
© Caro Prange
„Es ist okay, traurig zu sein“: Mit Anna König im „Studio Roiii“ in Berlin töpfern und über den Tod sprechen
Erst Jahre nach dem Tod ihrer Mutter lernt Anna König einen Umgang mit ihrer Trauer. In einem Workshop zeigt die 34-Jährige, warum es sinnvoll sein kann, eine eigene Urne zu töpfern.
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An den Tod erinnert wenig im „Studio Roiii“, dem Töpferstudio, das Anna König in der Harzer Straße in Neukölln, an der Bezirksgrenze zu Kreuzberg, vergangenes Jahr eröffnet hat.
Doch genau hier, zwischen knallbunt bemalten Blumenvasen und geschwungenen Kerzenständern, die sich in dem rosafarbenen Regal und auf einem Tisch zwischen Tonmasse und Töpferwerkzeug verteilen, will die 34-Jährige über dieses schwere Thema sprechen.
„Sorry für das Chaos“, sagt sie zur Begrüßung, als sie die Tür zu ihrem Studio aufschließt. Meistens sei viel los in ihrem Kopf, es falle ihr schwer, sich auf eine Sache zu konzentrieren. Außer beim Töpfern. Da schaltet Anna ab, kann sich ganz dem kreativen Prozess hingeben. „Lieber eine Tasse mit Boobs oder mit einer Vagina?“, ruft sie aus dem kleinen Hinterzimmer, in dem sie gerade einen Tee aufsetzt.
Meistens beschäftigen sich die Menschen erst mit der eigenen Endlichkeit, wenn sie direkt damit konfrontiert werden.
Anna König bietet im „Studio Roiii“ in Neukölln Töpferkurse zum Thema Tod an.
Mit dem „Studio Roiii“ habe sich einen kleinen Lebenstraum erfüllt, erzählt sie, als sie mit dem heißen Tee in den Tassen mit den hängenden Brüsten zurückkommt. Als sie vor vier Jahren, mitten in der Pandemie, merkte, dass sie schwanger war, fing sie mit dem Töpfern an. „Mein Körper hat sich während der Schwangerschaft verändert und das konnte ich im Ton gut abbilden“, sagt sie. Nach einer 14 Monate dauernden Bootstour, die sie gemeinsam mit ihrem Mann Paul und ihrer Tochter Momo gemacht hat, eröffnete sie schließlich das Töpferstudio.
Töpfern und über den Tod sprechen
Hier kann sie ganz sie selbst sein. Denn ihr fiel noch etwas anderes auf: Töpfern schafft einen intimen Raum, in dem es Menschen leicht fällt, sich anderen zu öffnen. Da kam ihr das erste Mal die Idee, Workshops zum Thema Tod anzubieten. Das hat auch einen persönlichen Grund: Als 19-Jährige verlor die Wahl-Berlinerin ihre Mutter. „Ich habe es ganz lange als Schwäche empfunden, dass ich auch noch viele Jahre später deswegen weinen muss“, sagt sie.
Erst als sie ihre Gedanken dazu mit anderen Frauen in einem Fotoprojekt teilt, die ganz ähnliche Erfahrungen gemacht haben, verändert sich ihr Umgang mit dem Tod. „Es ist okay, traurig zu sein“, sagt sie. Der Schmerz werde immer bleiben. Heute könne sie sich ihrer verstorbenen Mutter im Trauern nahe fühlen. „Das kann auch schön sein, ich kann das manchmal auch genießen“, sagt die 34-Jährige.

© Caro Prange
Gemeinsam mit einer erfahrenen Trauerbegleitung von „ahorn space“ bietet Anna Töpferkurse zum Thema Tod an. Bei einem Workshop können die Teilnehmer eine eigene Urne töpfern. Das habe mehr symbolische Kraft. „Die Urne darf nicht unter die Erde kommen“, sagt Anna. Sie könne aber als Memento Mori das eigene Zuhause schmücken oder in ein Kolumbarium kommen. Mit dem Workshop will König den Tod enttabuisieren. „Meistens beschäftigen sich die Menschen erst mit der eigenen Endlichkeit, wenn sie direkt damit konfrontiert werden“, sagt sie. Das sei verständlich, führe dann aber oft zu einem Gefühl der Ohnmacht.
Der Urnen-Kurs findet an drei Terminen statt (2., 20. und 27. März). Zunächst lernen die Teilnehmer die Grundlagen, dann formen sie ihre Urne. Beim nächsten Termin wird die Urne weiter gestaltet, bemalt und glasiert. Beim letzten Treffen holen die Teilnehmer ihr Werk ab. Im „ahorn space“ in Neukölln findet ein Abschlussgespräch mit Trauerbegleiterin Charlotte Wiedemann und eine Vernissage statt.
Ansprechen wollen Anna König und Charlotte Wiedemann alle Menschen, die sich mit den Gefühlen Trauer, Angst vor Verlust oder vor dem Tod in einer wertschätzenden Atmosphäre auseinandersetzen wollen. Das „Studio Roiii“ soll dafür einen geschützten Raum bieten, sagt Anna.
In der Zukunft will König ähnliche Konzepte entwickeln – dafür hat Anna, die Sozialpädagogin ist und zudem Theaterpädagogik im Master studiert, schon einige Ideen. Zum Beispiel soll es einen Töpferkurs für Kinder geben, die dann unter Anleitung von Anna ein Objekt gestalten, in dem sie zum Beispiel ihren verstorbenen Hamster begraben können. „Das darf dann auch richtig verbuddelt werden“, sagt Anna und erinnert sich an ihre eigene Kindheit. „Für mich war das immer ganz wichtig, Abschied zu nehmen.“
Aber auch für Erwachsene will Anna neue Kurse entwickeln – auch ganz weit weg vom Tod. So etwa soll es einen Töpferkurs zum Verlieben geben. „Man lernt sich beim Töpfern auf eine sehr lockere Art kennen“, sagt Anna. Einladen dazu will sie alle, die neugierig auf andere Menschen sind und Lust auf ein kreatives Handwerk haben.
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