge unterbreitet.

© Kai-Uwe Heinrich

Noch ein weiterer Punkt könnte die freien Schulen auf die Barrikaden bringen: So heißt es im besagten SPD-Papier, das dem Tagesspiegel vorliegt, dass das gesamte Personal an freien Schulen „nach Tarifordnung“ zu bezahlen sei. Das aber würde die Schulen vor große Probleme stellen: So schaffen es etliche freie Schulen nur deshalb, geringe Elternbeiträge für sozial Schwache zu realisieren, weil die Mitarbeiter auf Gehalt verzichten. Das wäre dann nicht mehr möglich.

Und wenn Mitarbeiter freiwillig auf Gehalt verzichten?

Zudem benötigen Waldorfschulen mehr Personal, weil bei ihnen Fächer wie Handwerk und Kunst mit mehr Stunden unterrichtet werden: Wenn alle Lehrer nach Tarif bezahlt werden müssten, wäre dieses besondere Profil nicht mehr finanzierbar. Wieder andere Schulen legen Wert darauf, dass alle Mitarbeiter gleich viel verdienen: Erzieher erhalten dort das Gleiche wie Lehrer und Geschäftsführer. Wenn diese nach Tarif bezahlt würden, könnte man den Erziehern nicht das Gleiche zahlen, ohne die finanziellen Grenzen zu sprengen.

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All diese Argumente haben dem Vernehmen nach bereits dazu geführt, dass vieles vom Lasic-Papier verworfen wurde. Einig sei man sich aber darin, dass freie Grundschulen künftig nicht mehr fünf Jahre warten sollen, bis sie staatliche Zuschüsse bekommen, sondern drei.

Um Oberstufen für alle wird schon lange gerungen

Weniger Streit als um die Finanzierung der freien Schulen dürfte es bei der Frage der Sekundarschulen ohne Oberstufen geben. SPD-Expertin Lasic verfolgt das Ziel, dass jede Sekundarschule eine eigene gymnasiale Oberstufe oder zumindest eine im Verbund mit anderen Sekundar- oder Berufsschulen haben soll, um ihre Attraktivität zu steigern.

In dieser Richtung gibt es schon seit langem Bemühungen, und Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) hatte dafür eigens eine Expertenkommission eingesetzt. Seitdem wurden zwar neue Oberstufen und Verbünde gegründet, aber es gibt keine flächendeckende Lösung. Vielmehr müssen etliche Schulen ihre Schüler weiterhin auf die Oberstufen von Berufsschulen verweisen – so wie es ursprünglich bei der Sekundarschulreform auch beschlossen worden war.

Es geht um den "Kampf gegen Segregation"

„Wir müssen anerkennen: Sekundarschulen und Gemeinschaftsschulen mit eigener Oberstufe werden gegenüber den entsprechenden Schulformen ohne eigene Oberstufe bevorzugt“, heiß es bei Lasic. Die bisherige „rein kooperative Form“ der Zusammenarbeit zwischen Berufsschule und Sekundarschule habe sich „im Kampf gegen Segregation an Schulen als hinderlich erwiesen“ und sei daher abzulehnen.

Die Koalition will im September die Eckpunkte ihre Gesetzesänderung weiter abstimmen. Dazu könnte auch eine Reform des Losverfahrens für die siebten Klassen und die Stärkung der Mittel für Demokratieförderung gehören.

Die Linke verfolgt bei der Gesetzesänderung die Stärkung der Schulsozialarbeit und der Gemeinschaftsschulen, wie die bildungspolitische Sprecherin Regina Kittler auf Anfrage sagte. Die Grünen äußern sich noch nicht.

Die freien Schulen reagieren enttäuscht

Die Arbeitsgemeinschaft der Freien Schulen reagierte enttäuscht auf Lasic' Vorschläge zur Finanzierung: "Seit Jahren suchen wir das Gespräch mit Verwaltung und Politik, um die komplexen Herausforderungen der Berliner Bildungslandschaft zu erörtern", sagte Sprecher Andreas Wegener auf Anfrage. Zu allen Fragen der Integration, Inklusion, Schulgeld, Zugänglichkeit, Schulbau habe die AG Vorschläge gemacht, sei aber nicht gehört worden. Vielmehr seien die Gespräche seit Februar "weitgehend zum Erliegen gekommen".

[Infos zum nächsten Tag der freien Schulen am 27. September gibt es hier. Motto: "Wer hat Angst vor freien Schulen?"]

Gleichzeitig habe es "Berlin nicht ausreichend geschafft, die schulischen Grundvoraussetzungen zu schaffen, nämlich Personal und Räume". Auch das beeinträchtige die Arbeit der freien Schulen. Am 27. September laden sie unter dem Motto: "Wer hat Angst vor freie Schulen" zur Diskussion.

Kritik kam auch vom ehemaligen Landesschülersprecher Miguel Góngora, der unlängst eigene Gesetzesvorschläge unterbreitet hatte. Zwar seien Verbundoberstufen und die Stärkung der Demokratie an Schulen "notwendig und wichtig". Der SPD-Nachwuchspolitiker wünscht sich aber überdies, dass "meine Partei Lösungen vorlegt als Reaktionen auf den Skandal rund um die Ballettschule und im Allgemeinen zum Thema Eliteschulen, zum Lehrkräftemangel, zur Schulbauoffensive, zur Digitalisierung und zum Rahmenlehrplan".

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