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© Screenshot: Tagesspiegel/ Telegram

Fake-Terrorwarnung gegen Schulen in Berlin: Nachrichtendienste prüfen Spur nach Russland

Verunsicherte Eltern, Schüler bleiben zu Hause: Mit der falschen Warnung vor einem islamistischen Anschlag befasst sich nun die Polizei – und auch der Verfassungsschutz.

Nach den falschen Anschlagswarnungen gegen Berliner Schulen ermittelt der für politische Straftaten zuständige Staatsschutz beim Landeskriminalamt (LKA). Dort und bei den Nachrichtendiensten ist aufmerksam registriert worden, dass der Ursprung aus russischsprachigen Quellen kommt. Es ist die bisher heißeste Spur in dem Fall, der zahlreiche Eltern in Berlin verunsichert hat: Viele Schülerinnen und Schüler blieben am Montag zu Hause.

Die Behörden prüfen nun, ob es sich um eine Desinformationsaktion russischer Dienste handelt. Auch der Berliner Verfassungsschutz und das Bundesamt prüfen nach Tagesspiegel-Informationen den Fall. Ermittelt wird wegen Ankündigung von Straftaten und Störung des öffentlichen Friedens.

Angebliche Drohung wurde von Berliner Youtuber verbreitet

Die angebliche Terrorwarnung hat ein Berliner Youtuber beim Kurznachrichtendienst Telegram verbreitet – und er informierte die Polizei. Der Mann besucht Demonstrationen, war aktiv bei Protesten von Gegnern der Corona-Schutzmaßnahmen. Als Online-Streamer begleitete er zuletzt die große Friedensdemonstration von Sahra Wagenknecht Ende September in Berlin.

Am Sonntag dann sprach er in einem Video eine „akute Terrorwarnung“ aus. Er hatte die Nachricht einer Frau auf Russisch bekommen, die ihn auf die Terrorwarnung in einem russischsprachigen Kanal mit dem Namen „Deutsches Kalifat“ hingewiesen hatte. Beide Accounts, der der Frau und der Kalifat-Gruppe, sind inzwischen verschwunden.

Die Frau schrieb um 9.25 Uhr von ihrem Account, der erst kurz zuvor gestartet wurde, sie habe den Kanal eines Terroristen gesehen. Der plane, in Berlin Kinder zu töten. Der Youtuber wurde gebeten, Lehrer in Berlin zu warnen. Das alles belegte der Youtuber mit einem Video besagter Nachrichten. In dem angeblichen Kalifat-Kanal mit nur zwei Abonnenten stieß er dann auf die Anschlagsmeldung, die um 9.16 Uhr gepostet wurde.

Diese ließ er sich dann übersetzen. Demnach bezeichnete sich der Verfasser als Muslim und treuer Krieger des Kalifats. Dem habe er sich angeschlossen, um viele deutsche Kinder in Berlin zu töten. Im Namen Allahs werde viel Blut vergossen, in Berlin werde es nur noch Allah und „die muslimische Sprache“ geben. „Die Tränen von Müttern und Kindern werden ewig fließen“, hieß es in dem Post.

Die Polizei war am Montagmorgen vor Berliner Schulen präsent.

© dpa/Sven Käuler

Dazu sind in dem Kanal auch Fotos mit Waffen – Maschinengewehre, Pistolen, ein Messer – zu sehen, darunter eine Kalaschnikow. Ob es echte Waffen sind, ist unklar. Es könne sich dem Augenschein nach auch um Airsoft-Waffen handeln, hieß es aus Sicherheitskreisen.

Schließlich ist dann eine Liste von 20 Schulen als Ziele zu sehen. Dort werde jedem „die Kehle“ durchgeschnitten, alle würden getötet. „Wir wollen Allahs Mission erfüllen, die Allah uns gegeben hat: deutsche Kinder an Berliner Schulen zu reinigen“, heißt es im Post. Sie seien 50 Leute.

Noch am Sonntagabend bekam der Youtuber Besuch: „Die Polizei war bei mir“, schrieb er am Sonntagnachmittag. „Sie nehmen die Drohung ernst und wollen, dass ich meinen Beitrag lösche, damit keine Panik entsteht.“

Desinformation aus Russland häuft sich

Allerdings spricht einiges gegen eine tatsächlich geplante Aktion von Islamisten. Desinformationskampagnen aus Russland sind inzwischen Alltag in Deutschland, die Sicherheitsdienste werten sie als akute Bedrohung und Informationskrieg. Denn das Ziel sei, Unruhe zu stiften, die Bevölkerung zu verunsichern – und damit auf lange Sicht das System zu destabilisieren. Ganze Trollfabriken versuchen den Diskurs in den sozialen Medien zu beeinflussen, in Deutschland agieren weiter Plattformen, die von russischen Staatsmedien gesteuert werden.

Im Fall „Lisa“ hatte das in Berlin starke Auswirkungen. Mitten in der sogenannten Flüchtlingskrise brachte ein Gerücht über ein angeblich verschlepptes und vergewaltigtes Mädchen Tausende Russlanddeutsche auf die Straße. Es kam zu diplomatischen Verwicklungen zwischen Berlin und Moskau. Russische Medien befeuerten die Gerüchte, am Ende zeigte sich: Nichts davon stimmte.

Sollte die Fake-Terrorwarnung auch Teil russischer Desinformation sein, wäre sie nach Einschätzung von Sicherheitsexperten sehr kleinteilig. Der Youtuber könnte auf russische Trolle hereingefallen sein, die recht einfach Accounts angelegt und sich den Youtuber gezielt ausgesucht haben – der die Warnung dann gleich veröffentlichte, offenbar ohne nachzudenken, welche Folgen das haben könnte.

Angesichts der Reaktion vieler Eltern wüssten potenzielle Angreifer aber nun, wie sie einfach Panik auslösen könnten, hieß es in Sicherheitskreisen. Andererseits sei die Aktion sehr chaotisch und zu kleinteilig, als dass sie von russischen Diensten gezielt gesteuert gewesen sei. Es könnte sich auch einfach um unpolitische Trollerei in sozialen Medien handeln.

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