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Der Vorplatz vom S-Bahnhof Lichtenberg. 

© imago

„Dies allein ist keine Lebensleistung“: FDP will Berliner Platz nicht nach Opfer rassistischer Gewalt benennen

2016 wurde Eugen Botnari Opfer einer rechten Gewalttat. In Lichtenberg könnte ein Platz nach ihm benannt werden. Die FDP will lieber Walter Lübcke ehren.

Der obdachlose Moldauer Eugen Botnari wurde 2016 Opfer einer rassistischen Gewalttat in einem Discounter nahe dem S-Bahnhof Lichtenberg in Berlin. Seit mehreren Jahren wird in der Bezirkspolitik darüber diskutiert, ob man den namenlosen Vorplatz des Bahnhofs nach Botnari benennen sollte. 

Nun wollte die FDP in einer Anfrage an die Senatsverwaltung wissen, ob Botnari ein Straftäter gewesen und einer "geregelten Arbeit" nachgegangen sei. Die Fraktion hält die Person und seinen Lebenslauf nicht geeignet für eine so hohe Ehrung - und bekam dafür auf Twitter viel Kritik

"So schrecklich es ist, Opfer eines rassistischen Angriffs zu werden, ist dies allein keine Lebensleistung, die eine persönliche Ehrung rechtfertigt", schrieb die FDP Lichtenberg. Fraktionsvorsitzender Rico Apitz twitterte: "Ein zufälliges Opfer rassistisch motivierter Gewalt gewesen zu sein, macht einen Menschen nicht automatisch zum Helden und rechtfertigt nicht per se die Verehrung der betroffenen Person."

Botnari war am 20. September 2016 in Folge eines Angriffes verstorben, der sowohl rassistisch motiviert als auch gegen sozial-ökonomisch schwache Menschen gerichtet war. Der Täter war Filialleiter des Edeka-Supermarktes im Bahnhofsgebäude. Er hatte Botnari des Diebstahls bezichtigt und daraufhin äußerst brutal an Kopf und Körper verletzt.

Richter: "Menschenverachtung, Rassismus und Zynismus"

Im Januar 2017 wurden Ermittlungen gegen den Filialleiter André S. aufgenommen und ein Gerichtsverfahren gegen ihn eröffnet. Er setzte laut Zeugenaussagen regelmäßig Quarzsandhandschuhe gegen jene ein, die er als vermeintliche „Ausländer“ erkannte. Diese waren meistens obdachlos.

Es war die Regel, sie in einen Lagerraum zu bringen, dort zu schlagen und dies zu filmen, fanden Ermittler heraus. Die Aufnahmen stellte S. in einen WhatsApp-Chat mit den Worten „Moldawien zu Gast bei Freunden“. Das Gericht sprach den Angeklagten am 27. März 2017 der Körperverletzung mit Todesfolge schuldig und verurteilte ihn zu drei Jahren und drei Monaten Haft.

In der mündlichen Urteilsbegründung verwies der Vorsitzende Richter auf die Menschenverachtung, den Rassismus und Zynismus, die der Angeklagte bei der Tatausübung gezeigt habe. In einem anschließenden Gerichtsverfahren 2019 wurden drei weitere Supermarkt-Mitarbeitende aus den Filialen Lichtenberg und Südkreuz zu zwölf bis 22 Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Diese hatten Gewalttaten gegen Opfer aus dem „Trinker- und Obdachlosenmilieu“ gestanden.

Wie steht es um die Benennung des Platzes nach Botnari?

Ein Antrag auf einen "Botnari-Platz" geht auf die "Initiative Antifaschistische Vernetzung Lichtenberg" (AVL) zurück. 2020 wurde der Antrag in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) zunächst abgelehnt, da eine Platzbenennung gesetzmäßig erst fünf Jahre nach dem Tod der namensgebenden Person erfolgen kann.

Der Bahnhofsvorplatz trägt bisher keinen Namen. Er war in den letzten Jahren häufig geprägt von obdachlosem Leben.

Eugen Botnari wurde 2016 Opfer einer rassistischen Gewalttat. 
Eugen Botnari wurde 2016 Opfer einer rassistischen Gewalttat. 

© Polizei Berlin

Auch die CDU stimmte 2020 gegen die Benennung nach Botnari, ebenso die AfD. Eine geänderte Beschlussfassung wurde von der BVV trotzdem mehrheitlich angenommen, hier dokumentiert. Von einer konkreten Benennung des Platzes nach Botnari ist hier allerdings nicht mehr die Rede. 

Es heißt nun lediglich: "Das Bezirksamt wird ersucht, Ideen zu entwickeln, um auf dem Vorplatz vom Bahnhof Lichtenberg an die rassistisch motivierten Taten zu erinnern, welche den Tod von Eugeniu Botnari zur Folge hatten." Diese Änderung des ursprünglichen Antrags für einen "Eugen Botnari Platz" geschah auch auf Drängen der SPD. 

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SPD-Stadtrat Kevin Hönicke wollte sich auf Nachfrage nicht konkret dazu äußern, ob er für oder gegen einen Botnari-Platz ist. Er sei dafür, den BVV-Antrag mit der Änderung umzusetzen.

Lichtenbergs Bürgermeister Michael Grunst (Linke) positionierte sich klar für die Benennung nach Botnari. "Das Bezirksamt befindet sich derzeit in interner Abstimmung zur Entwicklung des von der BVV angeregten Verfahrens, gemeinsam mit dem Kulturausschuss, an diese entsetzliche Tat zu erinnern und zu gedenken", sagte Grunst dem Tagesspiegel. 

Die Äußerungen der FDP würden ihn erschüttern, sagte Grunst weiter. "Das zeigt, wie dringend das Gedenken an die Opfer rechter Gewalt in die öffentliche Debatte muss. Es ist schlicht eine Frage der Haltung, an das Schicksal Botnaris zu erinnern."

Die Grünen sind für den Botnari-Platz. Die neu gewählte Vorsitzende Filiz Keküllüoğlu bezeichnete die Aussagen der FDP als "menschenverachtend". 

FDP fragt Senatsverwaltung: War Botnari ein Straftäter?

"Ehrung für einen Ladendieb – War Eugeniu Botnari ein Straftäter?" So lautet der Titel einer Anfrage des FDP-Abgeordneten Stefan Förster. Im Oktober antwortet ihm die Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz, dass hierzu keine Erkenntnisse vorliegen, da Daten von verstorbenen ausländischen Staatsangehörigen nach fünf Jahren gelöscht werden. 

Förster wollte wissen, ob sich Botnari zurecht in Deutschland aufgehalten habe, ob gegen ihn ermittelt werde oder er Straftaten begangen habe und einer "geregelten Arbeit" nachgekommen war. Förster fragt die Senatsverwaltung: "Erfolgt auch in diesem Fall eine Prüfung, ob der Namensgeber für eine Straße/einen Platz im öffentlichen Raum der Ehrung durch einen Bezirk des Landes Berlin würdig ist?"

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Das Bezirksamt Lichtenberg, das für die Benennung von Straßen und Plätzen zuständig ist, antwortet: „Bei der offiziellen Anerkennung von Opfern rechter Gewalt durch die Bundesregierung sind der Tathergang und das Tatmotiv entscheidend, nicht die persönlichen Lebensumstände der Opfer. So verfahren auch die Amadeu-Antonio-Stiftung oder der Bundesverband der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt (VBRG), die Eugeniu Botnari als Todesopfer rechter Gewalt führen.“

Ob Botnari in dem Edeka-Markt stehlen wollte, bevor er von Filialleiter S. geschlagen wurde, ist unklar. Diese Vorwürfe basieren ausschließlich auf der Aussage des Täters S. und konnten nicht verifiziert werden. 

FDP schlägt einen Walter-Lübcke-Platz vor

Die FDP würde den Platz gerne nach Walter Lübcke benennen. Der Kasseler Regierungspräsident von der CDU wurde 2019 von einem Neonazi ermordet. Einen direkten Zusammenhang zum Bahnhofsvorplatz in Lichtenberg gibt es allerdings nicht. Die FDP schreibt, immerhin habe ganz Deutschland Anteil an dem Tode Lübckes genommen.

Sie möchte zwar eine Gedenktafel für Botnari aufstellen, der "Opfer eines widerwärtigen Verbrechens geworden" sei. Den Bahnhofsvorplatz jedoch solle man nach Lübcke benennen, dadurch könne generell an Opfer rechter Gewalt erinnert werden. 

Sebastian Füllgraff von der Linksfraktion findet, die FDP möchte durch Lübcke nur ablenken: "Es geht darum an etwas zu erinnern und zu mahnen, das dort mitten in Lichtenberg passiert ist." Einfach so Walter Lübcke ins Spiel zu bringen und ihn gegen Botnari zu stellen, sei unangebracht, obgleich nichts gegen einen "Walter-Lübcke-Platz" im Bezirk spreche, aber an einem anderen Ort. 

Füllgraff weiter: "Mutmaßlich war Botnari alkoholkrank und wohnungslos, ein zutiefst gebrochener Mensch, der Opfer einer rechten Straftat wurde. Und die FDP möchte diesen Mann posthum noch mehr brechen, indem sie ihn auf seine Alkoholkrankheit und Lebensumstände herabwürdigt."

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