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Das SchwuZ (SchwulenZentrum) in der Rollbergstraße in Neukölln.

© SchwuZ/Guido Woller / SchwuZ/Guido Woller

Update

Emotionale Reaktionen auf das Aus des Schwuz: „Ihr wart meine Startrampe zur Selbstfindung, mein Wohnzimmer, mein Safe Space“

Emotional und sehr persönlich äußern sich viele queere Menschen in Berlin zur Schließung des Schwuz. Auch aus der Berliner Landespolitik kommen erste Reaktionen.

Stand:

Das Schwuz schließt nach fast 50 Jahren – und viele Menschen in der queeren Community in Berlin trauern: Seitdem der Club am Donnerstag bekannt gab, dass am 1. November die Türen für immer schließen, äußern sich in den Sozialen Medien viele Menschen.

Für viele verschwindet nun ein wichtiger Ort. „Jetzt geht uns eine echte Institution verloren“, schreibt eine Person. Für andere ist es „ein Stück schwule Geschichte“ oder „eine so große Stütze unserer Community“, die es bald nicht mehr gebe – und „ein wahrer Verlust für Berlin“. Eine Person ist „traurig, dass ein so bedeutender Ort für queere Kultur und Geschichte einfach verschwindet und kaum jemand reagieren möchte“. Das zeige, „wie wenig Unterstützung unsere Szene manchmal wirklich bekommt“. An anderer Stelle heißt es: „Das queere Berlin wird ohne euch nicht das Gleiche sein.“

Neben der Trauer ist auch viel Dankbarkeit zu lesen. „Danke für die wunderbaren Jahre“, schreibt eine Person, eine andere „Danke für alles, Schwuz!“, eine weitere ist dankbar „für die schönsten Erinnerungen und Momente, die wir da mit euch erleben durften.“ Auch dem Team des Clubs wird gedankt „für all die schönen Nächte und den Schutzraum, den ihr all die Jahre für uns betrieben habt“. Eine andere Person schreibt: „Ich wünsche allen ehemaligen und jetzigen Mitarbeitenden, dass sie die letzten Tage gut durchhalten, angemessen Abschied nehmen können und schnell eine neue berufliche Bleibe finden!“

Schwuz als wichtiger Ort der Selbstfindung

Für viele hatte das Schwuz eine große persönliche Bedeutung. „Es hat auch für mein Coming-out eine wichtige Rolle gespielt“, schreibt eine Person. „Wie unfassbar viele tolle Nächte ich bei euch hatte. Ihr seid ein Teil meines Großwerdens“, heißt es an anderer Stelle. „Ich habe mich im Schwuz auf so viele Weisen entdeckt und jedes Mal dennoch sicher gefühlt“, schreibt eine weitere Person.

„Danke für all die Nächte, in denen ich mich getraut habe, ein Stück mehr Ich zu sein“, „Vielen Dank, dass ihr mich so sehr dabei unterstützt habt, so zu sein, wie ich heute bin“ und „Durch euch bin ich zu dem geworden, der ich heute bin“ kommentieren andere. Für eine Person wird das Schwuz „für immer Teil meines Herzens sein, denn es ist der Ort, an dem ich vor mehr als zwölf Jahren gelernt habe, mich selbst zu lieben und zu akzeptieren, wie ich bin“. An mehreren Stellen ist zu lesen: „Mein Herz weint“.

Ihr wart der Beginn meines queeren Lebens, meine Startrampe zur Selbstfindung, mein Wohnzimmer, mein Safe Space.

Ein Kommentar zum Aus des Schwuz

Für manche war das Schwuz „ein Zufluchtsort“, „meine Startrampe zur Selbstfindung, mein Wohnzimmer, mein Safe Space“ oder „der erste Ort, an dem ich mich frei fühlte“. „Hier hab ich mich ein Stück weit selbst gefunden und bin für immer dankbar“, schreibt eine Person.

Doch nicht nur für queere Menschen geht mit dem Schutz ein wichtiger Ort verloren. „Ich als nicht-queere Person muss ich sagen, dass ich das Schwuz immer sehr geliebt habe“, schreibt eine Person. „Ein Ort der Toleranz, der guten Laune, ein Zeichen für Berlin und eine Community, die ich immer geschätzt habe und die eine tolle Abwechslung im Vergleich zu vielen anderen Partys und Clubs darstellte.“

Manche äußern Kritik und Unverständnis

In den Kommentaren in den Sozialen Medien ist allerdings auch Kritik und Unverständnis zu lesen. „Unfassbar, dass es nicht gelungen ist, eine Institution wie das Schwuz zu retten“, schreibt eine Person.

Seit dem Umzug des Schwuz vom Mehringdamm in den Rollbergkiez habe das Schwuz „seinen Glanz verloren“, kommentiert eine andere Person. Ähnlich äußert sich eine weitere: „Bedankt euch bei den Leuten, die es die letzten Jahre an die Wand gefahren haben. Wär es mal besser am Mehringdamm geblieben.“ Und: „Reflektiert mal euren Niedergang in Bezug auf das Management der letzten fünf Jahre – ein Trauerspiel.“

Hoffen auf eine Fortsetzung an einem anderen Ort

Viele hoffen trotz der angekündigten Schließung auf eine Fortsetzung an anderer Stelle. „Wir sind sehr berührt und traurig und hoffen auf einen Neubeginn“, lautet ein Kommentar. „Macht ihr woanders an anderer Stelle weiter?“, fragt eine Person. „Ich frage mich nach wie vor, ob das Schwuz in kleineren Locations und in einem anderen Bezirk nicht weitergeführt werden kann“, schreibt jemand. Ein anderer: „Ich glaube fest daran, dass die Idee vom Schwuz überlebt und wir an anderer Stelle weiterfeiern werden.“ Skeptischer ist ein anderer Kommentar: „Alles hat seine Zeit. So bitter es ist. Es liegt dann an der Community, andere Räume zu finden, zu erstreiten und zu halten.“

Ich bin unendlich traurig. Ein Riesenstück queerer Geschichte bricht weg!

Miss Ivanka T., Dragqueen

Auch zahlreiche Künstler*innen äußerten sich in den Sozialen Medien. „Ich bin unendlich traurig. Ein Riesenstück queerer Geschichte bricht weg! Danke für diese wunderbaren Jahre und Möglichkeiten, die ihr uns allen gegeben habt“, schreibt etwa Dragqueen Miss Ivanka T., die seit Jahren mit dem Schwuz verbunden ist und dort Partys veranstaltete. Drag-Kollegin Queen Amy Strong kommentierte: „Es bricht mir das Herz. Hier habe ich 2016 meine Liebe zur Drag-Kunst gefunden und hier wird mein Herz für immer bleiben.“

Und der Musiker Flamyngus schrieb: „Ein riesen Danke, dass ich bei euch als Künstler und als Mensch wachsen und zu mir selbst finden durfte. Ihr wart und bleibt für unzählige Menschen ein Ort voller Erinnerungen, Liebe und Empowerment. Für immer im Herzen.“

Opposition kritisiert fehlende Unterstützung des Senats

Bestürzt zeigte sich auch die Berliner Landespolitik. „Das Aus des Schwuz ist ein Schock“, teilte Werner Graf, Franktionsvorsitzender und Spitzenkandidat der Berliner Grünen für die kommende Abgeordnetenhauswahl, mit. Berlin verliere „mehr als nur einen Club, wir verlieren ein Stück queere Geschichte, einen sicheren Ort, ein Zuhause für Generationen“.

Graf kritisierte die Berliner Landesregierung. „Dass einer der ältesten queeren Clubs Europas nun schließen muss, ist ein Armutszeugnis für diesen Senat. Statt zu unterstützen, hat Kai Wegner nur zugesehen. Wer queeres Leben und Clubkultur nur feiert, wenn Kameras laufen, hat nicht verstanden, dass queere Räume kein Beiwerk sind, sondern das Rückgrat einer freien und offenen Stadtgesellschaft.“ Der Grünen-Politiker forderte „endlich eine dauerhafte Strukturförderung für queere Orte und Clubkultur“.

Klaus Lederer, queerpolitischer Sprecher der Linke-Fraktion im Abgeordnetenhaus, bezeichnete die Schließung des Schwuz als „schweren Schlag für queeres Leben in unserer Stadt“ und als „herben Verlust“. Es verschwinde „ein Stück Berlin, das fast 50 Jahre lang für viele Communitys ein Zuhause war, uns Schutz, Miteinander und Sichtbarkeit geboten hat“.

Als Senat von Berlin darf man einen solch bedeutenden Ort nicht einfach sehenden Auges sterben lassen.

Klaus Lederer, queerpolitischer Sprecher der Linke-Fraktion im Abgeordnetenhaus

Das Ende des Schwuz sei „ein Weckruf für die Landespolitik“, so Lederer. „Beim Senat herrscht teils Gleichgültigkeit und Ablehnung gegenüber queeren Belangen“, kritisiert er. Ein echtes Bemühen des Senats zur Unterstützung der Schwuz-Rettung sei nicht erkennbar gewesen. „Als Senat von Berlin darf man einen solch bedeutenden Ort nicht einfach sehenden Auges sterben lassen.“

Berlin brauche nun „dringend eine Strategie für Unterstützung, Sicherung und Erhalt queerer Infrastruktur“. Konkret nennt Lederer „Raumsicherung in öffentlichen Immobilien“, „geeignete Förderinstrumente für die queere Kultur“ – und „niedrigschwellige, sowohl finanzielle als auch politische Hilfe im Krisenfall“, damit „in ökonomische Schieflage geratene queere Institutionen“ unterstützt werden können.

Steffen Krach will sich für das Schwuz starkmachen

Auch die in Berlin mitregierende SPD äußerte sich. „Das Schwuz war über Jahrzehnte hinweg die wichtigste Institution der queeren Community. Mit der Schließung verliert Berlin als Regenbogenhauptstadt einen relevanten Anker im Berliner Nachtleben, der viel mehr war als nur ein Ort für Party“, teilte die Landesvorsitzende Nicola Böcker-Giannini mit.

Der Co-Landesvorsitzende Martin Hikel, zugleich Neuköllner Bezirksbürgermeister, sagte: „Mit dem Umzug des Schwuz nach Neukölln wurde einst ein Statement gesetzt, dass queeres Leben überall in Berlin ein zu Hause hat. Mit der jetzigen Insolvenz droht ein wichtiger Ort der gesamten Berliner Clubkultur zu sterben. Den Erhalt und Wandel der Clubkultur müssen das Land gemeinsam mit der Szene gestalten.“

Und Steffen Krach, Spitzenkandidat der SPD, sagte: „Die Schließung des SchwuZ ist für seine Gäste und für unsere ganze Stadt ein schmerzlicher Verlust. Ich werde mich dafür starkmachen, dass sie nicht das Ende dieser wichtigen Institution bedeutet.“

Clubcommission fordert „Maßnahmen zum Erhalt und zur Förderung queerer Infrastruktur“

Die Berliner Clubcommission reagierte ebenfalls betroffen. Das Schwuz sei für viele Menschen weit mehr als ein Club gewesen – „es war ein Zuhause, ein Schutzraum, ein Stück Berliner Identität“, teilte der Vorsitzende der Clubcommission und frühere Schwuz-Geschäftsführer Marcel Weber mit. „Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie viel Herzblut, Engagement und Community in diesem Ort steckten. Dass trotz aller Bemühungen, Restrukturierungen und Sanierungsversuche keine tragfähige Perspektive mehr gefunden werden konnte, ist ein bitteres Signal – und zeigt, wie schwierig die Lage für Clubs in dieser Stadt insgesamt geworden ist.“

Die wirtschaftliche Lage vieler Clubs sei angespannt. Gerade Orte wie das Schwuz bräuchten gezielte politische Unterstützung. Die Schließung des Schwuz stehe in einem eklatanten Widerspruch zum Selbstverständnis Berlins als „Regenbogenhauptstadt“. 

„Eine Regenbogenhauptstadt definiert sich nicht nur durch Bekenntnisse auf dem Papier, sondern durch konkrete Maßnahmen zum Erhalt und zur Förderung queerer Infrastruktur“, sagte Weber. „Wenn Berlin seinem eigenen Anspruch gerecht werden will, braucht es jetzt entschlossenes politisches Handeln – nicht nur Symbolpolitik, sondern echte Unterstützung für die Räume, die queeres Leben seit Jahrzehnten ermöglichen und prägen. Der Verlust des Schwuz ist ein Armutszeugnis für eine Stadt, die sich als Vorreiterin queerer Rechte und Kultur versteht.“

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