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In der Teststelle können sich Bürger testen lassen, die Anspruch auf einen kostenlosen Antigen-Schnelltest haben. Auch ein PCR-Test bei einem positiven Schnelltest ist möglich.

© imago images/Stefan Zeitz

Update

Es geht um 44 Millionen Euro: Auftrag des Senats für Corona-Testzentren endgültig rechtswidrig

Auch das Kammergericht erklärt die Vergabe der Testzentren an Betreiber 21DX für rechtswidrig. CDU-Chef fordert Aufklärung und Konsequenzen.

Das Berliner Kammergericht hat die Vergabe der landeseigenen Testzentren durch den Berliner Senat endgültig für rechtswidrig erklärt. Der Senat scheiterte mit Beschwerden gegen zwei vorangegangene Beschlüsse der Vergabekammer des Landes Berlin. Das teilte das Berliner Kammergericht am Dienstag mit.

Im Kern geht es um die Vergabe von zwölf landeseigenen Corona-Testzentren an den Betreiber 21DX. Das Unternehmen hat allein im Jahr 2021 44 Millionen Euro durch den Auftrag eingenommen.

Das Unternehmen hatte die Test-Zentren noch bis Ende März weiterbetrieben – der Betrag dürfte also weit darüber liegen. Der Auftrag und der Ausschluss eines weiteren Unternehmens bei der Vergabe waren jedoch rechtswidrig, so das Kammergericht.

Schon im Januar hatte die Vergabekammer den Auftrag an das Münchener Unternehmen 21DX für unwirksam erklärt und die Fortführung des Auftrags untersagt. Der Senat hatte aber Beschwerde eingelegt, um die Test-Infrastruktur in der Omikron-Welle nicht zu schwächen.

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Nun wurde erneut festgestellt, dass der Ausschluss eines Wettbewerbers von 21DX nicht gerechtfertigt war und auch die interimsmäßige Vergabe an das Unternehmen – nachdem der Wettbewerber Beschwerde eingelegt hatte – nicht rechtmäßig war. Die vom Senat befürchtete Versorgungslücke bei den Tests, so argumentiert die Kammer, sei nämlich Folge der fehlerhaft durchgeführten Vergabe gewesen.

Kai Wegner: Steuergelder wurden nach Gutsherrenart verteilt

Der Landes- und Fraktionschef der Berliner CDU, Kai Wegner, sagte dem Tagesspiegel zu der Entscheidung: „Der Senat hat Steuergelder in Millionenhöhe nach Gutsherrenart verteilt und dafür vom Kammergericht die einzig richtige Antwort kassiert. Es drohen nun eine Klagewelle und ein weiterer Millionenschaden, und das ausgerechnet in einer Zeit, in der sich die Berliner immer weniger leisten können.“

Der Fall müsse restlos aufgeklärt werden und dürfe nicht ohne Konsequenzen bleiben, sagte Wegner, und ergänzte in Richtung von Gesundheitssenatorin Ulrike Gote (Grüne): „Frau Gote und ihre Vorgängerin Frau Kalayci müssen sich umfassend erklären und für etwaige Rechtsbrüche persönlich zur Verantwortung gezogen werden.“

Der Streit hat eine lange Vorgeschichte: Im März 2021 hatte 21DX erstmals den Auftrag für den Zuschlag für die damals zwölf landeseigenen Teststellen erhalten, mehrere Konkurrenten hatten schon damals Kritik geäußert und bei der Vergabekammer Beschwerde eingelegt.

Extreme Vertrautheit zwischen 21DX und Senatsverwaltung

Die Vergabe war zuerst ohne Ausschreibung erfolgt. Dann hatten Recherchen des Tagesspiegel ergeben, dass das Münchner Unternehmen unter anderem an der Leistungsbeschreibung des Auftrags für die Ausschreibung selbst mitgewirkt hatte.

Andere und – teils deutlich günstigere – Konkurrenten waren vom Senat von der Vergabe ausgeschlossen worden, weil sie angeblich Kriterien nicht erfüllten. Unter anderem das Unternehmen, das nun vor der Vergabekammer recht bekam.

Das Unternehmen 21DX war – wie viele Anbieter von Schnelltests – erst im Juli 2020 gegründet worden; schon im November 2020 hatte das Unternehmen den ersten Senatsauftrag erhalten. Wettbewerber wunderten sich von Beginn an über eine besondere Nähe zwischen dem Gesundheitssenat und der Münchner Firma. Interne Mails, über die der Checkpoint-Newsletter des Tagesspiegel berichtete, belegen eine extreme Vertrautheit zwischen den Akteuren.

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Zugleich drängte 21DX bereits im November 2020 auf einen schnellen Abschluss, da es auch eine steigende Nachfrage aus dem privaten Sektor gebe. Später gab es zwar ein Vergabeverfahren zugunsten der Firma, das wurde jedoch im Mai 2021 von der Vergabekammer gestoppt. Danach schloss die Gesundheitsverwaltung noch unter der alten Senatorin Dilek Kalayci (SPD) wiederholt Interimsverträge mit 21DX ab, um den Betrieb der Testzentren sicherzustellen.

Mindestens 12 kurzzeitige Interimsaufträge für 21DX

Kurz vor dem Jahreswechsel 2021/2022 war die gerade erst ins Amt gekommene Gesundheitssenatorin Ulrike Gote (Grüne) gefordert, erneut eine Interimsvergabe vorzunehmen, um die Test-Infrastruktur aufrechtzuerhalten – wieder zugunsten von 21DX. Die Vergabe erfolgte am 30. Dezember.

Durch die juristische Anfechtung entstand ein Gewirr von Vergabe-Aufträgen: So wurden nach einer ersten Ausschreibung für mobile Test-Teams noch zwei weitere Aufträge für den Betrieb der Testzentren und der Logistik ausgeschrieben. Weil diese von Wettbewerbern von 21DX angefochten wurden, hat die Gesundheitsverwaltung mindestens 13 kurzzeitige Interimsaufträge vergeben.

Der zuständige Mitarbeiter bei der Gesundheitsverwaltung wurde inzwischen in beidseitigem Einvernehmen freigestellt. Das Land Berlin muss nun eine Verfahrensgebühr in unbekannter Höhe zahlen und die Kosten des Verfahrens tragen. Die unterlegenen Anbieter können Schadensersatzforderungen stellen.

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