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Energiebedarf wächst schneller als das Angebot: Stromnetz Berlin braucht mehr Geld für Investitionen
Gewinn und Investitionen steigen, aber auch die Nachfrage künftiger Großkunden. Deshalb bekommen sie nicht mehr so viel Anschlussleistung wie gewünscht.
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Die Neuregelung betrifft nicht mal ein Promille der Berliner Stromkunden – aber diese winzige Gruppe hat es in sich: Ihr angefragter Strombedarf summiert sich auf Mengen, die das Netz kurzfristig nicht hergeben kann. Deshalb gilt für Anfragen dieser „Größtkunden“ an Stromnetz Berlin ab sofort nicht mehr das sogenannte Windhund-Prinzip, sondern ein Zuteilungsverfahren, bei dem die vorhandenen Leistungsreserven auf die Bewerber verteilt werden.
Stromnetz-Geschäftsführer Erik Landeck hatte diesen Systemwechsel bereits vor einem halben Jahr angekündigt. Bei der Vorstellung der Jahresbilanz des vor vier Jahren rekommunalisierten Unternehmens untermauerte er das neue Verfahren mit aktuellen Zahlen.
Demnach wurden von Projektentwicklern für künftige Großkunden – meist Rechenzentren – im vergangenen Jahr bereits Anschlussleistungen von insgesamt mehr als 1000 Megawatt angefragt. Das entspreche rund der Hälfte der aktuellen Berliner Netzlast. Drei Rechenzentren mit zusammen 130 Megawatt seien schon angeschlossen, zehn weitere im Bau oder konkret geplant. Das summiere sich auf 827 Megawatt.
Die Anfragen für künftige Großkunden summieren sich auf vier Gigawatt – zu viel fürs Netz
Inklusive aller Voranfragen kämen mehr als 4000 Megawatt zusammen, also das Doppelte der aktuellen Berliner Last. Da entsprechende Reserven nicht vorhanden sind, können sich Projektentwickler bis Ende Juni bewerben und bekommen dann Teilmengen angeboten – mit der Aussicht auf zusätzliche Kapazitäten in den nächsten Jahren.
Kurzfristige Kapazitäten seien noch im Berliner Süden und im Nordosten vorhanden. Als weitere Beispiele für derart große Abnehmer nannte Landeck die BVG mit ihrer zunehmend elektrifizierten Busflotte und Fernwärmeversorger, die Großwärmepumpen betreiben.
Der Hunger der Projektierer ist größer als der Kuchen, der auf dem Tisch liegt.
Erik Landeck, Stromnetz-Geschäftsführer, über die Anfragen für künftige Großkunden
Privatkunden sowie kleine und mittlere Unternehmen betreffen diese Beschränkungen nicht. Aber auch für sie wird das Netz massiv ausgebaut. Binnen zehn Jahren solle die Kapazität auf vier Gigawatt verdoppelt werden, kündigte Wirtschaftsstaatssekretär und Stromnetz-Aufsichtsratschef Severin Fischer an. Die Ausbauten sollen die nötigen Reserven schaffen für die Energiewende mit mehr Erneuerbaren und einer zunehmend strombasierten Wärmeversorgung und Mobilität.
Inklusive Azubis arbeiten jetzt mehr als 2000 Menschen bei Stromnetz Berlin
367 Millionen Euro hat die Stromnetzgesellschaft mit ihren jetzt knapp über 2000 Beschäftigten im vergangenen Jahr investiert – bei 1,53 Milliarden Euro Umsatzerlös und 151 Millionen Euro Gewinn, der über den landeseigenen Mutterkonzern BEN Energie und Netzholding reinvestiert werden soll. Außerdem erhielt das Land 138 Millionen Euro Konzessionsabgabe für den Leitungsbetrieb.

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Basis für die Investitionen waren 300 Millionen Euro Eigenkapital vom Land, um die Kreditwürdigkeit der Stromnetz-Mutter BEN zu stärken. Über weitere Zuführungen aus dem Landeshaushalt wird nach Auskunft von Fischer zurzeit mit der Finanzverwaltung verhandelt.
In diesem Jahr soll die Investitionssumme auf 467 Millionen Euro steigen, bis 2029 dann auf mehr als 600 Millionen im Jahr. Knapp die Hälfte des Geldes fließt in Ersatz und Austausch vorhandener Infrastruktur, der Rest in Neubau, Erweiterung und Digitalisierung. Dazu gehören auch die intelligenten Stromzähler („Smart Meter“), mit denen bis Ende dieses Jahres alle Liegenschaften des Landes ausgerüstet werden sollen. Sie helfen, Stromfresser zu lokalisieren und die Erträge von Solaranlagen zu erfassen.
Nachdem die Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) gerade auf die Probleme mit den mittäglichen Solarstromspitzen und das ungeschickte Lademanagement vieler Stromspeicher-Besitzer hingewiesen hatte, stellte Landeck klar: In Berlin seien diese Photovoltaik-Spitzen trotz massiven Zubaus unkritisch, weil jederzeit genug Bedarf für den lokal erzeugten Strom vorhanden sei.
Der Netzausbau bedeutet Baustellen überall in der Stadt – Kabelschächte, Netzknoten, Umspannwerke. Die Versorgungssicherheit hat aber darunter nicht gelitten: 8,7 Minuten durchschnittliche Ausfallzeit pro Haushalt im vergangenen Jahr bedeuten sowohl eine Verbesserung gegenüber dem Vorjahr (9,7 Minuten) als auch einen guten Platz im Bundesvergleich. Deutschlandweit lagen die Stromausfallzeiten in den vergangenen drei Jahren jeweils zwischen zwölf und 13 Minuten pro Haushalt.
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