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Hubertus Knabe, ehemaliger Vorstand und Direktor der Gedenkstätte Hohenschönhausen, soll sexuelle Belästigung geduldet haben.

© Paul Zinken/dpa

Entlassener Direktor der Gedenkstätte Hohenschönhausen: CDU-Abgeordneter wirft Lederer im Fall Knabe "kriminelle Energie" vor

Arnold Vaatz von der CDU greift Berlins Kultursenator Lederer wegen der Entlassung von Knabe scharf an. Er kritisiert auch Kulturstaatsministerin Grütters.

Es sind sechs Seiten, die Arnold Vaatz am Mittwoch verschickt hat – zum Fall des nach Sexismus-Vorwürfen als Direktor und Vorstand der Stasiopfer-Gedenkstätte Hohenschönhausen entlassenen Hubertus Knabe. Die Mitteilung des Vizechefs der Unionsbundestagsfraktion liest sich wie eine wütende Anklageschrift, nicht nur gegen Berlins Kultursenator Klaus Lederer (Linke), sondern auch gegen Kulturstaatsministerin Monika Gründers und den Vize-Präsidenten des Landtags Brandenburg, Dieter Dombrowski (beide CDU).

Lederer habe sich „schwerer Rechtsverstöße schuldig gemacht“. Es gebe „eindeutige Indizien" für eine „nahezu kriminelle Energie“, mit der Knabes Ablösung geplant worden sei. Der Abschlussbericht von Marianne Birthler als Vertrauensperson – laut Vaatz eine befangene „Sonderermittlerin“ – über die nach wie vor große Angst der Mitarbeiterinnen, sei eilig und pünktlich zur Sondersitzung des Stiftungsrates am Sonntag gefertigt worden. „Im Kopierraum der Gedenkstätte brannte sogar noch abends Licht“, schreibt Vaatz.

"Denunziatorische Methoden"

Das ganze Verfahren erinnere „an die denunziatorischen Methoden“ in Diktaturen, Knabe werde verfassungswidrig behandelt. Ihm sei ein Schaden zugefügt worden, „der der Strafe eines Schwerverbrechers entspricht“. Und der „inszenierte Enthauptungsschlag gegen die Gedenkstätte“ diene der Linkspartei dazu, das Gedenken an die SED-Diktatur weichzuspülen.

Weil die Repräsentanten der früheren SED-Diktatur Knabe hassten, sei klar, dass Knabe mit politischem Druck und durch die „Instrumentalisierung anonymer Vorwürfe“ aus dem Amt entfernt worden sei. Und Grütters und Dombrowski hätten an dieser „politischen Intrige zur Gleichschaltung der Gedenkstätte“ mitgewirkt.

Ein Sprecher der Kulturstaatsministerin sagte dem Tagesspiegel: „Uns ist die Mitteilung bekannt. Wie teilen die Vorwürfe nicht. Wir können sie auch nicht nachvollziehen.“ Selbst in Kreisen der Union herrscht Unverständnis über Vaatz. Er hat im Bundestag den Ruf eines Verschwörungstheoretikers, hieß es aus Fraktionskreisen. Lederer konnte nur bedingt reagieren, er weilte als Europasenator im schottischen Edinburgh. Aus seinem Umfeld hieß es, Lederer habe derlei Vorwürfe wie von Vaatz bereits mehrfach als falsch zurückgewiesen.

Zumindest mit einem Satz ließ sich Lederer zitieren. Der Vorwurf, er habe das Landgericht unter Druck gesetzt, "disqualifiziert diejenigen, die diese Vorwürfe erheben, aufs Gründlichste", sagte der Senator. Dombrowski erklärte: "Herr Vaatz bekennt sich zur Unabhängigkeit der Gerichte, spricht im laufenden Verfahren dem Stiftungsrat aber - anders als beim Verfahrensbeteiligten Knabe - das Recht ab, vorgesehene  Rechtsmittel einzulegen". Vaatz behaupte, "dass das Gericht politisch unter Druck gesetzt wurde. Ich hoffe, dass das Landgericht zu dieser Behauptung Stellung nimmt."

Knabe soll sexuelle Belästigung geduldet haben

Vaatz, auch Sprecher der ostdeutschen Landesgruppen in der Unionsfraktion, ist seit der Entlassung von Knabe am 25. September der Wortführer der Kritiker. Selbst Hinweise und Erklärungen von Grütters überzeugten ihn nicht. Dass Knabe nämlich aus Sicht des Stiftungsrates es geduldet und durch seinen Führungsstil befördert haben soll, dass sein Stellvertreter über Jahre Mitarbeiterinnen sexuell belästigt hat.

Am Wochenende hatten sich die Ereignisse überschlagen. Erst erwirkte Knabe eine einstweilige Verfügung, dass er vorläufig in sein Büro zurückdarf. Dann entschied der Stiftungsrat, darunter Lederer als Vorsitzender, Dombrowski als Vertreter der Opferverbände, eine Vertreterin von Grütters, am Sonntag in einer Sondersitzung, Knabe sofort abzuberufen.

Dombrowski erklärt der Berliner CDU den Fall Knabe

Die Gründe: zerrüttetes Vertrauensverhältnis, der Eindruck, dass Knabe die Gedenkstätte wohl nach dem Prinzip "Zweckmäßigkeit vor Rechtmäßigkeit" geführt habe, aber auch die einstweilige Verfügung. Die wurde am Montag vom Landgericht auf Antrag von Lederer vorläufig wieder ausgesetzt. Knabe erschien für wenige Stunden in der Gedenkstätte und musste wieder gehen.

Auch die Spitzen der CDU im Berliner Abgeordnetenhaus und der Landespartei befassten sich mit Knabe - zur Telefonkonferenz am Dienstag war Dombrowski eingeladen. Es habe zwar kritische Nachfragen gegeben, hieß es. Aber „dabei ist deutlich geworden, dass es bei der Abberufung nicht darum ging, einen Leuchtturm des Antikommunismus zu beseitigen. Derartiges würden wir auch nicht hinnehmen“, erklärte Fraktionschef Burkard Dregger.

Dombrowski hatte Dregger zuvor in einem Schreiben die Vorgänge geschildert und erklärt, er habe aus voller Überzeugung für Knabes Abberufung gestimmt, „da ich mich sonst ewig geschämt hätte“. Er hatte kritisiert, dass die Unterstützung einiger Parteikollegen für Knabe „ohne Kenntnis der Umstände“ den SED-Opfern nicht helfe. Ihnen zeige die Union im Bundestag Desinteresse. 

Bei einem in der Berliner CDU drang Dombrowski, einst politischer Häftling in der DDR, nicht durch: Der Spandauer Bundestagsabgeordnete und Knabe-Unterstützer Kai Wegner, zugleich einer von vier Stellvertretern von Landesparteichefin Grütters, verbreitete die Vaatz-Erklärung ebenfalls.

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