
© privat
„Er wurde schlagartig aggressiv“: JU-Mitglieder beim Haustürwahlkampf in Berlin attackiert
Erst wurden sie beleidigt, anschließend körperlich angegriffen. Wie ein 24-jähriger Wahlkampfhelfer der CDU die Attacke im bürgerlichen Schöneberger Kiez erlebte.
Stand:
Es sei Zufall gewesen, dass sie ausgerechnet in diesem Schöneberger Wohnhaus zu zweit gewesen seien, sagt Jan Heuer von der Jungen Union. Normalerweise teilen sich Heuer und sein CDU-Kollege Alex Gerasimenko die Straßenseiten auf. Klingeln, auf den Summer warten, Partei-Broschüren einwerfen, nächstes Haus. Klassischer Wahlkampf-Rhythmus, der am Dienstagabend jäh unterbrochen wurde.
Die beiden CDU-Wahlkampfhelfer klingeln gerade an einem Mietshaus nahe dem Winterfeldtplatz, als sie von einem mutmaßlichen Bewohner des Hauses noch auf der Straße angesprochen werde. „Der Mann wurde schlagartig aggressiv, als wir uns als CDUler vorstellen“, berichtet der 24-jährige Heuer. „Er drohte uns, wenn wir hereinkommen, wird was passieren.“.
Zunächst löst sich die Situation auf, der Unbekannte verschwindet im Haus, die beiden Wahlkämpfer werden von anderen Mietern hereingelassen. Im Hausflur verteilen sie die Flyer auf die Briefkästen. „Auf einmal ging das Licht an und jemand sprintete die Stockwerke runter“, erinnert sich Heuer. Der Mann geht auf die beiden Wahlkampfhelfer zu, packt Heuer und versucht ihn aus dem Haus zu drängen. Der 24-Jährige fällt, sein Handydisplay zerbricht.
Wir hatten verdammt viel Glück.
Jan Heuer, JU-Mitglied in Tempelhof-Schöneberg
Die alarmierte Polizei trifft schließlich gegen 18.35 Uhr in der Winterfeldtstraße ein. Jan Heuer erleidet ein Hämatom am Oberschenkel. Gegen den Täter wird weiter ermittelt. „Wir hatten verdammt viel Glück“, sagt Heuer am Tag darauf, „ich hätte auch auf den Kopf fallen können.“
Schwelle überschritten
Dass ihm im bürgerlichen Schöneberger Kiez nicht nur Gewalt angedroht wurde, sondern er tatsächlich auch angegriffen wurde, schockiert den Wahlkämpfer. „Hier ist ganz klar eine Schwelle überschritten worden“, sagt er. Zuvor seien sie bereits beim Plakatieren bepöbelt worden, Wahlplakate wurden massenhaft zerstört, aber es war nie körperlich.
Dennoch geht es weiter. „Natürlich mache ich weiter“, sagt Heuer. Gleichzeitig betont er: „Wir sind offen für Diskussionen und andere Meinungen.“
Justizsenatorin Badenberg will Wahlkämpfer stärker schützen
Berlins Justizsenatorin Badenberg meldete sich noch am Mittwoch zu dem Vorfall und hält fest, dass mittlerweile fast täglich Attacken zu verzeichnen seien. Deshalb wolle sie der zunehmenden Rohheit der politischen Kultur angemessen begegnen.
Sie will noch im Februar eine Initiative im Bundestag einbringen, die „den Schutz der Kommunalpolitiker, der Kandidaten und der Ehrenamtlichen deutlich verbessert.“ Bisher stellt das Strafgesetzbuch nur unter Strafe, wenn offizielle Verfassungsorgane angegangen werden.
Menschen auf partei- oder kommunalpolitischer Ebene würden allerdings zunehmend ins Ziel ebensolcher Angriffe rücken. „Sie sind das Rückgrat unserer Demokratie und verdienen einen besseren Schutz“, heißt es abschließend in der Mitteilung.
Kreisvorsitzender Luczak: Gesellschaftliche Vergiftung der letzten Tage hat Früchte getragen
Jan-Marco Luczak, Kreisvorsitzender der CDU Tempelhof-Schöneberg und Mitglied des Bundestags, äußerte sich in einer Stellungnahme auf der Plattform X zu dem Vorfall. Der Vorfall sei eine Konsequenz der Proteste der vergangenen Tage, folgert er.
Empfohlener redaktioneller Inhalt
An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.
Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.
„Ganz Berlin hasst die CDU“ sei am Sonntag bei einem Demoaufzug auf die Siegessäule projiziert worden. Dabei handele es sich um eine „Vergiftung des gesellschaftlichen Klimas“, wie Luczak sagt. Wer einen solchen Slogan verbreitete, sei mitverantwortlich für solche Übergriffe. Er berichtet zudem von ehrenamtlichen Helfern, die „wegen der Anfeindungen und des sozialen Drucks“ Angst hätten, an Infoständen zu arbeiten.
Rund 160.000 Menschen haben am Sonntag in Berlin gegen eine Zusammenarbeit von CDU und AfD demonstriert. Aufgerufen hatte dazu die Kampagnenorganisation „Campact“. Bereits in den vorherigen Tagen waren bundesweit tausende Menschen zusammengekommen, um gegen die von CDU-Chef Friedrich Merz geplante Verschärfung der Migrationspolitik und die gemeinsame Abstimmung von Union und AfD zu demonstrieren.
SPD und Grüne verurteilen Attacke und kritisieren Luczak
Auch Sinem Tasan-Funke, stellvertretende Landesvorsitzende der SPD, reagierte auf den Vorfall von Dienstagabend. Diese Angriffe müssten endlich aufhören, forderte sie, und wünschte den beiden Wahlkämpfern alles Gute. Unionspolitiker Luczak unterstellte Tasan-Funke jedoch eine mangelnde Reflexion der eigenen Verantwortung. Sie trage zum vergifteten gesellschaftlichen Klima bei, indem sie täglich Videos poste, in denen Friedrich Merz kritisiert werde.
Moritz Heuberger, Kreisvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen in Tempelhof-Schöneberg, verurteilte Luczaks Kommentar als „unangemessen“. Er forderte „unter Demokrat*innen klare Kante gegen Hass und Gewalt und keine Schuldzuweisungen“.
Ein Wahlkampfteam der Grünen wurde am Mittwochmorgen ebenfalls Ziel einer Attacke: Ein Unbekannter schlug einem der Wahlkampfhelfer am U-Bahnhof Ullsteinstraße in Tempelhof mit der Hand ins Gesicht und äußerte sich homofeinlich und volksverhetzend.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: