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Vormundschaft und Mündel für Geflüchtete bei der Caritas.

© Robert Klages

„Er fragt, was aus ihm wird, wenn die AfD regieren sollte“: Kreuzbergerinnen berichten über ihre Vormundschaft für Geflüchtete

Wie ist es, sich um einen fremden Jugendlichen zu kümmern? Zwei Frauen aus Kreuzberg berichten von ihren Erfahrungen als Vormund für unbegleitete minderjährige Geflüchtete. Die Caritas sucht dringend Ehrenamtliche.

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Immer öfter sprechen Claudia Eilts und Mahmoud über Politik. Der 15-Jährige aus Syrien möchte wissen, was passiert, wenn die AfD in Deutschland regieren würde, und jetzt, da Donald Trump wieder Präsident der USA und Diktator Assad in Syrien weg ist.

„Er fragt, ob er bleiben kann“, berichtet Eilts. „Und ob seine Familie nach Deutschland kommen kann.“ Der Junge steht vor einem Schulwechsel und macht bei Sichtungstrainings von Sportschulen mit. Ohne Eilts wäre das wohl nicht möglich. Die Kreuzbergerin hat seit Anfang des Jahres eine Vormundschaft für Mahmoud übernommen, der in einer Unterkunft in Neukölln lebt. Sie kümmert sich ehrenamtlich um ihn.

„Meine zwei Kinder waren auf Privatschulen, und dann stand ich plötzlich auf diesem Schulhof in Neukölln“, erinnert sich Eilts an eine der ersten Begegnungen mit ihrem Mündel. Einer ihrer Söhne ist in der Flüchtlingshilfe tätig und hat ihr von der Möglichkeit einer Vormundschaft erzählt.

Die beiden spielen viel Fußball, aber auch mal Schach. Sie gehen zu Fußballspielen von Hertha BSC Berlin ins Olympiastadion oder schauen sich Basketball an. Mal gibt es Döner, mal wird gekocht. Im Urlaub waren sie Skifahren.

Ein Mal im Monat soll ein Vormund sein Mündel sehen, Eilts und Mahmoud treffen sich mindestens ein Mal in der Woche, sie verabreden sich telefonisch. Erst allmählich habe der Junge angefangen, von seiner Flucht und seiner Heimat zu erzählen, berichtet Eilts. Er stammt aus einem Dorf, hat Kontakt zu den Eltern, viele Brüder, nicht mehr alle sind noch am Leben.

Claudia Eilts und ihr Mündel Mahmoud.

© Angela-Kroell

Eilts kümmert sich um seinen Asylantrag und viele andere bürokratische Angelegenheiten, unterstützt von der Caritas. Diese ist dringend auf der Suche nach ehrenamtlichen Personen. Derzeit warten über 350 Jugendliche beim Berliner Jugendamt auf eine Vormundschaft. Insgesamt gibt es in der Stadt bereits über 3000 aktive Vormundschaften.

Man darf nicht die eigenen Interessen durchsetzen, sondern die des Mündels.

Angelika Palske hat bereits drei Geflüchtete begleitet.

Angelika Palske aus dem Wrangelkiez hat bereits drei Mündel seit 2016 übernommen. Einer von ihnen macht gerade eine IT-Ausbildung, sie haben noch Kontakt. Danach war es ein 15-Jähriger aus Gambia. „Ich war auch mal streng“, erinnert sie sich. Es ging um die Schule, es musste gelernt werden. Sie weiß: „Man darf nicht die eigenen Interessen durchsetzen, sondern die des Mündels.“

Angelika Palske ist erfahrene Vormündin.

© Robert Klages

Wer Vormund werden möchte, muss ein Eignungsgespräch machen, dann eine Schulung absolvieren. „Es ist selten, dass es nicht passt“, sagt Muriel Zenk vom Caritasverband. Wichtig sei, dass die Mündel nicht als Ersatzkinder angesehen werden oder zu schnell Dankbarkeit von ihnen erwartet wird. Beide müssen der Vormundschaft zustimmen.

Ubaida Darwich hat lange auf seinen Vormund gewartet.

© Robert Klages

Ubaida Darwich erinnert sich ans Warten in der Massenunterkunft für Geflüchtete. „Alle wollten einen Vormund, dann konnte es losgehen mit der Schule und der Ankunft“, erzählt der 26-Jährige. Er war in vielen Heimen, dann bei der Jugendhilfe. Als er 16 war, floh er aus Aleppo, das Haus war zerbombt worden und die Familie schickte ihn und seinen Bruder nach Europa, bevor die beiden zum Militärdienst einberufen werden konnten.

An der Grenze zur Türkei wurde auf sie geschossen, auf dem Mittelmeer sank das Schlauchboot, eine Stunde lang schwammen sie um ihr Leben. „Ich verstand das erst nicht, ich wollte in Aleppo bleiben, bei meinen Freunden.“ Erst, als sie aus Syrien raus waren, habe er verstanden, was Krieg wirklich bedeutet und wie ein Land aussieht, in dem kein Krieg ist.

Heute ist er Ingenieur für erneuerbare Energien und hat die deutsche Staatsbürgerschaft. „Ohne einen Vormund wäre das nicht möglich gewesen, sie hätten mich vielleicht abgeschoben“, ist er sich sicher. „Ich hatte dadurch eine Zukunft.“

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